Revenge Literatur | Nora Ephron, Isabel Kaplan und ihr Ex: Wie sich eine Schriftstellerin rächt

Die Autorin Isabel Kaplan verhandelte in einem Text die Trennung von ihrem Partner und schlug damit Wellen. Weil er Schriftsteller ist wie sie. Typische 30-something-Krise oder Geschlechterkonflikt?

Bevor es Revenge Porn gab, gab es Revenge Literatur. Doch während die Rache-Pornografie eine männliche Spezialität zu sein scheint, haben sich einige Frauen zur Meisterschaft in Sachen der Rache-Literatur aufgeschwungen. Alles eine Frage der Machtmittel. Wenn schon die Feder machtvoller als ein Schwert ist, dann kann eine Tastatur so einiges zum Wanken bringen. Womöglich sogar das männliche Vorrecht auf das letzte Wort in Beziehungsfragen.

Das jedenfalls legt ein eigentümlicher Text nahe, der vor Kurzem im Guardian erschien und seitdem viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Darin erzählt Autorin Isabel Kaplan von der Trennung von ihrem Partner. Im Grunde liefert die Überschrift eine Inhaltsangabe für den Text: „Mein Freund, ein Autor, hat mit mir Schluss gemacht, weil ich eine Autorin bin.“ Kaplan schreibt, ihr Freund habe sie fünf Wochen nach der Veröffentlichung ihres Debütromans verlassen. Schon hier scheint die Sache klar, jedenfalls für ihre Mutter: Der Mann gönnt ihr den Erfolg nicht. Eine uralte Geschichte, nicht wahr? Aber es wird komplizierter. Denn derselbe Mann hatte sie schon einmal verlassen, weil sie nicht erfolgreich genug war. Nun gut, vielleicht handelt es sich um einen Mann, dem man es nicht recht machen kann. So etwas soll es ja geben.

Es wird noch komplizierter, um nicht zu sagen: neurotischer. Kaplan entfaltet, ihr Freund habe wachsendes Unbehagen empfunden, sie könnte etwas aus ihrem gemeinsamen Leben in ihren Texten erzählen. Sie habe ihm versichern sollen, dass sie nie über ihre Kinder schreiben würde. Das Paar hat gar keine Kinder. Es machte ihn nervös, dass sie Tagebuch führte. Er fürchtete, sie könnte sich Dinge aufschreiben, die er sagte. Es ist, als könne sie etwas gegen ihn in der Hand haben. He concluded he’d never feel safe with me due to fear that I might someday write about him.

Jedenfalls dem Subtext nach klingt diese Angst nach einer Angst vor moralischer Rechtfertigung vor anderen. Die Autorin erwähnt, dass sie ihm nicht sagt, dass er seine Worte so wählen solle, als könnten sie später jederzeit zitiert (und gegen ihn verwendet?) werden. Gespräche innerhalb der Beziehungen werden zum testimony, zur Zeugenaussage, wie vor Gericht.

Typische 30-something-Beziehungskiste?

Spontan ließe sich der Text mit allerhand Lesarten versehen: Handelt es sich hier nicht um eine typische 30-something Beziehungskiste – ein Paar wird auseinanderdividiert vom Erfolg der einen oder des anderen? Geht es hier gar um typische Eifersucht unter Schreibenden? Ist der Text gar Rache, weil er ja macht, wovor der eine von Anfang an Angst hat: Den anderen zum Gegenstand eines Textes werden zu lassen?

Allerdings kommt eine zweite Ebene des Textes ins Spiel. Diese bezieht sich auf Nora Ephron, deren leidenschaftlicher Fan der Ex Kaplans ist. Ephron war Journalistin, Autorin und Filmemacherin. Harry und Sally, Schlaflos in Seattle und E-Mail für dich stammen allesamt aus ihrer Feder. Ohne Ephron wäre Meg Ryan wohl den größten Teil der 90er Jahre hinweg arbeitslos gewesen (kleiner Scherz). Ephron ist aber auch Autorin des Romans Heartburn, in dem sie die Geschichte ihrer Ehe entfaltet – namentlich das Fremdgehen ihres Mannes Carl Bernstein. Auch Heartburn wurde verfilmt, mit Meryl Streep und Jack Nicholson in den Hauptrollen.

Nora Ephron ist der entscheidende Signifikant in der Signifikantenkette dieses Textes – sie ist sozusagen der Damensignifikant. Kaplan schreibt: I know how it sounds to suggest my boyfriend dumped me because he’s scared I’ll become like Nora Ephron.

Es geht hier einerseits um die Fähigkeit der Schreibenden, sich die Geschichten anderer anzueignen, sich zur Autorin zweier Leben zu erklären, Deutungshoheit zu gewinnen. Das Schreiben kann als Machtmittel verstanden werden, mit dem sich in der Beziehung bestehende Machtverhältnisse umdrehen lassen. Ephrons eigene Biografie zeigt, wie patriarchale Macht durch ihr Schreiben gebrochen wurde: Bernstein, der sie betrog, als sie hochschwanger war, zettelte obendrein einen Rosenkrieg an, als Ephron sich scheiden ließ und kämpfte um das Sorgerecht für die Kinder. Add insult to injury. Ephron gewann, nicht nur vor Gericht.

Doch die Geschichte endet hier nicht. Bei Kaplan geht es um eine Hierarchie des Schreibens: Das autofiktionale Schreiben, wie es die Autorin praktiziert, gilt ihrem Ex als weniger wertvoll, vielleicht auch als minderwertig, während er selbst sich als Historiker mit geschichtsträchtigen Stoffen und wichtigen Persönlichkeiten beschäftigt.

Weiblich: autobiografisch

Diese Hierarchisierung und Differenzierung zwischen fiktionalen Stoffen, womöglich mit langer literarischer Tradition, und nicht-fiktionalen bzw. nur leicht fiktionalisierten autobiografischen Stoffen kann man auch in deutschen Debatten über Literatur erkennen: Man hatte Annie Ernaux kaum den Nobelpreis für Literatur zuerkannt, als Stimmen laut wurden, die beklagten, Ernaux habe ja nur eigene Erlebnisse aufgeschrieben – wo bleibe die Kunst, wenn jemand sein Leben herunterschreibe?

Die Biografie als schriftstellerische Ressource erzeugt überall dort ein Naserümpfen, wo sie von Frauen eingesetzt wird. Es wirkt wie eine Bestätigung des uralten Werturteils gegen Frauen, wonach sie in der Immanenz verhaftet seien, während Männer Zugang zur Transzendenz hätten – etwa als Schreibende, als Künstler.

Ephrons Name verweist auf zwei Elemente, die für diesen Text wichtig sind: Erstens war Ephron bekannt dafür, geradezu brutal in der Aneignung der Geschichten anderer zu sein und sie für ihre Zwecke zu benutzen. Dass Kaplans Ex nun ein Ephron-Fan ist, erhält umso mehr Bedeutung, eben weil er um die Vorgehensweise Ephrons weiß. Zugleich unterstellt er seiner eigenen Freundin, potenziell so zu handeln wie Ephron. Eine weitere Ebene erscheint mir aber nicht weniger interessant: Für Frauen (und vielleicht in geringerem Maße für Männer) meiner Generation waren Ephron Romcoms gewissermaßen Blaupausen für Liebeserzählungen. Das heißt, die Autorin präfigurierte mit ihren Geschichten Erwartungen und Hoffnungen, aber auch mögliche Enttäuschungen. In gewisser Weise mag die Angst vor dem Verrat durch die Geliebte auch in diesen Narrativen wurzeln. Übrigens liest sich der Absatz, der beschreibt, wie Kaplan am Tag der Veröffentlichung allein, von ihrem Freund verlassen am Tisch sitzt, wie eine Szene einer Ephron-Romcom: I sat alone at the dining table, flowers and rosé gummy bears and congratulations card and silent apartment in front of me.

Ich habe bereits über die Gender-Konstellationen in Fragen des autofiktionalen Schreibens gesprochen. Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt der Gender-Konstellation in diesem Fall scheint mir, dass es der Mann ist, der ein eingefleischter Ephron-Fan ist. Es gibt vermutlich nicht allzu viele Männer, die ein von Ephron signiertes Filmposter über ihrem Bett hängen haben. Es ist ein eigentlich unglaubwürdiges Element des Textes – jedenfalls würde man im Rahmen einer Fiktion vielleicht in Zweifel ziehen, wie plausibel dieser Umstand ist. (Anmerkung für Leser: Bitte schicken Sie mir keine Mails, in denen Sie mich über meine bösen sexistischen Klischees über Männer aufklären. Ich mutmaße ja nur).

Der Mann als Witzfigur

Mit diesem unglaubwürdigen Element kommen wir nun zu dem Plot-Twist, den es im Text Kaplans nicht gibt, den eine gute Romcom-Story aber unbedingt benötigt. In einem typischen Ephron-Film würde die Protagonistin nun ganz plötzlich auf ein entscheidendes Dingsymbol stoßen, das das Happy End einläutet: Wie Annie, die in Schlaflos in Seattle Jonahs Rucksack findet. Oder wie Rachel in Heartburn, die ihren Diamantring zurückerhält, der es ihr erlaubt, sich scheiden zu lassen und von vorn zu beginnen.

Oder gibt es dieses Dingsymbol doch? Vielleicht ist es der Text selbst, der den magischen Schlüssel zur Auflösung des Liebesdramas bietet. Wenn Kaplan schon nicht die Macht hat, zu entscheiden, ob und warum sie verlassen wird, so hat sie immerhin die Macht, ihren Ex als neurotischen Beziehungsflüchtigen und inbrünstigen Ephron-Fan darzustellen. Mit anderen Worten: Er wirkt wie eine Witzfigur. Die beste Schlusspointe aber besteht darin, dass es erst das Beziehungsaus ist, das Kaplan dazu veranlasst, über ihren Ex zu schreiben, und seine größte Angst einzulösen: Dass sie wie Nora Ephron wird.

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