Reisen bildet! Nicht immer stimmt das, in diesem Fall aber trifft der Satz ins Schwarze. In dieser Woche nämlich hat Wirtschaftsminister Robert Habeck das südliche Afrika bereist und dabei eines gelernt: Wollen Länder aus der Kohle raus und in die erneuerbaren Energien rein, dann gleichen sich die Diskussionen doch sehr. Dann ist es für die Menschen oft bitter und die Regierungen oft brisant – egal wo auf der Welt Bergarbeiterjobs verloren gehen.
„Wir kennen die Debatte aus Deutschland. Die Prozesse ähneln sich doch sehr“, sagt Habeck in der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria nach einem Gespräch mit der südafrikanischen Umweltministerin. Die hatte ihm kurz zuvor von ihrem Wahlkampf in einer Bergbauregion erzählt – davon, wie dort auf jeder Wäscheleine die Uniform der Bergbauer hing und wie schwer daher der Kohleausstieg in dieser Region sein wird.
Pretoria war die letzte Station des Wirtschaftsministers auf seiner viertägigen Tour. Zuvor hatte er das namibische Windhuk und die beiden südafrikanischen Städte Kapstadt und Johannesburg besucht. Alle Stopps verband eines: Endlich ging es mal nicht darum, neue fossile Gasquellen zu finden oder potenzielle Lieferanten zu bezirzen. Im Gegenteil, auf dieser Reise konnte die grüne Seele so richtig baumeln. Habeck musste nicht unter kognitiver Dissonanz leiden, es herrschte Harmonie von Wünschen, Handeln und Denken. Denn auf dieser Reise ging es ganz ums Ergrünen.
Raus aus der Kohle, rein in die Erneuerbaren
Gleich zwei Herzensprojekte vieler Grüner standen auf seinem Programm: Zum einen wollte der Minister bekräftigen, dass die Bundesregierung der Regierung in Südafrika künftig auf vielfache Weise helfen wird, aus der Kohle aus- und in die Erneuerbaren einzusteigen. Und zum anderen wollte er in Namibia eines der größten Wasserstoffprojekte der Welt unterstützen.
In fünf Jahren soll es in Namibia losgehen. Dann soll in der Wüste im Süden des Landes mithilfe von Solarpanels und Windrädern grüner Wasserstoff produziert, in grünes Ammoniak verwandelt und exportiert werden. „Im Grunde könnten wir loslegen“, sagt Gunar Hering am Montagmorgen im Regierungspalast in Windhuk. Hering ist Chef von Enertrag, einem Erneuerbare-Energien-Unternehmen aus Brandenburg.
Der Wirtschaftsminister hat den Unternehmer mitgenommen, wie auch eine ganze Reihe anderer Chefinnen von grünen Energieunternehmen. Alle durften mit, auch zum Präsidenten, alle durften sich persönlich vorstellen: „Noch nie hat eine so große Wirtschaftsdelegation Namibia besucht“, sagt Präsident Hage Geingob zur Begrüßung, und er sagt es sehr erfreut.
Seit ein paar Monaten steht Namibia weit oben auf der Liste derjenigen, die eine Energiewende wollen. Für die nämlich braucht man grünen Wasserstoff und grünes Ammoniak – als Speicher, Energieträger und für chemische Prozesse aller Art. Diese beiden Stoffe können mithilfe von Wasser und Wind produziert werden, nötig ist dafür allerdings viel billige Energie. Und genau die gibt es in Namibia, in wenig anderen Gegenden weht zugleich so viel Wind und scheint die Sonne so oft wie im Süden des Landes.
Sonne und Wind in Namibia
Dort, in der Nähe des Küstenstädtchens Lüderitz, planen das deutsche Unternehmen Enertrag und sein südafrikanischer Partner ein Megaprojekt. Ihr Hyphen-Konsortium hatte bereits im vergangenen Jahr eine Ausschreibung der Regierung gewonnen. Noch verhandeln die Anwälte die letzten Feinheiten der Verträge, denn es geht um viel Geld: Rund zehn Milliarden Euro sollen am Ende in dieses Projekt investiert werden – etwa so viel wie das jährliche Sozialprodukt des Landes.
In zwei Jahren sollen die Studien, Planungen und Umweltverträglichkeitsprüfungen abgeschlossen sein und der Bau starten. Auf einer Fläche von 4.000 Quadratkilometern sollen dann Windräder und Solarpanels aufgebaut werden und insgesamt 18 Terawattstunden Strom erzeugen. Das ist fünfmal so viel, wie Namibia selbst derzeit verbraucht.
Minister Habeck hofft darauf, dass der so produzierte grüne Wasserstoff dann nach Deutschland geliefert wird. Doch der Mann wäre kein Grüner, würde er nicht auch betonen: Bei dieser Sache gehe es nicht um die Ausbeutung des Südens. Auch Namibia habe künftig etwas von dem Projekt, dauerhafte Jobs und billigen, sauberen Strom.
Noch, so weiß er allerdings auch, ist eine ganze Reihe von Hürden zu nehmen: Fachkräfte müssen ausgebildet werden, ein Hafen gebaut, die Kleinstadt ertüchtigt werden. Genau dabei will Deutschland helfen. Auch damit am Ende nicht der Mangel an staatlichem Know-how und fehlende Infrastruktur das Ganze ruiniert: Bisher nämlich hatte Namibia keine Erfahrung mit einer mächtigen energieproduzierenden Industrie, es importiert seinen Strom aus Südafrika. Dieses Manko ist aber zugleich auch eine Chance. Denn es gibt deswegen in Namibia auch keine mächtige alte Industrie, die die neue grüne Konkurrenz ausbremst.
Weiterhin starke Kohleindustrie in Südafrika
Wie sehr die fossile Lobby eine Transformation in Richtung grün erschweren kann, erfährt Habeck beim anschließenden Besuch in Südafrika. Das Land betreibt sein Stromsystem bisher weitgehend mit Kohle. Entsprechend einflussreich ist die Kohleindustrie. Die hat ihr Überleben in der Vergangenheit immer wieder mithilfe von viel Korruption abgesichert. Und mit dem Arbeitsplatzargument.
Mehr als 90.000 Menschen arbeiten in der Kohleindustrie, sie haben feste Jobs in Gegenden, in denen sonst nicht viel los ist. Es sei ein bisschen wie bei uns „in der Lausitz oder im rheinischen Revier“, sagt Habeck nach einem Besuch des südafrikanischen Energiekonzerns Escom.
Mittlerweile wächst allerdings auch in Südafrika der Druck auf die Regierung, doch umzusteuern. Das liegt weniger an der Klimakrise (der CO₂-Fußabdruck Afrikas ist im Vergleich mit Europa verschwindend gering). In Südafrika muss schlicht die Energieversorgung modernisiert werden, viele Kohlemeiler sind alt, fast täglich gibt es Stromausfälle.
Der Umstieg auf die Erneuerbaren bietet da gleich eine doppelte Chance: Das Land bekommt dabei viel finanzielle Hilfe aus Deutschland – bis zu achteinhalb Milliarden Euro an Krediten und Hilfsgeldern sind geplant. Und die Regierung hofft auf billigen Strom: Denn in Südafrika sind die geografischen Bedingungen wie in Namibia, also für die Erneuerbaren ideal.
Rückwärtsgang in Deutschland
Eine Frage wird allerdings – von afrikanischer Seite – auch bei dieser Reise immer wieder gestellt, zumindest in den informellen Unterhaltungen: Wieso steigt ausgerechnet Deutschland nun wieder in die Kohle ein? Habeck sagt zwar, bei seinen offiziellen Gesprächen mit den südafrikanischen Regierungsvertretern habe das „keine Rolle gespielt“.
Doch auch beim deutsch-afrikanischen Wirtschaftskongress, den der Minister am Mittwochmorgen in Johannesburg eröffnet und zu dem auch Minister aus Nigeria und Angola angereist sind, wird genau darüber immer wieder diskutiert: Dass Kohle und Gas vielleicht doch ein Reichtum sind, den man heben sollte. Auch weil Europa und besonders Deutschland derzeit danach gieren.
Habeck warnt davor bei seiner Rede explizit: „Unser eigener Energiepfad ist aus der Ordnung geraten. Aber der wird wieder in Ordnung gebracht.“ Darauf setzen, dass Deutschland doch noch viele Jahrzehnte fossile Energie importieren werde, solle man besser nicht. „Wenn Sie mir nicht glauben, dann schauen Sie in die USA“, sagt er auf der Konferenz. Amerika würde gerade sehr viel Geld in die Erneuerbaren und in die Produktion von Wasserstoff stecken. „Grüne Moleküle“ – das sei die Zukunft auch für Afrika.