Die Linke-Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut wurde in einem Zug rassistisch beleidigt und körperlich angegriffen, mutmaßlich von Fans des VfB Stuttgart. Für ihre Verletzung am Kopf macht sie die rechte politische Debatte verantwortlich
Die Linke-Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut
Foto: Andi Weiland
Nach einer Wahlkampfveranstaltung der Linken in Heidelberg nahm die Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut den Zug nach Stuttgart – und geriet in eine Menge von Fußballfans. Nach rassistischen Pöbeleien kam es auch zum körperlichen Angriff, den Akbulut danach auf ihrem Instagram-Account öffentlich machte. Sie trug eine Verletzung an der Stirn davon.
der Freitag: Frau Akbulut, wie geht es Ihnen jetzt?
Gökay Akbulut: Den Umständen entsprechend gut, Danke. Ich stehe immer noch etwas unter Schock.
Erzählen Sie noch einmal: Wie ist es zu dem Angriff auf Ihre Person gekommen?
Ich war auf einer Wahlkampfveranstaltung in Heidelberg und habe abends den Intercity genommen, um nach Stuttgart zu fahren. Ich bin dann eingestiegen mit kleinem Koffer, Rolli und Rucksack. Der Zug war überfüllt von Fußballfans des VfB Stuttgart, da waren nur vereinzelt Frauen und andere Fahrgäste. Ansonsten waren das nur grölende Männer. Überall herrschte Partystimmung.
Wann kippte die Stimmung gegen Sie?
Es ging sofort los, als ich eingestiegen bin. Sexistische und rassistische Äußerungen wie: „Wo kommt die denn hier?”, „Ausländer raus!”, oder „nur die AfD”. Ich wurde angetatscht. Daraufhin wechselte ich den Wagen, doch auch dort ging es weiter. Als ich einen Platz gefunden hatte, saßen hinter mir zehn oder zwölf Männer. Eine Dame neben mir hat dann die Männer gebeten, doch bitte das rassistische Gegröle zu unterlassen. Aber wir wurden gar nicht ernst genommen. Die haben einfach weitergemacht. Die Fahrt dauerte noch 40 Minuten. Als der Zug in Stuttgart eingefahren ist, bin ich aufgestanden, wollte meine Sachen packen.
Und dann?
Ich habe dann die Glastür des Zuges geöffnet und die Männer fotografiert. Ich habe ihnen gesagt, dass das alles nicht geht, dass das rassistisch sei. Das Gegröle ging allerdings weiter und ich war wütend. Und daraufhin – und damit habe ich überhaupt nicht gerechnet – hat einer der Männer einfach eine große Bierflasche genommen und mir gegen den Kopf geworfen. Ich konnte noch etwas ausweichen und mich so retten. Aber hatte trotzdem eine Verletzung an der Stirn und stand natürlich dann unter Schock.
Haben Sie Anzeige erstattet?
Ja, ich habe nach dem Vorfall die Polizei gerufen und Anzeige erstattet wegen Körperverletzung.
Zuletzt wurde ihr Parteikollege Nam Duy Ngyuen, Landtagsabgeordneter der Linken in Sachsen, mutmaßlich von der Polizei am Rande von Protesten gegen den AfD-Parteitag in Riesa niedergeschlagen.
Ja, die politische Stimmung im Moment ist eine Katastrophe.
Müssen sich Politiker mit Migrationshintergrund an solche Szenarien gewöhnen?
Dieser völkische Nationalismus ist überall. Dabei wussten die Angreifer zunächst nicht einmal, dass ich Abgeordnete bin. Die politische Debatte ist einfach beängstigend.
Sie meinen, die politische Debatte über die Tat von Aschaffenburg und die Asylrechtsverschärfungen begünstigen rassistische Übergriffe?
Wenn die politische Stimmungsmache gegen Migrantinnen so weitergeht, dann werden solche Fälle zunehmen. Es ist schon Alltag für viele Migrantinnen. Die Unsicherheit ist sehr groß in den migrantischen Communitys, mit denen ich zusammenarbeite, die auch tagtäglich von Rassismus berichten. Und wenn die Stimmungsmache auf Seiten der Politik so weitergeht, dann werden solche Übergriffe ebenfalls zunehmen.
Welche politischen Maßnahmen könnten denn ergriffen werden, um die Situation in Deutschland zu beruhigen?
Für die sicherheitspolitischen Fragen muss eine vernünftige Politik entwickelt werden – und nicht weitere Stimmungsmache. Die Frage von Sicherheit geht aber weiter, auch im Kleinen: Frauen müssen sich nach Fußballspielen sicher fühlen, auch in vollen Zügen. Das kann einfach nicht sein, dass diese rechten Gruppierungen sich so aufführen können. Da muss mehr Personal auf Seiten der Bahn organisiert werden, gerade bei solchen Spielen. Und dann geht es natürlich auch darum, dass Vereine wie der VfB klare Kante zeigen und solche Vorfälle ernst nehmen. Rassismus und Sexismus müssen in den eigenen Reihen einfach bekämpft werden.
Gerade läuft der Wahlkampf auch Hochtouren. Wie geht es nach dem Angriff bei Ihnen jetzt weiter?
Mein Kreisverband hat mir die nötige Unterstützung angeboten. Ich muss jetzt meinen Wahlkampf in meinem Wahlkreis noch mal überdenken. Wo ich hingehe und dann eben immer mit Begleitung. Also alleine werde ich sicherlich jetzt die nächsten Wochen nicht mehr unterwegs sein.