Nach einer zitternd vor Angst verbrachten Nacht, in der es immer wieder Explosionen gab, kam Diana Mahmoud in einem Krankenhaus an, in dem sie ihren Sohn Yaman zur Welt brachte. Eine Woche nach Ausbruch des Gaza-Krieges im Oktober 2023 hatte die 22-Jährige festgestellt, dass sie ein Kind erwartete. Wie viele andere Frauen verbrachte sie die gesamte Schwangerschaft damit, sich um ihre Sicherheit und die ihres Kindes zu sorgen. Laut der London School of Hygiene & Tropical Medicine ist die Müttersterblichkeit in Gaza heute dreimal so hoch wie vor den Kampfhandlungen. „Es ging nicht nur um einen Tag oder zwei – nein, es waren neun Monate. Jeden Tag, den wir durchlebten, starben wir wegen der Bomben und Zerstörungen tausend Tode“, erzählt Diana.
Allein im August werden nach Schätzungen mehr als 5.500 Frauen in Gaza entbinden. Zusätzlich zur Sorge um ihr physisches Überleben stehen sie vor ganz praktischen Problemen, die mit wiederholter Vertreibung und der Suche nach Essen und Medizin einhergehen. Wie die Vereinten Nationen mitteilen, haben 95 Prozent der Schwangeren in Gaza nicht genug zu essen. Da zugleich große Teile des Gesundheitssystems zerstört sind, erhielten junge Frauen wie Diana keine Schwangerschaftsvorsorge. Auch wurde sie sofort nach der Geburt ihres Sohnes wieder aus dem überlasteten Krankenhaus entlassen. „Die ganze Zeit über wurde ein Ort in der Nähe angegriffen, sodass es schwierig für das Hospital war, schwangere Frauen zu versorgen“, erzählt Diana. „Vorrang haben die vielen durch den Krieg Verwundeten.“ Zehn Tage nach der Geburt benötigte ihr Sohn medizinische Hilfe, als sich seine Haut blau verfärbte. Im Al-Aqsa-Hospital stellte man fest, dass sein Herz unregelmäßig schlug. Die Ärzte erklärten, das Kind habe einen Kreislaufkollaps erlitten, der könne das Gehirn beeinträchtigt haben. Zehn Tage wurde der Junge überwacht und getestet. Dann kam die Entwarnung, er wurde als gesund entlassen.
Bombengefahr statt ärztlicher Versorgung
Nach Angaben der Hilfsorganisation Save the Children wurden in den vergangenen neun Monaten in Gaza etwa 50.000 Kinder geboren. Die ständigen Vertreibungen führten dazu, dass manche Frauen die Wehen selbst einleiteten, weil sie befürchteten, auf der Flucht ohne Hilfe gebären zu müssen. Israels permanente Invasion hat das Gesundheitssystem in einem Maße geschädigt, dass nur wenige Kliniken weiterarbeiten können.
Von 36 Hospitälern, über die man in Gaza einst verfügte, sind noch 13 mit rudimentären Funktionen übrig, von denen nur drei in der Lage sind, die 180 Frauen zu unterstützen, die im Schnitt täglich gebären – in der Regel in einem heißen, stickigen Zelt. „Frauen gebären ohne irgendeine Art von Schmerzlinderung“, so Madeleine McGivern, Beraterin für humanitäre Fragen bei Care International UK. „Sie leben in der Angst, keinen Zugang zu einem Arzt zu haben. Und sie wissen, dass sie auf der Suche nach einem Krankenhaus das Risiko eingehen, unterwegs von einer Bombe oder einem Scharfschützen getroffen zu werden.“
Die damit verbundene Traumatisierung hat Yasmeen Khuwaiter stark mitgenommen. Die junge Palästinenserin brachte im April Drillinge zur Welt – zwei Monate vor dem errechneten Geburtstermin. Yasmeen wurde durch eine In-vitro-Fertilisation schwanger, nachdem sie neun Jahre lang vergeblich versucht hatte, Kinder zu bekommen. Statt sich zu freuen, verbrachte sie die Schwangerschaft in steter Sorge davor, ihre Kinder zu verlieren. Medikamente, die sie brauchte, waren nicht zu bekommen. Auch eine entsprechende Ernährung blieb ihr verwehrt, was ihre körperliche Verfassung beeinträchtigte. Als sie im November behandelt werden musste und ein Krankenhaus erreichte, wurde das gerade geschlossen, da es an medizinischem Gerät und Strom fehlte. Yasmeen und ihre Familie verließen daraufhin Gaza-Stadt. Ihr Mann musste sie in einem Rollstuhl schieben. Es verschlug sie nach Rafah im Süden, wo die Ärzte versuchten, eine Behandlung in Ägypten durchzusetzen. Nach Wochen vergeblichen Wartens auf eine Ausreiseerlaubnis wurde die Gegend bombardiert, in der sich Yasmeen befand. Also ging es wieder zurück in die Mitte des Gazastreifens, wo die junge Frau schließlich in einem Krankenhaus ihre Kinder zur Welt brachte.
„Gott hat mich mit Drillingen gesegnet, einem Jungen und zwei Mädchen“, berichtet sie, „aber wegen ihrer zu frühen Geburt ging es ihnen schlecht.“ Yasmeen hatte eine schwierige Entbindung durchzustehen, es kam zu Blutungen während des Kaiserschnitts, für den sie ein Narkosemittel aus dem begrenzten Bestand der Klinik bekam. Eine ihrer Töchter musste Tage auf der Intensivstation bleiben. „Als es ihr besser ging, konnten wir sie endlich mitnehmen und kehrten zurück zu einem Dasein im Zelt, in dem wirklich alles für ein menschenwürdiges, Leben fehlt“, sagt Yasmeen. „Man kann sich ja vorstellen, was drei Frühgeborene für eine extreme Fürsorge benötigen. Die ist in einem Zelt unmöglich.“