Die mythische Krankheit wird schon in der Bibel erwähnt: Aussatz oder Lepra ist seit Jahrtausenden gefürchtet. Nun hat Jordanien als erstes Land der Welt die Bakterieninfektion offiziell ausgerottet. Wo die Lepra weiterhin lauert – und wie man sich bei Reisen davor schützen kann.
„Die Weltgesundheitsorganisation beglückwünscht das Haschemitische Königreich Jordanien dazu, als erstes Land der Welt die Lepra ausgerottet zu haben“, heißt es in der Erklärung der WHO. Das markiere eine neue Ära in der öffentlichen Gesundheit. Und dann wird WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus zitiert: „Lepra plagt die Menschheit seit Jahrtausenden, aber Land für Land stoppen wir die Übertragung.“
Die meisten Menschen in Europa kennen die Lepra nur aus Filmen wie „Ben Hur“. Da ruft es wohlige Schauer hervor, wenn der Fürst aus dem antiken Judäa seine Schwester an die „Aussätzigen“ verliert. Aber die Erkrankung ist nicht Geschichte, sie ist Gegenwart. Auch in deutschen Arztpraxen werden immer wieder Fälle bei Reiserückkehrern und Zugereisten entdeckt.
In mehr als 120 Ländern kommt die Bakterieninfektion laut WHO regelmäßig vor, teils mit drastischen Folgen für die Infizierten. Aus Sicht von Seuchenschützern wird sie zu Unrecht aus dem kollektiven Bewusstsein verdrängt, zählt zu den vernachlässigten Tropenerkrankungen.
Besonders betroffene Regionen: das ländliche Indien und Sri Lanka, Südostasien, China, das tropische Afrika sowie Brasilien. Jedes Jahr werden mehr als 200.000 neue Fälle weltweit gemeldet, wahrscheinlich ist das nur ein kleiner Teil der wirklichen Infektionen.
Der Erreger heißt Mycobacterium leprae oder auch Hansen-Bazillus, ein Bakterium, das die Haut, die peripheren Nerven, die Schleimhautoberflächen der oberen Atemwege und die Augen befällt. Es vermehrt sich in den Zellen, anfangs entstehen rötlich gefärbte Stellen mit einer „käsigen“ Oberfläche auf der Haut. Unbehandelt können daraus schwere Deformationen entstehen. Kranke verlieren ihre Nase, Finger, ganze Gliedmaßen.
Tätowiernadeln, Eichhörnchen, Bettwanzen
Wird die Krankheit frühzeitig antibiotisch behandelt, heilt die Infektion folgenlos ab. Eine Impfung gibt es nicht. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt in seinem Ratgeber für importierte Erkrankungen, keinen längeren Kontakt mit Infizierten zu haben. Und, wenn es sich nicht vermeiden ließ, regelmäßig auf Lepra testen zu lassen, notfalls prophylaktisch zu behandeln.
Der Erreger ist auch deswegen so schwer auszurotten, weil Forscher bis heute über den Infektionsweg rätseln. Neben Tröpfcheninfektionen kommt Kontakt mit infizierter Erde infrage. Die Bakterien wurden schon während des Tätowierens übertragen, außerdem scheinen Bettwanzen und Stechmücken die Erreger verbreiten zu können, zumindest im Labor auf Mäuse.
Hinzu kommen Leprafälle nach Kontakt mit Neunbinden-Gürteltieren in Nord- und Südamerika; auch wurden die Bakterien bei einer Eichhörnchen-Art in Großbritannien nachgewiesen. Dass die Zeit von der Infektion bis zum Ausbruch Jahrzehnte betragen kann, erschwert es den Forscher zusätzlich, die Übertragungswege aufzuklären.
Jordanien darf sich nun leprafrei nennen, weil dort seit über zwei Jahrzehnten keine sogenannten autochthonen Fälle mehr gemeldet wurden, also keine Infektionen, die sich Menschen in Jordanien zugezogen haben. „Die Eliminierung dieser uralten Krankheit ist ein historischer Meilenstein“, sagte Saima Wazed, WHO-Regionaldirektorin für Südostasien und Leiterin des Globalen Lepraprogramms der WHO. „Der Kampf gegen Lepra ist mehr als der Kampf gegen eine Krankheit. Es ist auch ein Kampf gegen die Stigmatisierung.“
Source: welt.de