Protest gegen Macron: „Bloquons tout“ macht vielen jungen Franzosen richtig Spaß

Nach dem Sturz des französischen Premierministers und der eiligen Ernennung eines neuen hat sich in Frankreich die Straße zu Wort gemeldet. Eine Viertelmillion Menschen zog es zum Protest gegen das Regime Macron. Spontan und kreativ


Landesweite Proteste in Frankreich: Demonstranten blockieren Straßen in Paris (10. September 2025)

Foto: NurPhoto/Imago Images


Es war einer dieser Tage, an dem sich die Ereignisse derart überschlagen, dass die Dauernachrichtensender ihre Bildschirme dreiteilen, um zeitgleich von mehreren Orten zu berichten. Und so sah man am 10. September gegen 13 Uhr, wie ein ziemlich kraftloser Ex-Premier, François Bayrou, dem neuen, Sébastien Lecornu, im Innenhof des Palais Bourbon, feierlich und inmitten von Anzugträgern, aufmunternd die Hand reichte.

Daneben liefen Bilder von schwer bewaffneten Polizisten und Gendarmen, die versuchten, auf der Pariser Stadtautobahn Demonstranten davon abzuhalten, die Zufahrten zu blockieren.

Nach der Devise „Bloquons tout!“ (Lasst uns alles blockieren!) hatten Teile der Gewerkschaften, der linken Parteien und verschiedenste Aktionsgruppen dazu aufgerufen, an diesem Tag ihre Ablehnung gegen die Politik der inzwischen sehr kurzlebigen Macron-Regierungen zum Ausdruck zu bringen. Dass mit Lecornu nun wieder ein Mitte-Rechts-Politiker und Macron-Getreuer das Ruder herumreißen und die nicht vorhandenen Mehrheiten im Parlament aus dem Hut zaubern soll, hat die Wut auf den Straßen noch angeheizt. Hier will man vor allem eins: Macron à la poubelle! Ab in die Mülltonne mit dem Präsidenten!

Jean-Luc Mélenchon warnt vor dem Innenminister

Mülltonnen waren dann auch ein wichtiger Teil der zumeist spontan errichteten Blockaden, die schon in den frühen Morgenstunden vor Busdepots und Mülldeponien begannen. Weil sich in den vergangenen Wochen und Tagen erkennbar etwas zusammenbraute, ließ Innenminister Bruno Retailleau landesweit 80.000 Gendarmen und Polizisten mobilisieren. Begründung: Wie bei den Gelbwesten müsse der Staat Stärke zeigen. In seinen Augen habe das Ganze nichts mit einer Volksbewegung zu tun, ließ er wissen. „Die Ultralinke hat durch den Einfluss der Partei La France Insoumise die Bewegung beschlagnahmt, verfälscht.“

LFI-Gründer und Führungsfigur Jean-Luc Mélenchon seinerseits bat seine Anhänger auf X darum, vorsichtig zu sein. „Retailleau will, dass es zu Zwischenfällen kommt. Vorsicht, er liebt die Repression, und er möchte, dass in den Nachrichten Bilder von Gewalt gezeigt werden.“

Wer in den Straßen unterwegs war, ob in Paris, in Nantes, Rennes, Bordeaux, Marseille oder Lyon, der hatte vor allem das Gefühl von etwas Neuem. Es herrschte eine andere Stimmung als bei den ritualisierten Protesten, den großen, vorhersehbaren Demonstrationen wie zum ersten Mai. Viele kleine Gruppen, die sich auf Telegram oder WhatsApp gefunden hatten, tauschten über Stunden Informationen aus: ob alleinerziehende Mütter, feministische, antifaschistische oder queere Vereine, Schüler und Schülerinnen, die den Unterricht lahmlegten. Kurz und gut, der Protest war spontan, kreativ und so unvorhersehbar.

Marine Le Pen und ihre Partei hüllten sich in Schweigen

Ein Potpourri aus vielen kleinen, ständig wechselnden Aktionen, so dass es selbst für die gefürchteten, mobilen Einsatztruppen, die BRAV, die als besonders gewalttätig gelten, kaum möglich war, auf ihren Motorrollern zu folgen. Die Spontanität erinnerte an die „Gelbwesten“, aber letztlich waren hauptsächlich Anhänger linker Parteien gekommen. Seinerzeit, bei den „Gilets Jaunes“ spielte die Musik überall im Land, an blockierten Kreisverkehren, wo auch viele wenig protesterfahrene Franzosen aus der sogenannten „Peripherie“, den städtischen Randgebieten, dabei waren: Arbeiter, kleine Geschäftsleute, schichten- und altersübergreifend, auch über ideologische Grenzen hinweg, eine wirkliche Bürgerbewegung.

Was diesen 10. September 2025 anging, hüllten sich Marine Le Pen und ihre so stark gewordene Partei Rassemblement National (RN) in auffälliges Schweigen. Auch das erklärt, warum sich einige Teile der Bevölkerung – trotz ihrer Ablehnung von Macron und seiner Politik – nicht von den als ultralinks bezeichneten Protesten angezogen fühlten.

Am Ende des Tages war von rund 350 Festnahmen die Rede. Es sollen landesweit 250.000 Menschen an Aktionen beteiligt gewesen sein, Polizei und Demonstranten werfen sich (wie immer) gegenseitig vor, schuld an gewalttätigen Ausschreitungen gewesen zu sein. Eines ist sicher: „Bloquons tout!“ hat vielen, gerade jungen Leuten, richtig Spaß gemacht, weil es unkonventionell und ausgelassen zuging und man jede noch so kleine Blockade als Erfolg feiern konnte. Viele sehen darin erst den Anfang. Wenn am 18. September die großen Gewerkschaften, besonders den Verkehrssektor, bestreiken wollen, sind sie wieder dabei. In ihren Herzen wachsen gerade ein Gefühl der Stärke und der Wunsch, dass für die Anzugsträger im Parlament und in den Ministerien, die Stimme des Volkes wieder zählt.

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