Ganze Straßenzüge wurden geflutet, in einigen Orten mussten Menschen Häuser, Hotels und Altenheimen verlassen. Bislang ist niemand durch das Hochwasser im Saarland getötet worden, die Schäden an Häusern und Eigentum dürften allerdings erheblich sein. Ein Überblick über die Lage in der Region und zu den Gefahren, die noch drohen.
Was ist passiert?
Starke Regenfälle haben in vielen Teilen des Saarlandes zu Überschwemmungen geführt. Straßen wurden überflutet, Keller liefen voll, in mehreren Gemeinden fiel zeitweise der Strom aus.
In einigen Orten des Bundeslandes sind nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes in den vergangenen 48 Stunden mehr als 100 Liter Regenwasser pro Quadratmeter niedergegangen. In Berus im Landkreis Saarlouis wurden 112 Liter gemessen. Das ist etwa die doppelte Menge an Niederschlag, die im Schnitt im gesamten Monat Mai erwartet wird. In Fremersdorf im Landkreis Saarlouis stieg der Pegel der Saar auf 765 Zentimeter. Das ist der höchste Messwert seit Beginn der Aufzeichnungen. Der bisherige Rekordstand lag bei 744 cm und war am 21.12.1993 verzeichnet worden.
Die Landeshauptstadt Saarbrücken rief wegen anhaltenden Dauerregens eine Großschadenslage aus. Das Lagezentrum in Saarbrücken meldete bis Samstagmorgen mehr als 3.400 Polizei- und Rettungseinsätze, das Technische Hilfswerk ist mit rund 850 Einsatzkräften vor Ort und hat Unterstützung aus Baden-Württemberg angefordert.
Wie stark sind die Schäden?
Das genaue Ausmaß der Schäden sei noch unklar. Das teilte ein Sprecher des saarländischen Innenministeriums auf Anfrage von ZEIT ONLINE mit. Es werde noch Tage, wenn nicht sogar Wochen dauern, bis alles über mögliche Schäden bekannt sei. Tote gab es nach aktuellem Kenntnisstand nicht. Die meisten Anwohnerinnen und Anwohner der betroffenen Regionen konnten sich rechtzeitig in höhere Wohnetagen flüchten, lediglich bei der Evakuierung einer Gruppe kam es zu einem Unfall: Eine Person fiel ins Wasser und trieb ab. Sie konnte gerettet werden und befindet sich in Behandlung, ihr Zustand sei derzeit noch unklar.
Die Sachschäden dürften aller Voraussicht nach beträchtlich sein. Nach Angaben der Saarbrückener Stadtwerke mussten 16 Trafostationen in
mehreren Stadtvierteln abgeschaltet werden, wodurch es zu Stromausfällen
kam. Mehrere Teams waren am Samstagvormittag unterwegs, um die Stromversorgung
wieder herzustellen.
In der ganzen Region wurden zahlreiche private Häuser überflutet. In der Stadt Völklingen, die zu den am stärksten betroffenen Gemeinden gehört, sprach die Verwaltung von Schäden in Millionenhöhe. Auch dort waren einige Straßenzüge vorsorglich vom Stromnetz getrennt worden.
In Blieskastel ist am Freitag eine KfZ-Werkstatt eingestürzt, meldete der Saarländische Rundfunk. Das Technische Hilfswerk hatte versucht, das Gebäude mit Stützbalken zu stabilisieren, konnte den Einsturz jedoch nicht verhindern. Bei Quierschied wurde das Gelände eines Kohlekraftwerks geflutet, nachdem ein Damm gebrochen war. Die Anlage wurde nach Angaben der Freiwilligen Feuerwehr des Ortes heruntergefahren. Die Kraftwerkstechnik selbst wurde offenbar nicht beschädigt.
Mussten Menschen gerettet werden?
In mehreren Gemeinden mussten durch das Hochwasser in ihren Häusern eingeschlossene Menschen durch Rettungskräfte gerettet werden. Größere Rettungsaktionen gab es etwa in Neunkirchen. Dort hat die Feuerwehr knapp 150 Gäste des Hotels Holiday Inn Express in der Innenstadt evakuiert, da das Wasser des Flusses Blies die Hotel-Lobby und den Parkplatz geflutet hatte. Am Samstag wurden auch 100 Bewohner eines Altenheims evakuiert und in einer Notunterkunft untergebracht.
Evakuierungen meldete das saarländische Innenministerium auch in der Landeshauptstadt Saarbrücken. Im Stadtteil Rußhütte wurden aus einem besonders betroffenen Straßenzug Anwohner mit Schnellbooten und Amphibienfahrzeugen aus ihren Häusern befreit.
Rettungsaktionen gab es auch im benachbarten Bundesland Rheinland Pfalz. In Trassem im Landkreis Trier-Saarburg wurden drei Menschen, die wegen des Hochwassers in ihren Häusern eingeschlossen waren, von den Rettungskräften befreit. In Trittenheim mussten 50 Gäste ein Hotel verlassen und sich in eine Turnhalle begeben.
Wurden die Anwohner rechtzeitig gewarnt?
Der Deutsche Wetterdienst hatte frühzeitig vor Starkregen in der betroffenen Region gewarnt. Danach werden in der Regel die Hochwassermeldezentren informiert. Ob alle anschließenden Meldewege wirklich funktioniert haben, ist noch unklar. Im Katastrophenfall soll die Bevölkerung auch per Cell Broadcast informiert werden. Der Mobilfunkdienst verschickt Warnnachrichten direkt auf das Handy. In der Stadt Blieskastel waren Warnungen am Freitag sowie bereits am Vortag eingegangen, das meldeten Anwohnerinnen. Gewarnt worden war auch über das Warn- und Informationssystem Katwarn. In Blieskastel hatte die Feuerwehr die Bevölkerung zudem auch per Lautsprecher informiert.
Ist das Schlimmste jetzt vorbei?
Die Wettersituation hat sich am Samstag merklich entspannt. Der DWD hat seine Unwetterwarnung aufgehoben. Der Himmel über dem Saarland blieb am Vormittag zwar bedeckt und am Nachmittag werden noch einige Regenschauer erwartet. Diese dürften den Rückgang der Pegelstände in den meisten Flüssen des Bundeslandes jedoch nicht verhindern. In der Saar ist der Pegel bereits um einige Zentimeter gesunken.
Angespannt bleibt die Situation vor allem entlang der Blies. Dort rechnet das saarländische Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz mit weiterhin steigenden Pegeln. In Blieskastel stieg das Wasser bereits bis auf 355 Zentimeter und könnte noch um weitere 5 Zentimeter steigen. Nach Angaben des Ortsvorstehers von Blieskastel-Mitte, Hans-Jürgen Trautmann, sind dort zurzeit 300 Menschen im Einsatz, um Dämme aus Sandsäcken zu errichten. Laut einem Bericht des Saarländischen Rundfunks herrscht in dem Ort vorsichtiger Optimismus: Man hoffe, eine Überflutung der Altstadt verhindern zu können.
Wie beeinträchtigt das Hochwasser den Verkehr?
In Rheinland-Pfalz und im Saarland ist der regionale Zugverkehr stark eingeschränkt, Züge fallen aus. Teilweise sind Strecken gar nicht befahrbar, weil Erdrutsche und umgestürzte Bäume die Gleise blockieren. Betroffen sind unter anderem die Regionallinien, die über Trier und Saarbrücken führen. Insbesondere ein Hangrutsch bei Beckingen, nördlich von Saarbrücken, sei dafür verantwortlich, erklärt eine Sprecherin der Deutschen Bahn auf Anfrage von ZEIT ONLINE. Der Boden sei extrem aufgeweicht und die teilweise anhaltenden Regenfälle machten eine Einschätzung der Schäden kompliziert. „Bis spätestens Dienstag wird die Stelle bei Beckingen begutachtet“, sagte die Sprecherin. Bis dahin müssten Zugfahrende auf den Ersatzverkehr ausweichen. „Wir empfehlen, sich online kurzfristig über die genauen Fahrpläne und Haltestellen zu informieren.“ Schon am Freitag bat die Deutsche Bahn via X „von nicht notwendigen Reisen ins Saarland abzusehen.“ Zwischenzeitlich hatte es auch Sperrungen im Raum Pirmasens gegeben, die aber bereits aufgehoben werden konnten.
Die Saarbahn verkehrt nach Angaben des Unternehmens aktuell nur zwischen Güchenbach und Saargemünd. Der Busverkehr sei ebenfalls eingeschränkt.
Auch auf den Straßen kommt es zu Behinderungen und Einschränkungen. Der saarländische Landesbetrieb für Straßenbau musste bereits gestern zehn Streckenabschnitte voll sperren. Unklar ist, wann die Straßen wieder freigegeben werden können. Auch die B51 und die B420 sind teilweise gesperrt. Selbst Autobahnen sind vom Hochwasser betroffen: Auf der A620 behindern umgestürzte Bäume den Verkehr in beide Richtungen und wegen Überschwemmungen im Bereich Saarlouis ist die Autobahn dort bis auf Weiteres gesperrt.
Bekommen die von der Flut betroffenen finanzielle Unterstützung?
Die saarländische Landesregierung hat in der Nacht zum Samstag erste Schritte für finanzielle Hilfen nach den Überschwemmungen eingeleitet. „Viele Saarländerinnen und Saarländer bangen um ihre vier Wände und ihr Hab und Gut oder haben bereits starke Schäden zu beklagen“, sagte die Ministerpräsidentin Anke Rehlinger. „Damit keine Zeit verloren geht, hat die Landesregierung kurzfristig Beschlüsse gefasst, durch die Hilfe bereitsteht, um entstandene Schäden zu beheben.“ Über konkrete Summen machte die Landesregierung allerdings keine Angaben.
In einer Schalte am späten Freitagabend habe der Ministerrat ein sogenanntes Elementarereignis von überörtlicher Bedeutung festgestellt. Damit könnten laut Staatskanzlei Hilfen des Landes fließen. Zudem könnten Kommunen wegen der außergewöhnlichen Notsituation von Regelungen des Haushaltsausgleichs abweichen. „Landesregierung und Kommunen stehen zusammen – wie das ganze Saarland“, teilte der Innenminister Reinhold Jost (SPD) mit.
Wie ist die Lage in anderen Regionen im Südwesten?
Besonders im Süden von Rheinland-Pfalz hat es in den vergangen Tagen ebenfalls stark geregnet. Die Pegel von Flüssen und Bächen sind deshalb teilweise auch dort stark angestiegen. Vor allem der Kreis Trier-Saarburg sowie die Städte Trier, Zweibrücken und Ludwigshafen waren betroffen. Straßen und Keller wurden überschwemmt und Bäume entwurzelt. 353 Menschen seien im Landkreis Trier-Saarburg evakuiert werden, wie der Landkreis mitteilte. Darunter auch die Bewohner eines Altenheims in Saarburg. Sie seien vorübergehend in den Krankenhäusern in Saarburg und Trier untergebracht worden. Es gibt viele Schäden an privaten Häusern, Straßen seien teils unpassierbar und beschädigt. Über 1.300 Kräfte waren seit gestern im Einsatz.
Für Rheinland-Pfalz wird in den nächsten Tagen insgesamt nur noch leichter Regen erwartet. Der Deutsche Wetterdienst vermeldet allerdings, dass es im Norden Baden-Württembergs und in der Vorderpfalz weiterhin stark regnen könne. Örtliche Regenmengen zwischen 15 und 20 Liter pro Quadratmeter würden erwartet. Doch nicht nur der Süden muss mit Regen rechnen, auch in Mittel- und Norddeutschland sollen heftige Gewitter möglich sein. Der Deutsche Wetterdienst schließt auch in diesen Regionen unwetterartigen Starkregen nicht aus.
Wie ist die Lage in auf der französischen Seite?
Auch in Frankreich gab und gibt es Starkregen- und Hochwasserwarnungen. Betroffen sind Gebiete in Moselnähe und im Elsass. Erstmals galt im Déptartement Moselle gestern bereits „Alerte Rouge“, also die rote Warnstufe, wegen extremer Regenfälle und die orange Warnstufe wegen Hochwasser. Auch heute setzte die französische Hochwasserwarnung in Teilen des Gebiets die Warnstufe auf Rot. Man fürchte Pegelhöchststände von fünf Metern, hieß es. In der Umgebung von Straßburg gilt weiterhin Warnstufe Orange. Damit wird vor möglichen Überschwemmungen gewarnt.
Zu den am stärksten vom Hochwasser betroffenen Gemeinden gehört Diemeringen im Département Bas-Rhin. Von den rund 1.600 Einwohnern mussten nach Berichten von Les Dernières Nouvelles d’Alsace etwa 100 Personen evakuiert werden. Verschiedene Straßen waren und sind wegen Überschwemmungen nicht befahrbar. Da der Regen größtenteils aufgehört hat und die Pegel der Flüsse nicht weiter steigen, haben vielerorts bereits die Aufräumarbeiten begonnen.
Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP.
Ganze Straßenzüge wurden geflutet, in einigen Orten mussten Menschen Häuser, Hotels und Altenheimen verlassen. Bislang ist niemand durch das Hochwasser im Saarland getötet worden, die Schäden an Häusern und Eigentum dürften allerdings erheblich sein. Ein Überblick über die Lage in der Region und zu den Gefahren, die noch drohen.