Rangehen oder wegstemmen? So reagieren Sie richtig, wenn jener Chef an Weihnachten anruft

Fast alle Deutschen haben über die Weihnachtsfeiertage frei. Gleichzeitig sind die meisten von ihnen während des Urlaubs für den Arbeitgeber erreichbar. Doch ist das Pflicht? Eine Anwältin klärt auf.

Der liebste Feiertag der Deutschen? Natürlich einer, an dem fast alle freihaben. In Umfragen geben die meisten Menschen in der Bundesrepublik an, den ersten Weihnachtstag besonders zu mögen. Ein Tag, an dem jedes Jahr weit über 90 Prozent aller Erwerbstätigen nicht arbeiten muss, wie eine Umfrage des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts aus dem Jahr 2024 zeigt. Allerdings: Auch an einem der beliebtesten Feiertage des Jahres sind immer mehr Deutsche dazu bereit, sich für den Job einzusetzen.

Der Digitalverband Bitkom erhebt jedes Jahr Zahlen zur „Erreichbarkeit im Urlaub“, den Anteil der Beschäftigten, die trotz freier Tage ans Telefon gehen, E-Mails lesen oder sich beruflich per WhatsApp-Nachricht kontaktieren lassen. Im Sommer sagten 67 Prozent der Beschäftigten in einer repräsentativen Umfrage, dass sie auch in der arbeitsfreien Zeit fürs Büro zu erreichen wären. Müssten sie das?

Muss ich an Weihnachten erreichbar sein?

Rechtlich ist die Lage klar. „Nein“, sagt die Fachanwältin für Arbeitsrecht Nicole Mutschke auf WELT-Anfrage. Die Expertin weiß, worauf in solchen Fällen zu achten ist und auf welche Details es ankommt. Mutschke stellt klar: „Arbeitnehmer dürfen im Rahmen des gesetzlichen Mindesturlaubs nur im Notfall kontaktiert werden.“

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Zu solchen Ausnahmen kommt es allerdings immer wieder. Zulässig seien die Anrufe aus der Firma zum Beispiel dann, wenn die Urlauber über spezielles Wissen, wie ein bestimmtes Passwort verfügten, das für den ungestörten Betriebsablauf gebraucht wird. Für einige Beschäftigte gäbe es auch Sonderregelungen an zusätzlichen freien Tage, die über den gesetzlichen Mindestanspruch hinausgehen. An Feiertagen gelte allerdings grundsätzlich die strengere Regel.

Darf der Chef mich aus dem Urlaub zurückholen?

Doch was tun, wenn der Chef trotzdem anruft – oder verlangt, den einmal genommenen Urlaub abzusagen? Per Arbeitszeitgesetz ist in Deutschland genau geregelt, was für Beschäftigte und Firmen an Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern, dem Feierabend oder im Urlaub gilt. Festgeschrieben ist dort auch, wer überhaupt arbeiten darf. Abweichungen gibt es zum Beispiel für Beschäftigte in Jobs, ohne die es auch an Feiertagen nicht geht. Etwa in der kritischen Infrastruktur, im Rettungsdienst, der öffentlichen Sicherheit oder auch in Gaststätten, wie Mutschke sagt. Hier sei es üblich, auch dann arbeiten zu müssen, wenn andere gerade freihaben.

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Wer sich allerdings Urlaub genommen hat, steht bereits unter einem bestimmten juristischen Schutz und kann nicht einfach so wieder ins Büro zurückgeholt werden. „Wurde der Urlaub einmal genehmigt, muss sich der Chef auch daran halten“, sagt Mutschke. Wenn der Urlaub schon begonnen hat, gestalte sich der Widerruf juristisch „extrem schwierig“, sagt Mutschke. Es bedürfte dann eines „absoluten Ausnahmefalls“.

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Was zählt dazu? Ein Ausnahmefall liege „wirklich nur dann vor, wenn gewissermaßen die Existenz des Betriebes auf dem Spiel steht und nur der konkrete Arbeitnehmer Abhilfe schaffen kann“, sagt Mutschke. Wer dann möglicherweise sogar von einem Urlaubsziel abreist, hat außerdem weitreichendere Ansprüche. „Natürlich muss der Arbeitgeber dann in jedem Fall dem Mitarbeiter alle Unkosten, wie Flugkosten erstatten.“

Muss der Chef meinen Urlaub immer genehmigen?

Schon vor dem Start in die freien Tage kann es zu Streit mit der Firma kommen. Zum Beispiel, wenn – wie zu den großen Feiertagen – viele Arbeitnehmer freihaben wollen. Aber: Nur, weil viele Kollegen ebenfalls nicht arbeiten wollen, kann der Chef den Urlaub nicht ablehnen. Die Wünsche des Arbeitnehmers seien dabei zu berücksichtigen.

Aber: „Die Lage des Urlaubs darf grundsätzlich der Arbeitgeber bestimmen“, sagt Anwältin Mutschke. „Wenn nun Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, zum Beispiel weil der Kollege Kinder hat, dann kann und muss der Chef auch mal einen Urlaubsantrag ablehnen.“

Wer sich selbst freigibt oder einfach nicht zur Arbeit erscheint, riskiert dabei übrigens seinen Job: „Hier droht eine Abmahnung und im schlimmsten Fall sogar eine Kündigung.“ Wehren könne man sich gegen einen solchen Bescheid vom Chef zwar, sagt Mutschke. „Die Entscheidung des Arbeitgebers, mir keinen Urlaub zu gewähren, kann ich als Arbeitnehmer gerichtlich überprüfen lassen. Wenn die Zeit drängt, ist sogar ein Eilverfahren möglich.“ Besser ist allerdings wohl, einfach noch einmal mit dem Chef zu sprechen – vor den Feiertagen.

Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.

Felix Seifert ist Redakteur im Ressort Wirtschaft und Innovation. Er schreibt unter anderem über die Themen Karriere, Verbraucher, den Standort Deutschland, Mittelstand und Immobilien.

Source: welt.de

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