Rentenpaket II: Fachleute warnen vor Milliardenlast

Der Streit um die Zukunft des Rentensystems in Deutschland geht in die entscheidende Phase. An diesem Montag findet die Expertenanhörung zum umstrittenen „Rentenpaket II“ der Bundesregierung statt, und wichtige Fachleute lassen kaum ein gutes Haar an dem Gesetzentwurf. Zu teuer sei die langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus, zu gering die Bemühungen, mithilfe einer Aktienrente entgegenzusteuern.

Der Ökonom Axel Börsch-Supan geht mit den Plänen der Ampelregierung aus SPD, FDP und Grünen besonders streng ins Gericht: Der Bundestag stehe vor der schwierigen Aufgabe, eine Balance zwischen der Erhaltung unseres Sozialsystems und der Anpassung an die Realitäten einer „tiefen Strukturkrise“ zu finden, schreibt der Demographie-Fachmann von der TU München in seiner Stellungnahme mit Verweis auf den demographischen Wandel: „Das vorliegende Gesetzesvorhaben erfüllt diese Aufgabe nicht.“ Ganz im Gegenteil: Es sei in weiten Teilen „ein Ausdruck der Weigerung, diese Realitäten anzuerkennen“ – und das zulasten der jüngeren Generation und zum Wohle der Besserverdienenden.

Rot-grüne Reform wird zurückgedreht

Zentrales Element des Paktes ist die „Haltelinie“, die dafür sorgen soll, dass das Niveau der durchschnittlichen gesetzlichen Rente bis zum Jahr 2040 nicht unter 48 Prozent des Durchschnittseinkommens liegen soll. Für Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) ist dies ein notwendiger Schritt „für alle Generationen“, die damit sicher sein könnten, dass sie nach einem Leben „voller harter Arbeit“ abgesichert seien. Der „Wirtschaftsweise“ Martin Werding nennt dies im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hingegen einen „totalen Irrsinn“. Auch die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) nennt das Vorhaben „das teuerste Sozialgesetz dieses Jahrhunderts“. In den nächsten zwanzig Jahren führe es zu Mehrausgaben von einer halben Billion Euro, sagt der Bundesrechnungshof voraus. Umgekehrt wird es keine „Haltelinie“ für die Beitragsentwicklung mehr geben: Damit könnten die Beiträge künftig auf rund 22,7 Prozent im Jahr 2045 steigen. Der Nettoverdienst der Arbeitnehmer wird also kleiner.

Damit dreht die Bundesregierung eine wichtige Reform der rot-grünen Bundesregierung aus dem Beginn des neuen Jahrtausends zurück: Um das Rentensystem zu stabilisieren, hatte sie sich dazu durchgerungen, das Rentenniveau auf rund 45 Prozent im Jahr 2045 abzusenken. Mit dem Rentenpaket II wird das obsolet – nach Ansicht von Börsch-Supan zulasten der Jüngeren, „einer Generation, die ohnehin in einer Welt lebt, in der die Wirtschaftsaussichten deutlich weniger optimistisch erscheinen als für die nun in Rente gehenden Babyboomer“. Ungerecht sei es zudem, so argumentiert der Rentenfachmann: Die Bundesregierung gebe den Besserverdienenden mehr als denen, die den Sozialstaat nötig haben – und dies in Zeiten knapper Kassen. Börsch-Supan schlägt vor, die Haltelinie auf die Gruppe der weniger Verdienenden zu fokussieren, Besserverdiener erhielten ohnehin oft Betriebsrenten und könnten es sich erlauben, eine private Altersvorsorge aufzubauen.

Das von der FDP favorisierte „Generationenkapital“ kann den Ärger über das Rentenpaket kaum dämpfen, schließlich ist der Effekt nur marginal. Der Plan: Durch Investitionen am Aktienmarkt soll ein Kapitalstock aufgebaut werden, der als zusätzlicher Baustein in der Rentenfinanzierung genutzt werden soll. Der Fonds soll aus Schulden finanziert werden und in den nächsten zehn Jahren auf rund 200 Milliarden Euro anwachsen. Von 2036 an sollen die Ausschüttungen dann das System um zehn Milliarden Euro im Jahr entlasten. Daraus lasse sich aber nur rund ein Prozent der Rentenausgaben bestreiten, moniert die BDA. Die Mehrausgaben lägen jedoch um ein Vielfaches höher.

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