Renault-Chef Luca De Meo: „Wir erfordern ein Abkommen mit China“

Wie umgehen mit China? Diese Frage war zu Wochenbeginn Dauerthema auf dem Pariser Autosalon, wo sich BYD, Xpeng, Hongqi und weitere chinesische Hersteller mit wachsendem Selbstbewusstsein präsentieren. Der Vorstandschef des französischen Renault-Konzerns, Luca De Meo, trommelte für Pragmatismus. „Wir brauchen ein Abkommen mit China“, sagte er im Gespräch mit Journalisten. Davon hätten beide Seiten etwas.

„Sie wollen den Zugang zum europäischen Markt und einen Anteil am Kuchen, wir brauchen im Gegenzug wahrscheinlich etwas Hilfe“, sagte De Meo. Zwar seien wie einst bei den Japanern und Koreanern Sorgen unbegründet, dass die Chinesen hier alles plattmachten. Doch ohne die „Unterstützung der chinesischen Unternehmen und Rohstoffindustrie“ werde man den Hochlauf der Elektromobilität nicht beschleunigen können, zeigte er sich überzeugt.

De Meos Vorstoß ist nicht neu, gewinnt durch den andauernden Expansionsdrang der chinesischen Autohersteller nach Europa und die wachsenden Handelsspannungen aber an Aktualität. „Rund 70 Prozent der Produktionskapazität für Elektrofahrzeuge steht in China“, hatte er Anfang des Jahres im Gespräch mit der F.A.Z. betont. Auf die Kooperation mit dem Reich der Mitte könne man nicht verzichten, meine es Europa ernst mit der politisch forcierten Antriebswende.

„Es hat nun mal eine Fahrzeuggeneration Vorsprung in der Elektromobilität und die Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette, von den Rohstoffminen über die Raffinerien bis zur Batteriefertigung“, sagte seinerzeit der Renault-Chef, der auch dem europäischen Autoindustrieverband Acea vorsteht.

In China nie wirklich Fuß gefasst

Aus Sicht von De Meo sei all das zu trennen von der Frage, inwieweit Peking seine Hersteller unzulässig subventioniere und deshalb höhere Einfuhrzölle angemessen seien. Die Europäer hätten „jedes Recht“, zu überprüfen, ob die Regeln der Welthandelsorganisation eingehalten werden, sagte der Renault-Chef weiter. Statt sich aber über Einfuhrzölle, Vorschriften und Bußgelder die Köpfe heißzureden, sollten sie sich zuvorderst um eine Strategie und die Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit kümmern.

„Die eigentliche Frage ist, ob wir als europäische Autoindustrie in der Lage sein werden, in fünf oder zehn Jahren zu den Chinesen aufzuschließen“, sagte er. Ohne Kooperation, etwa in Form von Gemeinschaftsunternehmen, sei dies schwierig. „Die meisten Gigafabriken in Europa werden ja schon von chinesischen Unternehmen entworfen und gebaut, weil sie Erfahrung haben und wissen, wie es geht“, bilanzierte De Meo.

Dass der Appell nach einer Zusammenarbeit mit den Chinesen ausgerechnet aus Frankreich kommt, mag überraschen. Anders als die deutschen Hersteller und französische Zulieferer wie Michelin, Valeo und Forvia (vormals Faurecia) haben Renault und die Stellantis-Marken Peugeot, Citroën und DS im Reich der Mitte nie wirklich Fuß gefasst. In Brüssel galt Frankreich zuletzt als maßgeblicher Treiber höherer Einfuhrzölle, also mehr Schutz gegen die vermeintliche „Autoschwemme“ aus Fernost.

Doch während die harte Linie gegenüber Peking in der französischen Politik weiter viele Fürsprecher hat, äußern sich die Hersteller schon länger differenzierter. Das kommt nicht von ungefähr. Renault hat sein Hybrid- und Verbrennergeschäft jüngst in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem chinesischen Hersteller Geely transferiert. Beide halten daran 50 Prozent der Anteile. Geely hilft Renault darüber hinaus bei der Entwicklung des neuen elektrischen Kleinwagens Twingo.

„Ich denke, sie werden bald reagieren“

Stellantis wiederum, in Amsterdam ansässig, aber stark aus Poissy bei Paris gesteuert, macht seit knapp einem Jahr mit dem chinesischen Elektroautohersteller Leapmotor gemeinsame Sache. Damit ist nicht zuletzt ein Technologietransfer nach Europa verbunden, um günstiger Elektroautos zu bauen. Wie Renault und Geely haben auch sie ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet.

Stellantis hält daran allerdings mit 51 Prozent die Kapitalmehrheit und zudem knapp ein Fünftel direkt an Leapmotor sowie die exklusiven Rechte für den Export, den Verkauf und die Herstellung von Leapmotor-Produkten außerhalb Chinas. Man kämpfe somit mit einer chinesischen Marke, die auch die Kostenstruktur einer chinesischen Marke habe, gegen andere chinesische Marken, erklärte Vorstandschef Carlos Tavares auf dem Pariser Autosalon seine Strategie.

Stellantis-Chef Carlos TavaresEPA

Aufseiten der französischen Industrie ist das Interesse an einer Eskalation des europäisch-chinesischen Handelskonflikts vor diesem Hintergrund gering. Stellantis fährt zwar eine Leapmotor-Fertigung in Polen hoch, dort läuft zunächst aber nur das kleinste Modell T03 vom Band. Die übrigen Leapmotor-Modelle wie der C10 werden dagegen bis auf Weiteres aus China importiert – und Ende Oktober schlagartig teurer, wenn Brüssel wie geplant die Einfuhrzölle anhebt, von möglichen Vergeltungsmaßnahmen Pekings ganz zu schweigen.

„Sie können sich vorstellen, dass die Chinesen nicht stumm bleiben werden“, sagte Stellantis-Chef Tavares und betonte: „Ich denke, sie werden bald reagieren, und ich befürchte, dass die Europäer überrascht sein werden.“

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