Resolution zum Schutz jüdischen Lebens: Resolute Kritik an dieser Resolution

Eigentlich wollte man vor der
Sommerpause fertig sein. Und tatsächlich hatten sich die stellvertretenden
Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen von SPD, FDP, Grünen und Union nach
monatelangen Verhandlungen bereits im Juli auf einen Textentwurf für einen
gemeinsamen Entschließungsantrag geeinigt, wie ZEIT ONLINE als erstes Medium
berichtete
. Denn ein Jahr nach dem verheerenden Terrorangriff der Hamas vom 7.
Oktober 2023 sollte sie endlich kommen: die lange geplante Bundestagsresolution
zum Schutz jüdischen Lebens. Doch nun gibt es Widerstand aus dem Kultur- und
Wissenschaftsbetrieb. In einem öffentlichen Appell fordern Forschende, Kulturschaffende
sowie Institutionen wie die Lit.Cologne und die Berliner Akademie der Künste die
Bundestagsfraktionen dazu auf, die Resolution zu verschieben und grundsätzlich
zu überarbeiten.

Doch was besorgt und verärgert die Künstler
und Wissenschaftlerinnen? Der vierseitige Entwurf, der ZEIT ONLINE vorliegt, hatte
es in sich. Neben unproblematischen Solidaritätsadressen enthält er
Formulierungen, die die Fördermittelvergabe im Kultur- und Wissenschaftsbereich
an Bedingungen knüpfen und erheblich einschränken. „Bei
Bundesfördermittelanträgen von zivilgesellschaftlichen Organisationen“ heißt es
da etwa, „sind die Förderprojekte auf eine Unterstützung oder Reproduktion
von antisemitischen Narrativen zu überprüfen“ – und das in letzter
Konsequenz auch durch den Bundesverfassungsschutz, wie Parlamentarier mehrerer
Fraktionen gegenüber ZEIT ONLINE bestätigten. „Zudem
dürfen sich die Inhalte nicht gegen unsere freiheitliche demokratische
Grundordnung richten.“

Darüber hinaus schreibt der Entwurf eine
bestimmte Antisemitismusdefinition, die sogenannte IHRA-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance, bei der Vergabe von
Fördermitteln vor und fordert die Bundesregierung auf, auf „Länder und
Kommunen dahingehend einzuwirken, dass sie entsprechende Regelungen
implementieren und, sofern nicht geschehen, die IHRA-Antisemitismusdefinition
zugrunde legen“. Vor einer solchen Verankerung der IHRA-Definition hatten Juristen bei der Fördermittelvergabe jedoch
in der Vergangenheit immer wieder gewarnt. Sie sei mit der grundgesetzlich
verankerten Kunst- und Wissenschaftsfreiheit schwer vereinbar. Ebenso sieht es die
ehemalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Im Gespräch mit
ZEIT ONLINE
warnte sie zuletzt: „Das Thema ist zu komplex und zu schwierig,
als dass es in rechtlich verbindliche Klauseln zu fassen wäre. Erkennt man das
nicht an, ist das Scheitern erneut vorprogrammiert.“

Auch aus dem Kunst- und Wissenschaftsbetrieb
kommt weiterhin Kritik. „Der aktuelle Resolutionsentwurf ist gefährlich“,
heißt es etwa in einem offenen Brief jüdischer Künstler und Künstlerinnen, der
Anfang der Woche publik wurde. Eine solche Resolution würde die „freie
Meinungsäußerung abwürgen, Deutschland vom Rest der demokratischen Welt
isolieren und ethnische und religiöse Minderheiten weiter gefährden“,
argumentieren die Unterzeichner, zu denen auch der Theater- und Opernregisseur
Barrie Kosky, die Schriftstellerin Deborah Feldman und die wegen ihrer
Israelkritik im Zusammenhang mit dem Gazakrieg umstrittene Künstlerin Candice
Breitz gehören.

Der nun veröffentlichte Appell mit Unterstützung von Lit.Cologne und der Berliner Akademie der Künste sieht die Sache ähnlich und fordert die Bundestagsabgeordneten aller
demokratischen Parteien auf, die Resolution im „Dialog mit
Vertreter:innen aus Kunst, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu überarbeiten
und ihre Verabschiedung zumindest zu vertagen“. Zu den Unterzeichnern gehören
unter anderem Michael Barenboim von der Barenboim-Said-Akademie, die Theaterregisseurin
Anne Schneider und Susan Neiman, Direktorin am Einstein-Forum in Potsdam. Auch
der Rat für Migration, ein bundesweiter Zusammenschluss von etwa 200
Wissenschaftlern, unterstützte zuletzt ein Papier, in dem von Zensur die Rede
ist und mit dem Einfluss auf die Fraktionen genommen werden soll. 

Und jetzt? Josef Schuster, Präsident des
jüdischen Zentralrats, ist ob der nicht enden wollenden Diskussion irritiert.
Ihm sei völlig unerklärlich, sagte er in der Jüdischen Allgemeinen,
warum es bislang nicht zu „diesem angekündigten starken Signal aus der
Mitte des Parlaments“ gekommen sei. „Mir ist bewusst, dass nicht alles direkt verboten werden kann, muss oder sollte, aber
ein Recht auf Förderung gibt es meines Wissens nicht.“ Wesentlich härter
formuliert es Volker Beck, Präsident der
Deutsch-Israelischen Gesellschaft, in einem Brief an die Bundestagsfraktion der Grünen, der er selbst von 1994 bis 2017 angehörte.
Darin warnt er angeblich vor einer Abschwächung des Resolutionstextes für einen gemeinsamen
Entschließungsantrag: „Für eine weitere Betroffenheitskaskade mit
wertlosen und kontrafaktischen Beteuerungen, etwa dass in Deutschland trotz
steigenden antisemitischen Taten kein Platz für Antisemitismus sei, besteht
kein Bedarf“, schreibt Beck.

Trotz der Kritik aus Wissenschaft und Kultur
wird es wohl dabei bleiben, dass die stellvertretenden
Fraktionsvorsitzenden die Sache unter sich und mit ihren Fraktionen
ausmachen. Man will das Thema möglichst bald, aber mindestens vor Oktober
vom Tisch haben. Noch in dieser Woche soll es einen überarbeiteten Entwurf geben,
der dann ins Plenum gehen soll. Ob die Kritik aus Kultur und
Wissenschaft über den Sommer Wirkung entfaltet hat, zeigt dann wohl der Versionsvergleich.

Eigentlich wollte man vor der
Sommerpause fertig sein. Und tatsächlich hatten sich die stellvertretenden
Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen von SPD, FDP, Grünen und Union nach
monatelangen Verhandlungen bereits im Juli auf einen Textentwurf für einen
gemeinsamen Entschließungsantrag geeinigt, wie ZEIT ONLINE als erstes Medium
berichtete
. Denn ein Jahr nach dem verheerenden Terrorangriff der Hamas vom 7.
Oktober 2023 sollte sie endlich kommen: die lange geplante Bundestagsresolution
zum Schutz jüdischen Lebens. Doch nun gibt es Widerstand aus dem Kultur- und
Wissenschaftsbetrieb. In einem öffentlichen Appell fordern Forschende, Kulturschaffende
sowie Institutionen wie die Lit.Cologne und die Berliner Akademie der Künste die
Bundestagsfraktionen dazu auf, die Resolution zu verschieben und grundsätzlich
zu überarbeiten.

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