Rechtsextremismus in Frankreich: In Frankreich hat die Wirtschaft die Brandmauer längst eingerissen

Für die französische Geschäftsfrau Sophie de Menthon sind Gespräche mit Rechtsextremen nur folgerichtig. „Als Unternehmerin interessiert mich allein das Beste für meine Firma. Wenn ich mit Jordan Bardella oder Marine Le Pen spreche, will ich ihr Programm beeinflussen“, sagt sie. De Menthon gründete den Lobbyverband Ethic, der die Interessen französischer Unternehmen vertritt. Wie viele Manager in Frankreich lehnt sie die einstige Brandmauer zum Rassemblement National ab. Gegenüber der ZEIT erklärt sie offen, warum: „Wir suchen bei Parteien nach dem, was uns als Unternehmer gefällt. Deshalb rede ich mit allen.“

In Deutschland sorgte kürzlich eine Ankündigung des Lobbyverbands Die Familienunternehmer für Aufsehen: Präsidentin Marie-Christine Ostermann erklärte sinngemäß, die Brandmauer einreißen zu wollen. „Das Kontaktverbot ist aufgehoben“, sagte sie. Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus: Die Deutsche Bank kündigte einen Mietvertrag, die Drogeriekette Rossmann trat aus dem Verband aus – andere verteidigten die Entscheidung.

In Frankreich aber ist die Brandmauer zwischen Unternehmen, Arbeitgebern und ihren Verbänden schon weitaus löcheriger als in Deutschland. Sie behandeln also den rechtsextremen Rassemblement National immer häufiger wie jede andere demokratische Partei und laden ihn zu ihren Veranstaltungen ein. Vermutlich auch, weil der Rassemblement National darauf hoffen kann, an die Regierung und ins Präsidialamt zu kommen.

Sophie de Menthon drückt es so aus: „Die aktuellen Umfragen sehen den Rassemblement National als Sieger der Präsidentschaftswahlen – es ist also dringlich, der Partei ökonomischen Verstand beizubringen.“ Tatsächlich zeigt eine aktuelle Umfrage eine politische Zeitenwende in Frankreich: Jordan Bardella würde im ersten Wahlgang fast 20 Prozentpunkte mehr erreichen als seine stärksten Konkurrenten. Und zum ersten Mal käme der 30-Jährige auch im zweiten Wahlgang auf mehr als die erforderlichen 50 Prozent, ob gegen Linke, Liberale oder Konservative. Tatsächlich ist er sogar beliebter als die jahrzehntelange Frontfrau Marine Le Pen. Und wahrscheinlich wird sie nicht antreten, weil sie wegen der Veruntreuung von EU-Geldern verurteilt wurde – über ihre Berufung entscheidet ein Gericht im Frühjahr.

„Wir müssen mit ihnen sprechen“

Auch der Arbeitgeberverband Medef lädt Bardella neuerdings zu seinen Jahresversammlungen ein. Im August sprach er dort erstmals vor den Firmenchefs und erhielt verhaltenen Applaus. Auf schriftliche Fragen der ZEIT wollte der Medef nicht antworten, erklärte seine Haltung aber telefonisch. „Die Extreme sind in Frankreich so stark geworden, dass wir mit ihnen sprechen müssen“, heißt es. In manchen Regionen wie im nordfranzösischen Département Somme seien nur noch Abgeordnete der radikal linken „Insoumis“ und des rechtsextremen Rassemblement National vertreten. „Wenn wir dort nicht mit den Extremen reden, reden wir mit niemandem mehr.“ Der Verband unterscheidet offenbar nicht zwischen den linken „Insoumis“ – und den Rechtspopulisten. „Es sind beides Extreme.“

Viele Arbeitgeber verteufeln das Programm der linken Insoumis und die vor einem Jahr mit Grünen und Sozialdemokraten geschmiedete Volksfront stärker als das des Rassemblement National. Auch wenn die Volksfront kein revolutionäres, sondern eher ein klassisch sozialdemokratisches Programm verfolgt: höhere Steuern für Großverdiener, höhere Mindestlöhne und eine frühere Rente. Bardella und Le Pen hingegen versprechen niedrigere Steuern, was der Medef gefällt. Allerdings ist ihr Programm nicht durchgängig im Sinne der meisten Arbeitgeber: Die Rechtspopulisten wollen auch höhere Zölle für ausländische Waren und lehnen Freihandelsabkommen ab.

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