Sammlung Bauer zusammen mit Grisebach: Verfemt, beschlagnahmt und privat gesichert

Mehr als 450 Werke aus drei Jahrhunderten: Das Auktionshaus Grisebach in Berlin spannt bei seinen Winterauktionen am 27. und 28. November wieder den Bogen von der Romantik über die klassische Moderne bis zur Gegenwart – und kann dieses Mal mit einer Privatsammlung von besonderer historischer Bedeutung aufwarten.

Von Berlin nach Fulda

Zusammengetragen hat die lange der Öffentlichkeit unbekannte Kollektion Walter Bauer, der während der Weimarer Republik in Berlin als Industriemanager tätig war und sich während der NS-Zeit der oppositionellen Bekennenden Kirche anschloss und etwa an den Rettungsversuchen für Martha Liebermann beteiligt war. 1944 wurde er verhaftet und gefoltert; kurz vor Kriegsende kam er frei und lebte anschließend in Fulda, blieb unternehmerisch, politisch und sozial engagiert und starb 1968. Von den Werken in seiner Bauhausvilla wussten nur wenige.

Bauers Interesse an bildender Kunst hat wohl der dem NS-Regime als Museumsdirektor in Lübeck unliebsam gewordene Carl Georg Heise geweckt: Er prägte die Sammlung entscheidend. Heise stand während der NS-Zeit in Kontakt mit den offiziell eingesetzten Kunsthändlern, die als „entartet“ eingestufte Kunst gegen Devisen verkaufen sollten – und dürfte dem Katalog von Grisebach zufolge in dem Sammler Bauer eine Gelegenheit gesehen haben, einzelne Werke zu „retten“ oder vor der Abwanderung in Ausland zu bewahren.

Entstanden 1906 und taxiert auf 250.000 bis 250.000 Euro: Paula Modersohn-Becker, „Selbstbildnis nach halblinks“, Öltempera auf Papier auf Pappe, 26,8 mal 21,2 ZentimeterGrisebach

Im Jahr 1927 erwarb Heise bei dem später verfemten Maler Karl Hofer im Austausch gegen ein anderes Gemälde für das Lübecker Behmhaus das Gemälde „Paar am Fenster“; 1937 wurde es vom Regime beschlagnahmt, 1940 konnte es Walter Bauer erwerben. Das 1925 entstandene nüchterne Doppelbildnis eines Mannes und einer Frau, die zwei Jahre nach Ende der Hyper­inflation ihre Gesichter einer lichteren Zukunft zuzuwenden scheinen und nicht ahnen können, was sie bringen sollte, ist auf 120.000 bis 150.000 Euro taxiert. Im Behmhaus beschlagnahmt und noch während der NS-Zeit von Bauer erstanden wurde auch Paula Modersohn-Beckers „Selbstbildnis nach halblinks“ von 1906, das nun 250.000 bis 350.000 Euro erlösen soll.

Mit 120 Positionen füllt die Sammlung Bauer einen eigenen Katalog und widerspiegelt einen bürgerlichen, der eigenen avantgardistischen Zeitgenossen und der Kunst des 19. Jahrhunderts gleichermaßen zugetanen Geschmack, wie er in der Mitte des vorigen Jahrhunderts kultiviert wurde: mit Blättern von Caspar David Friedrich oder Kollwitz, Bronzen von Ernst Barlach oder Georg Kolbe, Aquarellen und Gemälden von Emil Nolde oder Ernst Ludwig Kirchner.

Mit Nägeln und spitzen Fingern

Das Beste geht in die 39 Lose zählende Auktion „Ausgewählte Werke“ ein, an deren Spitze preislich Stache­liges hervorsticht. Günther Ueckers hämmerte 1986 für sein anderthalb Meter im Quadrat messendes Nagelrelief „Weißer Wind“ attraktive Wirbel zurecht; das Werk des im Juni verstorbenen ZERO-Künstlers soll einen Zuschlag zwischen 800.000 und 1,2 Millionen Euro erzielen.

„Weißer Wind“: 1986 von Günther Uecker genageltes Relief mit weiße Farbe auf Leinwand auf Holz, 150 mal 150 Zentimeter, Taxe 800.000 bis 1,2 Millionen EuroGrisebach / VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Mit in die Form langer, spitzer Fühler gestreckter „Handschuhfinger“ erweiterte Rebecca Horn 1973 performativ ihren eigenen Körper. Ein Set aus einer Auflage von zehn Exemplaren könnte 70.000 bis 90.000 Euro einbringen – und passte perfekt zu Hans Uhlmanns silbrig schimmernder Drahtskulptur „Schiff“ von 1952, einer dreidimensionalen Zeichnung im Raum (Taxe 50.000 bis 70.000 Euro).Weich und warm wirkt dagegen ein zottelig roter Wandbehang von Sheila Hicks (20.000/40.000), der 1967/68 gewirkt, so hintersinnig die visuelle Rolle von Textilien infrage stellt wie ein Gemälde Karin Kneffels aus dem Jahr 2005 mit Hund und Teppich im Vordergrund (150.000/200.000).

In der Abteilung für klassische Moderne nimmt der Berliner Impressionist Max Liebermann die Betrachter mit an den „Strand von Nordwijk“ in den Niederlanden. Auf 400.000 bis 600.000 Euro geschätzt ist das luftig in Öl hingetupfte Gemälde mit Urlaubern an der See aus dem Jahr 1908. Der Kontrast könnte kaum größer sein zu der kristallinen Vorstellung einer „Düne im Lichtstrahl I“, die der Bauhaus-Künstler Lyonel Feininger 1933 auf die Leinwand bannte, menschenleer und linear konstruiert (350.000/ 450.000).

Für Liebhaber aufgeräumter Berliner Stadtansichten steht ein wiederentdecktes Panorama von Eduard Gaertner aus dem Jahr 1856 bereit (200.000/300.000). Wer dagegen die Begegnung mit der Halbwelt der Stadt nicht scheut, kann sich zum gleichen Taxpreis mit Rudolf Schlichter gedanklich unter zwielichtige Passanten auf dem 1926 aquarellierten „Hausvogteiplatz“ aus der Sammlung Christina und Volker Huber mischen.

Source: faz.net