Frankreichs Premierminister Sébastien Lecornu hat seinen Entwurf für den französischen Haushalt verteidigt und eine Aussetzung der umstrittenen Rentenreform vorgeschlagen. Er habe die Rolle des Premierministers angenommen, weil Frankreich ein Budget benötige – trotz aller Herausforderungen, sagte er im französischen Parlament. Das Parlament müsse sich zusammentun und die Stabilität des französischen Staates sicherstellen, forderte er. Dafür sei die Verabschiedung eines Haushalts zentral.
Zudem kündigte er eine Aussetzung der Rentenreform an. Er werde dem Parlament im Herbst vorschlagen, die Rentenreform von 2023 bis zur Präsidentschaftswahl auszusetzen, sagte er: „Bis Januar 2028 wird es keine Anhebung des Rentenalters geben.“ Das hatten zuvor vor allem die Gewerkschaften und die Sozialisten gefordert.
Die Spitze der Sozialisten hatte angekündigt, nur eine Zusammenarbeit mit der neuen Regierung in Betracht zu ziehen, wenn die Rentenreform nicht wie geplant umgesetzt wird. Lecornu verwies darauf, dass das Aussetzen der Rentenreform 2027 etwa 400
Millionen Euro kosten werde. Dies müsse durch Einsparungen ausgeglichen
werden. Beschließen muss die Aussetzung das Parlament.
Einsparungen von 30 Milliarden Euro
Zuvor waren bereits die wichtigsten Punkte des Haushaltsentwurfs bekannt geworden. Wie französische Medien übereinstimmend berichteten, will Lecornu das Haushaltsdefizit von den erwarteten 5,4
Prozent 2025 auf unter 5 Prozent im kommenden Jahr senken. Deshalb sehe der Haushaltsentwurf Einsparungen von rund 30 Milliarden Euro vor. Der Entwurf des vorherigen Premierministers François Bayrou hatte Einsparungen von knapp 44
Milliarden Euro vorgesehen. Bayrou war wegen des Entwurfs und der darauffolgenden verlorenen Vertrauensfrage abgetreten.
Auch Lecornus Amtszeit hat schwierig begonnen. Nach Bayrou hatte der französische Präsident Emmanuel Macron ihn zum Premierminister ernannt. Bereits kurz nach der Vorstellung eines möglichen Kabinetts war Lecornu jedoch zurückgetreten. Es hatte Kritik an der Verteilung der Regierungsposten gegeben. Am Freitag hatte Macron ihn dann erneut zum Premierminister ernannt. Nun soll Lecornu noch einmal versuchen, einen Haushalt durch das stark gespaltene Parlament zu bringen.
„Diese Regierung steht für Erneuerung“
In seiner Rede bekräftigte er, dass er für die Verabschiedung des Haushalts auf den umstrittenen Artikel 49 Absatz 3 der Verfassung verzichte, welcher der Regierung die Durchsetzung ohne eine parlamentarische Debatte ermöglichen würde. Damit habe das Parlament das letzte Wort zum Haushalt wie auch zu anderen Gesetzen und trage schließlich die Verantwortung.
Zudem verteidigte er seine Regierung. „Ich habe dem Präsidenten der Republik eine Regierung vorgeschlagen, die innerhalb von drei Monaten einen seriösen und zuverlässigen Haushalt für Frankreich vorlegen wird, der für die Franzosen nützlich und gut ist“, sagte er. „Diese Regierung steht für Erneuerung, da sie einige der kompetentesten Experten unseres Landes umfasst.“
Seine Regierung schlage kein langfristiges Programm vor, sagte er. Dies sei eine Regierung mit einem bestimmten Auftrag, nämlich der Verabschiedung eines Haushalts. Er werde jedoch ein Gesetz vorschlagen, das den Kommunen und Départements mehr Macht einräume. Zudem müsse die Regierung sich um ein neues Abkommen mit Neukaledonien kümmern.
Neuwahl bei Scheitern der Regierung
Es sind jedoch bereits zwei Misstrauensanträge gegen ihn eingereicht worden. Die beiden Anträge der Rechts- und der Linkspopulisten sollen am Donnerstag diskutiert werden. Die Sozialisten kündigten nach Lecornus Rede jedoch an, einen „Sturz der Regierung“ zunächst nicht unterstützen zu wollen. Die in Aussicht gestellte Aussetzung der Rentenreform sei ein „Sieg“ und ein
„Schritt in die richtige Richtung“, sagte der sozialistische
Fraktionschef Boris Vallaud. Seine Partei werde sich auf die Debatte in der Nationalversammlung
einlassen.
Sollte einer der Misstrauensanträge durchgehen und die Regierung scheitern, plant Präsident Macron offenbar, eine Neuwahl auszurufen. Das hatte er bislang ausgeschlossen. Die bereits
eingereichten Misstrauensanträge der Opposition hätten die Auflösung der
Nationalversammlung zum Ziel, und „so sollten sie auch verstanden
werden“, sagte Macron laut Regierungssprecherin Maud
Bregeon bei der ersten Kabinettssitzung der neuen Regierung vor der Rede Lecornus.
Macron habe dazu aufgerufen, die Stabilität zu wahren und Kompromisse
zu suchen.