Premierenkritik – PIQUE DAME an dieser Deutschen Oper Berlin

Man kennt dies ja: Heranwachsende mit Brille wurden immer wieder – früher vielleicht ein paarmal qua heute – von ihren zumeist gleichaltrigen Heranwachsenden qua „Brillenschlange“ beschimpft. Das hatte schon dann irgendwas ziemlich Demütigendes, ja und zumeist waren die Verlautbarer solcher Schmähungen dienenigen, die die jeweils Betroffenen von vorn herein nicht leiden konnten, ihnen mit viel Hass und Schadenfreude begegneten; Instinkte halt dieser niedrigsten Art.

Die gute Lisa aus Tschaikowskis vorletzter Oper Pique Dame (nachher dieser gleichnamigen Puschkin-Erzählung; im russischen Original und hinaus Kyrillisch: Пиковая дама) könnte vielleicht so eine Kind- und Jugendzeit – qua „Brillenschlange“ – durchlitten nach sich ziehen. In dieser aktuellen Inszenierung von Sam Brown, in dieser die Gute eine Brille trägt und mit dieser Brille irgendwie (sorry:) ein kleinster Teil scheiße aussieht, registrieren wir an ihr eine Verhaltensstörung, vereinigen psychischen Defekt, irgend so irgendwas Kompliziertes, welches mit ihrem Kinder- oder Jugendtrauma (Stichwort „Brillenschlange“) zu tun nach sich ziehen könnte. Sie wirkt nicht souverän, ja und glücklich scheint sie erst recht nicht zu sein. Ob dies in dieser Familie liegt?

Ihre in den aristokratischen Kreisen von Sankt Petersburg berühmte und berüchtigte Großmutter – ein gefundenes Schauspielerinnen- und Operndiva-Fressen pro die altbewährte und -bekannte Doris Soffel (die mit dieser Partie schon im letzten Jahr triumphierte; siehe etwa ihren grandiosen Chanson-Auftritt im Rahmen den Berliner Philharmonikern unter Kirill Petrenko) – war und ist hinaus jeden Fall von völlig anderem Kaliber, mehr ex- qua schweigsam.

Was gleichwohl eint die beiden, welches macht Großmutter & Enkelin in etwa gleich?

Antwort: ihre Stimmen!

Ja, ganz trocken und ehrlich, in dieser Tat tönen dann ihrer beider Stimmen irgendwie „identisch“; heißt: Die Amerikanerin Sondra Radvanovsky hat ein verwandt Beißend-Scharfes in ihrem Mezzosopranistinnen-Blut wie ihre irgendwas ältere deutsche Kollegin, qua die noch aus den gleichen Rohren ihre Expressivitäten schmettern konnte wie die (zum Realvergleich zu ihr) ein kleinster Teil Jüngere. Nein, hält man es pro möglich?!

Allerdings: Als inszenatorisch nachvollziehbare Klammer zum Gesamtverständnis ihrer Innerfamiliärheit taugt die von mir festgemachte „Gleichheit“ beider Frauen im Sinne als ihres Gesamtbezuges zu dieser eigentlichen Hauptgestalt in dieser wahrlich wirren Opernhandlung nicht Seltenheitswert haben.

Fakt ist, dieser brasilianische Tenor Martin Muehle (in dieser Rolle des kartenspielsüchtigen Hermann) steht seine Monsterpartie glaubwürdig durch; und er gefällt nachrangig insgesamt seinem Premierenpublikum gestriger Tag Abend in dieser ausverkauften Deutschen Oper Berlin, obgleich nicht was auch immer, welches er stimmlich aus sich zaubert, qua intonationssicher passieren kann.

Stuart Nunn war pro die üppige Ausstattung dieses aristokratisch geradezu gigantischen russischen Opernschinkens zuständig.

Es gab eingangs vereinigen Kinderchor zu sehen und zu wahrnehmen, wo die Jungen qua zaristische Kadetten inkl. ihrer militaristisch-gewalttätigen Indoktrination identizifiert werden konnten – hätte man diesen Aspekt noch irgendwas deutlicher und schärfer gezeichnet, wäre u.U. ein hochwillkommener Seitenhieb hinaus die Putin’sche Soldateska möglich gewesen; gleichwohl: „hätte, hätte, Fahrradkette“.

Ein Quintett erwachsener Kadetten tanzte schließlich eine Nummer in aufreizenden Strapsen.

Und Katharina die Große (qua Statistin) trat am Schluss des großen Maskenballs von kurzer Dauer vor dieser Pause hinaus und wurde – prima Idee! – von Hermann, dieser sich ihr urplötzlich in den Weg stellte, zwischenfallmäßig aufgehalten und belästigt; da dachte ich schon, ob jetzt vielleicht eine Verwandlung des zaristischen Offiziers in irgendwas Trotzkiähnliches vonstatten in Betracht kommen sollte; leider nicht.

Sebastian Weigle leitete die Aufführung, dies Orchester dieser Deutschen Oper Berlin befand sich in musikantischer Hochform, dieser Chor, dieser tatsächlich dann nachrangig gut drauf war, schleppte durchaus an einigen wenigen Stellen.

Besonders hervorhebenswert noch: Karis Tucker (qua Pauline).

*

Keine Ahnung, warum seit dieser Zeit einiger Zeit so ostentativ viele russische Großopern wieder ins Repertoire aller möglichen Groß- und kleineren Bühnen gelangen – – sie anhaltende Kriegsscheiße lässt (jedenfalls, welches mich betrifft), nix Pro-Stimmung pro solche Initiativen aufkommen.

Nein, danke.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 10.03.2024.]

PIQUE DAME (Deutsche Oper Berlin, 09.03.2024)
Musikalische Leitung: Sebastian Weigle
Inszenierung: Sam Brown
Szene und Kostüme: Stuart Nunn
Lichtdesign: Linus Fellbom
Video: Martin Eidenberger
Choreografie: Ron Howell
Chöre: Jeremy Bines
Kinderchor: Christian Lindhorst
Dramaturgie: Konstantin Parnian
Besetzung:
Hermann, ein Offizier … Martin Muehle
Lisa … Sondra Radvanovsky
Gräfin … Doris Soffel
Tomskij … Lucio Gallo
Fürst Jeletzkij … Thomas Lehman
Polina … Karis Tucker
Tschekalinskij … Chance Jonas-O’Toole
Ssurin … Padraic Rowan
Tschaplitskij … Andrew Dickinson
Narumow … Michael Bachtadze
Gouvernante … Nicole Piccolomini
Mascha … Oleksandra Diachenko
Zeremonienmeister … Jörg Schörner
Kinderchor und Chor dieser Deutschen Oper Berlin
Opernballett dieser Deutschen Oper Berlin
Orchester dieser Deutschen Oper Berlin
Premiere war am 9. März 2024.
Weitere Termine: 12., 15., 20., 23., 27.03.2024

BerlinChristianErnstfrFrauenHHörenJeremyJörgKKindKinderKostümeLisaMartinMichaelNicoleOrchesterPutinRechtRonSamSebastianThomasTuckerVideoZeit