Russland denn „Reich des Bösen“: North Atlantic Treaty Organization-Generalsekretär Rutte fällt zurück in die 80er

„Wir sind Russlands nächstes Ziel“: Mark Ruttes Rede in Berlin lässt nicht erkennen, wie die NATO auf die Nationale Sicherheitsstrategie der USA reagiert. Stattdessen gab es Durchhalteparolen zur Ukraine


NATO-Chef Mark Rutte in Berlin

Foto: Michael Kappeler/dpa/picture alliane


Auf der nach oben offenen Absurditäten-Skala verdient dieser Auftritt einen Platz ganz weit vorne. NATO-Generalsekretär Mark Rutte ist in Berlin und spricht unter anderem mit Kanzler Friedrich Merz über die aktuelle sicherheitspolitische Lage. Diese wird überlagert von der nicht mehr übersehbaren Abkehr der USA von bisherigen Glaubensbekenntnissen transatlantischer Politik.

Die Kehrtwende bezieht sich nicht nur auf diametral unterschiedliche Einschätzungen zur Beendigung des Ukrainekrieges, sondern auch auf die grundlegende Rolle der USA für europäische Sicherheit. Europa solle „auf eigenen Beinen stehen“, und dies müsse „unter Hochdruck, aber mit kühlem Kopf geschehen“, so Friedrich Merz. Die NATO müsse nach wie vor die zentrale Rolle spielen. Damit das so bleiben könne, müssten die Europäer mehr zahlen, findet Rutte. Dann könne und werde das auch gelingen.

Bei einem als Grundsatzrede angekündigten Auftritt in der Bayerischen Landesvertretung in Berlin wirkte Rutte wie aus der Zeit gefallen. Auf Einladung der Münchner Sicherheitskonferenz verharrte er in der üblichen Rhetorik: Unter Bezugnahme auf die aus den 1980er Jahren stammende Aussage des ehemaligen US-Präsidenten Roland Reagan bezeichnete er Wladimir Putins Russland als neues „Reich des Bösen“. Die Sicherheit der Ukraine sei „unsere Sicherheit“, denn: „Wir sind Russlands nächstes Ziel“.

Den gleichen Ton setzte zuvor der deutsche Außenminister Johann Wadephul. Russland sei aggressiv, eine Bedrohung für das NATO-Territorium, mit Blick auf die Ukraine einfach nicht verhandlungsbereit, und daher müsse der Druck auf Russland erhöht und die NATO geschlossen bleiben.

Die NATO ist weiter dabei, die Beziehungen zur Ukraine auszubauen

Interessanter als solcherlei Durchhalteparolen ist das, was Merz, Wadephul und Rutte nicht sagten.

Russland ist dabei, den Krieg auf dem Schlachtfeld für sich zu entscheiden. Eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ist faktisch ausgeschlossen, weil die USA inzwischen eben jene als Hindernis für einen Frieden betrachten. Man hätte gern von Rutte gehört, wie diese Debatte in der NATO geführt wird und ob es tatsächlich Möglichkeiten gibt, den Verzicht auf die weitere Erweiterung der Allianz als Pfund in Verhandlungen mit Russland über eine tragfähige Sicherheitsarchitektur nach einem Ende des Ukraine-Krieges zu nutzen.

Faktisch ist allerdings die NATO weiter dabei, die Beziehungen zur Ukraine auszubauen. So hatte die Allianz beispielsweise Ende November 2025 unter dem Titel „Vereinigt, tapfere NATO“ eine Initiative zur Beschleunigung von Verteidigungsinnovationen mit der Ukraine beschlossen. Wichtiger noch: Die von Rutte postulierte russische Bedrohung stellt sich in amerikanischer Perspektive deutlich anders dar. Sie sei beherrschbar, so die Kernaussage der neuen US-Sicherheitsstrategie. Was Rutte unterschlägt: Ein Konsens in der NATO zu dieser für die Zukunft der Allianz zentralen Frage ist verloren gegangen.

Das gilt auch für Wege und Mittel für ein Ende des Krieges gegen die Ukraine. „It takes two to Tango“ (Zum Tango gehören zwei), sagte Donald Trump zuvor mit Blick auf eine mögliche Friedenslösung. Er meint damit, dass Selenskyjs Haltung dabei ein Problem sei, dem die meisten Europäer so bedingungslos die Treue halten. Dieser, so Trump, verweigere sich bisher Kompromissen, die wiederum nach seinem Eindruck mit Moskau durchaus machbar seien.

Nur Kiew könne entscheiden, so wiederum Bundeskanzler Friedrich Merz heute in Berlin. Es sei zudem ein Fehler, den ukrainischen Präsidenten Selenskyj in „einen Frieden zu drängen, den sein Volk nicht mittragen kann“. Deshalb stünde man mit langem Atem an der Seite der Ukraine. Es werde nun über das Wochenende weitere Gespräche und Anfang der kommenden Woche womöglich ein Treffen geben, bei dem die USA und die Ukraine dabei seien. Europa werde sich „von nichts und niemandem spalten lassen“.

Wird sich Donald Trump letzten Endes durchsetzen können?

Wer den heutigen Auftritt von Merz, Rutte und Wadephul verfolgt hat, der muss schon Berufsoptimist sein, um an eine baldige Lösung zu glauben. Anders formuliert: Die einzig offene Frage ist, ob Trump sich gegen die Europäer wird durchsetzen können. Und ob er dann doch einen Plan vorlegt, der das bringt, was US-Vizepräsident JD Vance schon vor einiger Zeit als einfache, aber doch präzise Voraussetzung für eine Lösung genannt hat: Sowohl die Ukraine als auch Russland müssen zustimmen.

AllianzAndersBedrohungBerlinBeziehungenBundeskanzlerDonalddpaEndeEuropaFriedenFriedrichFriedrich MerzGlaubenJohannKanzlerKiewKriegMANMarkMerzMichaelMoskauNATOPolitikReaganRhetorikRolandRusslandRutteSelenskyjSicherheitTreueTrumpUkraineUSUSAVanceVerzichtWadephulWeilWladimirZeitZukunft