In Deutschland sind im vergangenen Jahr rund 294.400 Wohnungen gebaut worden. Dies waren 900 oder 0,3 Prozent Einheiten weniger als 2022, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Damit war die Entwicklung trotz der Flaute im Wohnungsbau überraschend stabil. Die Branche spricht allerdings von einem „Blick in den Rückspiegel“ und befürchtet magere Zeiten, da die Zahl der Baugenehmigungen – als Gradmesser für künftige Fertigstellungen – eingebrochen ist. Die Behörden gaben im vergangenen Jahr 2023 grünes Licht für den Bau von nur knapp 260.000 Wohnungen; dies ist der tiefste Stand seit 2012.
Teure Materialien und eine teure Finanzierung wegen hoher Zinsen schrecken viele potenzielle Häuslebauer und Investoren ab. Deshalb schwächelt der Wohnungsbau in Deutschland massiv, weil sich für Bauträger und Projektentwickler das Bauen derzeit kaum noch lohnt. Die Branche ruft hier seit langem nach stärkeren Staatshilfen – etwa über Zinsstützungsprogramme für private Investoren. Zudem fordert die Lobby ein Lockern der teureren Baustandards etwa in puncto Energieeffizienz.
„Die mageren Jahre liegen noch vor uns“
Auch im ersten Quartal 2024 ist die Zahl der Baugenehmigungen eingebrochen – um 22,2 Prozent auf 53.500 Wohnungen. Der Verband der Wohnungswirtschaft GdW sprach von einem „alarmierenden Absturz“. Die Ampel-Koalition hatte das Ziel ausgegeben, dass jährlich rund 400.000 neue Wohnungen gebaut werden sollten. „Selbst wenn die Fertigstellungszahlen in 2023 nicht so dramatisch ausfallen, wie befürchtet wurde, heißt das doch nur, das dicke Ende kommt erst noch“, bilanzierte der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller.
Den sogenannten Bauüberhang bezifferte das Statistikamt für Ende 2023 auf 826.800 Wohnungen, binnen Jahresfrist ein Minus von 58.1000 Einheiten und damit der erste Rückgang seit 2008. Hier handelt es sich um genehmigte Wohnungen, die aber noch nicht gebaut wurden. „Die wirklich harte Zeit kommt erst noch“, warnte Präsident Dirk Salewski vom Bundesverband Freier Immobilien und Wohnungsunternehmen (BFW) jüngst. „Wer jetzt so tut, als seien wir durch das Tal der Tränen durch, ruht sich in Wirklichkeit nur auf den Lorbeeren von vorgestern aus.“ Jede zweite Firma klage über Auftragsmangel. „Jetzt wird nicht geplant und damit wird in den kommenden Jahren auch nicht gebaut“, betonte Salewski. „Die mageren Jahre liegen eindeutig noch vor uns.“
Die Branche appelliert immer wieder an die öffentliche Hand, Bauen zu beschleunigen und zu vereinfachen. So müssten Kommunen mehr Bauflächen ausweisen, Planungs- und Genehmigungszeiten seien zu lang und Umweltschutzauflagen überzogen. Zudem mangelt es laut Lobby an Digitalisierung und Personal in den Bauämtern.
In der Bundesrepublik Deutschland wurden seit Beginn der Baustatistik 1950 durchschnittlich gut 400.000 neue Wohnungen pro Jahr fertiggestellt. Den bisher höchsten Stand erreichte der Wohnungsbau 1973 mit gut 714.200 fertiggestellten Einheiten im früheren Bundesgebiet. Nach der Wiedervereinigung war 1995 das Rekordjahr mit rund 602.800 neuen Wohnungen in Gesamtdeutschland. Die wenigsten Wohnungen wurden in der globalen Finanzmarktkrise 2009 fertiggestellt – nur 159.000.