Ein zentrales Gesetzesvorhaben zur Beschleunigung von Bauprojekten hat eine erste wichtige Hürde genommen. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Entwurf des Bundesverkehrsministeriums für ein neues „Infrastruktur-Zukunftsgesetz“ gebilligt. Es geht nun in das parlamentarische Verfahren. Damit sollen Bauprojekte für Autobahnen, Schienen und Wasserwege künftig deutlich schneller umgesetzt werden, weil gesetzliche Vorgaben gelockert und Verfahren vereinfacht werden.
Die neuen Regeln sind wichtig, um das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz in Höhe von 500 Milliarden Euro schnell investieren zu können. Damit will die Bundesregierung der Kritik entgegnen, die dafür aufgenommenen Rekordschulden würden verpuffen, weil das Geld nicht schnell genug in die marode Infrastruktur fließen kann. In den vergangenen Jahren hatten lange Bauzeiten immer wieder zu Kostensteigerungen geführt.
Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) versprach deshalb: „Wir beenden die Zeit der Dauerverfahren.“ Die Neuregelungen gäben Behörden und Unternehmen Tempo, Klarheit und Verlässlichkeit. „Wenn damit Infrastrukturprojekte nur um zehn Prozent effizienter werden, könnte die Bundesregierung mit den vorhandenen Mitteln deutlich mehr Projekte umsetzen.“
Schon beim Bau von Windrädern und LNG-Terminals erprobt
Konkret sehen die Gesetzespläne mehrere Änderungen bei Verfahrens-, Planungs- und Umweltvorschriften vor. Zentraler Bestandteil ist eine Maßnahme, mit der auch die frühere Bundesregierung unter Olaf Scholz (SPD) schon den Bau von Windrädern und LNG-Terminals beschleunigt hat; gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode wurde sie zudem auf den Ausbau des Glasfasernetzes ausgeweitet. Künftig sollen auch Verkehrsprojekte für die Straße, Schiene, Wasserstraße sowie den Bau dringend benötigter Lkw-Parkplätze an der Autobahn rechtlich klar priorisiert werden. Dies geschieht, indem sie als „Vorhaben des überragenden öffentlichen Interesses und der öffentlichen Sicherheit“ eingestuft werden.
Begründet wird dies mit ihrer großen Bedeutung für Mobilität, Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und öffentliche und militärische Sicherheit. Damit will die Bundesregierung erreichen, dass ihnen in gerichtlichen und behördlichen Abwägungsentscheidungen ein höheres Gewicht beigemessen wird und sie so schneller genehmigt werden können.
Widerstand von der SPD
Vor allem diese Regelung hatte zuletzt für eine Auseinandersetzung innerhalb der Bundesregierung gesorgt. Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) hatte das Vorhaben deshalb in den vergangenen Wochen blockiert und auf umfangreiche Ausgleichsmaßnahmen im Umweltbereich gepocht. Erst eine Intervention der Bundesländer hat vergangene Woche ein Einlenken ermöglicht.
Auch für Länder und Kommunen ist das neue Gesetz wichtig, weil sie viele Infrastrukturprojekte umsetzen müssen. Außerdem sind die Standards im Umwelt- und Artenschutz in den Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet, was die Abstimmungsprozesse kompliziert macht. Auch das soll nun vereinheitlicht werden. Die Regelungen sollen in einem Naturflächenbedarfsgesetz gebündelt werden, für das sich die Bundesregierung auf einen festen Termin geeinigt hat. Umweltminister Schneider muss den Gesetzentwurf bis spätestens 28. Februar vorlegen. Anders als von vielen Umweltverbänden gewünscht, werden nicht beide Vorhaben gemeinsam im Paket beschlossen.
Brückenprogramm ist ins Stocken geraten
Trotz der Einigung im Kabinett ist schon jetzt klar, dass die Kritik anhalten wird. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Tarek Al-Wazir (Grüne), kritisierte die Pläne gegenüber der F.A.Z. und verwies auf die bisherige Bilanz des Brückensanierungsprogramms, das Schnieders Vorgänger Volker Wissing ins Leben gerufen hatte: Statt der versprochenen 400 Autobahnbrücken im Jahr seien in den ersten acht Monaten dieses Jahres nur 100 saniert worden, wie das Bundesverkehrsministerium auf Anfrage von Al-Wazir einräumte.
Der frühere hessische Wirtschaftsminister verwies darauf, dass Brückensanierungen bereits heute im überragenden öffentlichen Interesse stünden und die Anforderungen an die Umweltverträglichkeitsprüfung ebenfalls deutlich vereinfacht wurden. Die magere Bilanz zeige „erschreckend deutlich“, dass nicht die fehlenden rechtlichen Grundlagen oder der Naturschutz das Problem seien, betonte er. „Die wahren Probleme sind fehlende politische Priorisierung, keine verlässliche Finanzierung und Personalmangel in der Verwaltung, die Infrastrukturprojekte ausbremsen.“
Die Grünen gehören im Parlament zu den schärfsten Kritikern im Zusammenhang mit der Ausgestaltung des Sondervermögens. Sie pochen schon seit Monaten darauf, dass das Geld ausschließlich in die marode Infrastruktur fließen dürfe, vor allem in die Schiene, und kritisieren die zusätzlichen Haushaltsbelastungen, die durch die Ausweitung der Mütterrente und der Pendlerpauschale sowie die Senkung der Mehrwertsteuer bei Restaurantbesuchen entstünden. Die „Haushaltstricks von Schwarz-Rot“ hätten im Sommer zu einem Ausschreibungsstopp bei der Autobahn GmbH geführt – „und die katastrophalen Ergebnisse sehen wir jetzt“, sagte Al-Wazir.
Umweltverbände kritisierten das Gesetz als „tiefgreifenden Eingriff in zentrale Umweltschutzstandards“. Es stelle eine Zäsur im Umgang mit Natur und Umweltverbänden dar. Sie kritisierten, dass künftig stärker als bisher die Verursacher auch Geld zahlen könnten, anstatt einen tatsächlichen Ausgleich durch die Schaffung neuer Biotope zu leisten. Sie kritisierten, dass das bisher schon gezahlte Geld häufig nicht sinnvoll investiert werden könne. Das Bundesverkehrsministerium hält dagegen, dass die Umwelt- und Naturschutzpflichten weiterhin verbindlich blieben. Sie würden nur „im Rahmen der Abwägung künftig in ein angemessenes Verhältnis gesetzt“.
Zu wenig Geld – trotz Sondervermögen
Darüber hinaus soll das Gesetz auch an anderer Stelle Erleichterung schaffen. Durch das Vermeiden doppelter Prüfungen könnten Monate bis Jahre gespart werden. Auch von der Einführung digitaler Verfahren verspricht sich das Ministerium eine deutliche Beschleunigung. Zudem sollen verbindliche Fristen für die Behörden einen „Stillstand durch Nichtentscheidungen“ verhindern.
Einen Streitpunkt wird das neue Gesetz allerdings nicht ausräumen können: dass auch mit den neuen Rekordschulden nicht alle Pläne finanziert werden. So fürchtet der Interessenverband Allianz pro Schiene, dass Verkehrsprojekte in der Praxis kaum beschleunigt würden: „Wenn der Bund weiterhin nur wenig Geld für den Aus- und Neubau der Schiene im Bundeshaushalt bereitstellt, wird auch eine gesetzlich verordnete Planungsbeschleunigung nicht zu neuen oder zusätzlichen Gleisen führen“, kritisierte Verbandsgeschäftsführer Dirk Flege.