Regierungskonsultationen: Vergeigt es nicht mit den Polen!

Ja, die Rechten kommen, nicht nur in Frankreich. Aber manchmal gehen sie auch wieder. Was war die Erleichterung groß in Deutschland, als nach acht Jahren die PiS-Regierung in Polen abgewählt und Donald Tusk Regierungschef wurde. In Berlin atmete man auf: Endlich wieder mit den Polen konstruktiv zusammenarbeiten! Endlich Schluss mit den antideutschen Ausfällen! Gemeinsame Konsultationen gab es seit sechs Jahren nicht mehr, wozu auch. Die Regierungen in Berlin und Warschau hatten sich nichts zu sagen. Zu viel Misstrauen, zu viel Feindseligkeiten, zu viele Reizwörter auf beiden Seiten: Nord Stream 2, Reparationszahlungen, Russland. 

Nun treffen sich die Regierungen wieder. Sie reden. Donald Tusk ist ein überzeugter Europäer, war fünf Jahre EU-Ratspräsident, hat ein ähnliches Temperament wie Olaf Scholz. Am Dienstag haben die beiden in Warschau einen 40-seitigen deutsch-polnischen Aktionsplan vorgestellt. Läuft doch! Jarosław Kaczyński ist weg, alles ist wieder in bester Ordnung! Schön wär’s.

Sicher, der Aktionsplan, den Scholz und Tusk in Warschau vorgestellt haben, ist wichtig. Ein Anfang. So ziemlich alle Themen werden abgehandelt, Sicherheit, Stärkung der Europäischen Union, sogar ein Freundschaftsticket für die Bahn ist dabei und ein wolkiges Zukunftsversprechen auf eine Modernisierung der Zugstrecken – und wenn wir schon dabei sind: dass der schnellste Zug für die nicht mal 600 Kilometer zwischen Berlin und Warschau fünfeinhalb Stunden braucht, ist ziemlich peinlich. Die Unterstützung der Ukraine wird erwähnt, Migration, Energie, Klima. Auch Hilfe für die Überlebenden des deutschen Überfalls in Form einer Stiftung ist geplant.

Alles sehr ambitioniert, aber unkonkret. Eben keine Aktion, eher eine gegenseitige Vergewisserung: Hey, wir wollen mal wieder über alles reden. Und doch scheint bei der deutschen Seite nicht ganz durchgedrungen zu sein, wie wichtig für Donald Tusk ein echter Erfolg ist. Ein außenpolitischer Scoop. Noch lässt der auf sich warten.

Denn eines fehlt in diesem Aktionsplan: Geld. Nirgends steht, wie viel die Deutschen eigentlich geben wollen, wie viel die Polen kriegen sollen und wie viel das große europäische Ganze kosten darf. Hier holt die deutsche Innenpolitik mal wieder die Außenpolitik ein. Die Schuldenbremse hemmt allzu ambitionierte Handlungen, der Streit um den Haushalt verhindert großzügige Zusagen. Wie viel darf die europäische Sicherheit kosten? Mal schauen. Lässt sich historische Schuld mit Geld begleichen? Der Aktionsplan will es lieber erst gar nicht herausfinden. In politischen Gesprächen werden Summen von ein paar Hundert Millionen Euro genannt für die noch lebenden Opfer, von denen eben nicht mehr viele leben dürften. Die Summe wäre ein Bruchteil dessen, was Jarosław Kaczyński als Entschädigung von den Deutschen verlangt hat.

Ein schrecklicher Verdacht

Bitte nicht falsch verstehen: Die Deutschen bemühen sich. Sie wollen nichts falsch machen, nach Jahren des Nurfalschmachenkönnens. Einen Ort des Gedenkens an die Opfer wollen sie schaffen, mit einem deutsch-polnischen Haus „ein sichtbares Zeichen gegen das Vergessen“ errichten. 

Auch die polnische Seite ist Deutschland entgegengekommen. Von Reparationszahlungen ist nicht mehr die Rede. Die Polen wollen das Verhältnis zu den Deutschen entgiften und mit der Polarisierung aufhören, die jahrelang das Geschäft von Jarosław Kaczyński war. Aber Donald Tusk ist nicht einfach ein Politiker, der nach acht Jahren Rechtsregierung übernimmt. Viele Jahre lang wurde Tusk von Jarosław Kaczyński als ein deutscher Agent attackiert, als ein Maulwurf Berlins, tief verstrickt mit seiner Familiengeschichte in deutschen Untaten. Als ein Mann, der die polnischen Interessen verrät.

Diese Erzählung, seit 2005 wieder und wieder abgespult, hat sich in Polen abgenutzt. Das Verhältnis der Polen zu den Deutschen ist eben nicht so neurotisch, wie Kaczyński die Polen glauben lassen wollte. Und so vermochte er bei der vergangenen Wahl im Herbst nicht mehr ausreichend Stimmen damit zu ködern.

Doch die Geschichte von Tusk als deutschem Agenten ist noch immer in der Welt. Sie ist der stille Verdacht, der ihn begleitet und sich meldet, wann immer Tusk mit den Deutschen zu tun hat. Gegen diesen Verdacht wird er ankämpfen müssen, und das werden die Deutschen in den kommenden Jahren womöglich zu spüren bekommen. Denn ob Nord Stream 2 oder Leopard 2 – ganz unabhängig von Kaczyński wichen polnische Positionen schon in der Vergangenheit von den deutschen ab, und das wird auch unter einer Regierung Tusk so bleiben.

Zu Tusks Aufgaben wird auch gehören, die Lügen über ihn zu widerlegen, den Verdacht abzuschütteln. Dabei kann, ja, dabei muss ihm ausgerechnet Berlin helfen – im eigenen Interesse. Das ist die große Chance in diesen schwierigen Zeiten für eine europäische Zusammenarbeit, gerade jetzt, da die Rechten in Frankreich womöglich nach der Macht greifen. Sonst sind die Rechten, die in Polen verschwunden sind, schnell wieder da. 

Ja, die Rechten kommen, nicht nur in Frankreich. Aber manchmal gehen sie auch wieder. Was war die Erleichterung groß in Deutschland, als nach acht Jahren die PiS-Regierung in Polen abgewählt und Donald Tusk Regierungschef wurde. In Berlin atmete man auf: Endlich wieder mit den Polen konstruktiv zusammenarbeiten! Endlich Schluss mit den antideutschen Ausfällen! Gemeinsame Konsultationen gab es seit sechs Jahren nicht mehr, wozu auch. Die Regierungen in Berlin und Warschau hatten sich nichts zu sagen. Zu viel Misstrauen, zu viel Feindseligkeiten, zu viele Reizwörter auf beiden Seiten: Nord Stream 2, Reparationszahlungen, Russland. 

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