Grünenchef Felix Banaszak hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) einen fatalen Mangel an Selbstkritik in seiner Bundestagsrede zur Vertrauensfrage vorgeworfen. „Ich meine, wenn man nach drei Jahren es nicht mehr schafft, eine Regierung zusammenzuhalten und dann mit einem Selbstbewusstsein vors Plenum tritt, als hätte man alles richtig gemacht und als würde es nur darum gehen, genau das Gleiche weiterzumachen, dann sendet man doch das Signal an die Menschen in diesem Land: Wir haben nichts von dem verstanden und mitbekommen, was auch es an Kritik gab“, sagte Banaszak dem Sender RTL. Die Grünen dagegen würden lieber zeigen, dass sie aus den Debatten der letzten Jahre gelernt hätten.
Dobrindt spricht von „verdammt selbstgerechter Rede“
Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hielt Scholz fehlende Selbstkritik vor. „Das war eine verdammt selbstgerechte Rede“, sagte Dobrindt im Bundestag. Es sei geradezu grotesk, dass Scholz sich erneut zur Wahl stelle. Wer eine Koalition nicht zusammenhalten könne, könne auch das Land nicht zusammenhalten.
Oppositionsführer Friedrich Merz warf dem Bundeskanzler mangelnde Achtung vor. Scholz fordere zwar Respekt ein, bei ihm selbst höre dieser aber auf, „wo es andere politische Meinungen gibt“, sagte der CDU/CSU-Fraktionschef im Bundestag. Denn so wie der Kanzler die FDP und deren Vorsitzenden Christian Lindner adressiert habe, „das ist nicht nur respektlos, sondern es ist eine blanke Unverschämtheit“, sagte Merz.
Kubicki spricht von „bodenloser Unverschämtheit“
Bei seiner Erklärung zur Vertrauensfrage hatte Scholz in Anspielung auf das aus seiner Sicht destruktive Verhalten der FDP innerhalb der Ampelkoalition gesagt: „In eine Regierung einzutreten, dafür braucht es die nötige sittliche Reife.“
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki wies die Äußerungen als unverschämt zurück. „Dass ich mir von Olaf Scholz sagen lassen muss, ich sei nicht sittlich reif für eine Regierung, halte ich für eine so bodenlose Unverschämtheit, dass ich nur sagen kann: Diese Sozialdemokraten unter Olaf Scholz haben es nicht verdient, mehr als 16 Prozent zu bekommen“, sagte Kubicki der Nachrichtenagentur dpa.
FDP-Chef Christian Lindner hatte dies im Plenum gekontert, indem er im Zusammenhang mit Scholz einen Karnevalsvergleich bemühte: „Der Prinz Karneval, der kann am Rosenmontag Kamelle verteilen, um populär zu werden. Aber die Bundesrepublik Deutschland darf so nicht regiert werden.“
Wagenknecht hätte Entschuldigung von Scholz erwartet
Sahra Wagenknecht (BSW) sprach vom „unrühmlichen Ende“ einer Regierung, die das Leben der Menschen spürbar verschlechtert habe. Statt sich bei den Bürgern dafür zu entschuldigen, habe Scholz vor der Vertrauensfrage im Bundestag eine Wahlkampfrede abgespult. „Drei Jahre Abstieg unseres Landes, und Sie bitten um vier Jahre Verlängerung. Das muss man erst mal bringen.“
Nach der gescheiterten Vertrauensabstimmung ist Scholz nicht mehr Kanzler einer rot-grünen Minderheitsregierung, sondern nur noch geschäftsführender Regierungschef. Allerdings bleiben sowohl Regierung als auch Bundestag in der Übergangsphase bis zur Bildung einer neuen Regierung weiter voll funktionsfähig.