SAP-Chef Klein kritisiert den Föderalismus und lobt die Cloud

Christian Klein könnte zufrieden sein. Drei Jahre nachdem der Vorstandssprecher einen Strategieschwenk verordnet hat, strotz der Softwarekonzern SAP wieder vor Optimismus. Lange hatten Investoren an dem Wandel in Walldorf gezweifelt, doch seit November steigt der Aktienkurs rasant. Die Aufträge für Cloud-Software wachsen stabil mit mehr als 20 Prozent, mit einer Marktkapitalisierung von deutlich mehr als 200 Milliarden Euro ist SAP wieder das mit Abstand wertvollste börsennotierte Unternehmen in Deutschland.

Und doch fordert der 43 Jahre alte SAP -Chef andere Rahmenbedingungen. Deutschland und die EU seien beide in einem System gefangen, das für die Digitalisierung nicht passe, sagte er am Tag der Zwischenbilanz im Gespräch mit der F.A.Z. Die Verantwortung sei nicht zen­tralisiert, viel zu viele Menschen redeten bei den Rahmenbedingungen mit, „vieles ist Stückwerk“.

Digitalisierung brauche aber einheitliche Regeln. Föderalismus ist nach Kleins Worten „bei allen sonstigen Vorteilen in Sachen Digitalisierung ein Nachteil“. Klein fordert deshalb „grundlegende Reformen“. Wenn man das ändern wolle, müsse man irgendwann auch an die Verfassung ran.

„Wöchentlich neue Anwendungsfälle“

Tatsächlich spielen die Rahmenbedingungen in der Informationswirtschaft eine entscheidende Rolle, seit immer mehr Datengeschäft in die Cloud verlagert wird, also Software nicht mehr vor Ort installiert wird, sondern als Dienstleistung über das Internet zur Verfügung gestellt. Dafür sollte es möglichst einheitliche Regeln für alle geben. Die Vorgaben und Datenschutzbestimmungen etwa für Behörden sind aber oft sogar von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Nach Kleins Überzeugung werden die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz aber nur in der Cloud zur vollen Geltung gelangen, nahezu alle Softwarehäuser setzten deshalb ausschließlich auf die Cloud. SAP bietet den Kunden schon heute neue KI-Anwendungen nur in der Cloud, schon um die Datenbasis nutzen zu können, wie Klein sagt. Die Akzeptanz sei sehr groß. Viele Neukunden für das neue Standardsoftwarepaket S4 hätten einen Vertrag wegen der neuen KI-Möglichkeiten unterschrieben.

KI wird nach Kleins Worten die ganze Industrie transformieren. „Die Tatsache, dass SAP geschäftskritische Daten liefern kann, bietet uns enorme Chancen.“ Schon heute liefere SAP „wöchentlich neue Anwendungsfälle“. Sorge, dass die Kooperationspartner – vor allem Microsoft und Nvidia –, auf deren KI die SAP-Anwendungen aufbauen, in das Kerngeschäft von SAP vordringen, teilt Klein nicht. SAP betreibe nicht nur geschäftskritische, sondern auch komplexe Transaktionen mit Tausenden von Verknüpfungen, „das gibt uns einen sehr großen Wettbewerbsvorsprung“.

Klein will weiter in KI-Kooperationen investieren. Viele Kunden hätten ihre Daten nicht nur bei SAP, ohne Kooperation gehe es deshalb nicht. Auch Zukäufe schließt Klein nicht aus, allerdings in erster Linie, um Lücken im Portfolio zu schließen. Weil das organische Wachstum so stark sei, sei SAP nicht zu Zukäufen gezwungen.

Tatsächlich hat SAP das Tempo auch im Auftaktquartal gehalten. Die Cloud-Erlöse sind um ein Viertel auf 3,9 Milliarden Euro gestiegen, der Auftragsbestand im Cloud-Geschäft stieg sogar um 28 Prozent auf den Rekordwert von 14,2 Prozent. Den rückläufigen Umsatz mit klassischen Lizenzen konnte der Konzern damit abermals mehr als kompensieren: Der Umsatz stieg um 8 Prozent auf gut acht Milliarden Euro, das Betriebsergebnis um 16 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro.

Dass der Konzern im ersten Quartal 2,2 Milliarden Euro für den bereits angekündigten Abbau von 8000 Stellen zurückgestellt hat, netto deshalb sogar ein Verlust von 824 Millionen zu Buche schlägt, wurde an der Börse mit einem Achselzucken hingenommen. Der Kurs stieg um mehr als 4 Prozent. Ob von den 8000 Stellen tatsächlich 2600 in Deutschland wegfallen, lässt Klein weiter offen. Die konkrete Zahl hänge von der Akzeptanz der Vorruhestandsangebote ab. SAP hat das Sparprogramm mit Verweis auf den Wandel im Geschäftsmodell beschlossen – und zugleich angekündigt, dieses Jahr auch ähnlich viele Stellen neu zu schaffen, die Zahl der Beschäftigten also stabil zu halten.

„Wir starten mit der Cloud jetzt richtig durch“

Klein wertet den hohen Auftragsbestand und den wachsenden Anteil des wiederkehrenden Geschäfts als Indikator für künftigen Erfolg. Das SAP-Geschäftsmodell habe sich als sehr widerstandsfähig erwiesen, sagt er. Es gebe keinen Grund, warum der Konzern nicht auch nach 2025 zweistellig weiterwachsen werde: „Wir starten mit der Cloud jetzt richtig durch.“ Die neue Cloud-Plattform biete die Möglichkeit für immer mehr Erweiterungen, das allein werde ein neues Ökosystem für SAP schaffen.

Auf der Hauptversammlung Mitte Mai wird SAP-Mitgründer Hasso Plattner sein Amt als Aufsichtsratschef niederlegen, auch für Klein eine Zäsur. Plattner war bis zuletzt die prägende Figur. Er verkörpere, nie zufrieden zu sein, er frage sich immer, wie es weitergehe, sagt Klein. „Daran sollten wir uns als Unternehmen ein Beispiel nehmen. Diese Einstellung müssen wir in uns weitertragen.“

BehördenBoerseChristianCloudDeutschlandDienstleistungDigitalisierungEUEuroFIndustrieIntelligenzInternetKIKleinLangeMicrosoftNvidiaReformenSAPSoftwareStarkUnternehmenWeil