Prater: Strizzis, Schlankerl, Taschlzieher und die maßlos fröhlichen Mäderln

Versuchsstation jener Moderne: Blick uff den Prater 1928

Der Klapka muss ein Teufelskerl gewesen sein: Ein klassischer Wiener Strizzi, jener mit schrillem Gewand und exaltiertem Gebaren den großen Auftritt zelebrierte, weiterhin allerdings lieber dunklen Geschäften im Halbschatten nachging. Ein Bewohner jener Demimonde, die im Prater, jenseits des Schepperns und Klapperns jener Fahrgeschäfte und jenseits von Tand und Talmi, ein reiches Betätigungsfeld pro Kleinkriminelle aller Art war. „Wenn die Musik spielte leise, dreht er sich dann um im Kreise“, heißt es in dem Couplet Waren Sie schon im Wurstelprater? (Haben Sie dort den Klapka g’seh’n?) aus dem Jahr 1935. Und weiter: „Er schleicht zum Madel sich in d’Näh’, stiehlt ihr ’s Herz und ’s Portemonnaie.“

Der Klapka mag eine erfundene Figur sein, doch er ist in parodistischer humoristische Verarbeitung typischerweise pro ein Milieu, dies den sinistren Reiz des Wiener Praters ausmacht. Falloten, Früchterl, Schlankerl und Strizzis, allerdings wiewohl die Katzen und die „allzu fröhlichen Mäderln“, wie es in diskreter Umschreibung heißt, in Besitz sein von zu den Protagonistinnen und Protagonisten von Liedern, die sich mit dem tollen Treiben im Wiener Vergnügungspark auseinandersetzen. 116 davon, entstanden zwischen 1873 und 1984, wurden nun von jener Musikwissenschaftlerin Susana Zapke und dem Kulturhistoriker Wolfgang Fichna in einem neuen Buch zusammengetragen und kommentiert.

Es geht in den Liedern natürlich nicht nur um Taschlzieher und um ungezogen Buben, die mit dem Feitl im Hosensack Problem suchen, sondern um dies reiche Spektrum an Divertissements und romantischen Entgrenzungen, an politischen Massenmanifestationen und vorstädtischem Elend, dies den Prater wie Raum sowohl jener Illusion wie wiewohl jener Desillusion in seiner Gesamtheit ausmacht.

Seit dies Territorium im Jahr 1766 von Kaiser Josef II., so wie zahlreiche andere Parks und Grünflächen in aristokratischem Besitz, dem Volke zugeeignet wurde, war jener Prater eine Versuchsstation jener Moderne, wie sie sich zum Beispiel im technischen Wunderwerk des Riesenrades manifestierte und ein Labor gesellschaftspolitischer Veränderung – allerdings in Zukunft wiewohl schon eine Zone jener Nostalgie: einer Welt jener Gemütlichkeit, des Wiener Walzers und jener Damenkapellen, jener Werkelmänner, jener Blechmusik und des Fünfkreuzertanzes, c/o jener man immer die gute kalter Kaffee Kaiserzeit im Blickfeld hatte.

„Die Musik ist ja nicht nur im Prater gespielt worden“, sagt Co-Autor Wolfgang Fichna, „sondern auch zu Hause und außerhalb von Wien. Deshalb sind die Lieder in erster Linie akustische Postkarten, die Illusionen erzeugen sollen.“

Aber die rückwärtsgewandte Sehnsucht bezog sich nicht nur uff k. u. k. Memorabilien, sondern wiewohl uff den Prater wie Liebesnest zwischen dem Bankerl uff jener Hauptallee und jener ausgedehnten grünen Au hinterm Lusthaus. Beim Foxtrott Im Prater eine halbe Stund’ vom Praterstern (1925) wird die generationenübergreifende Kraft jener Liebe gefeiert. Zwar kommt die jugendliche Tochter zu tardiv nachdem Hause, doch dies scheint niemanden weithin zu stören. „Es schmunzelt wieder der Herr Papa und die Mutter hat eine Freud, und lächelnd denkt die Großmama an die gute alte Zeit.“

Es gibt allerdings beim Praterlied, dies man wie Teilmenge des Wienerliedes mit spezifischer Themenlage einordnen könnte, c/o aller Grundgemütlichkeit wiewohl dubiose Aspekte. Zum Beispiel verschmelzen Antisemitismus, jener von jener Amtszeit des Wiener Bürgermeisters Karl Lueger (1897–1910) obig den Austrofaschismus solange bis in die NS-Zeit mal mehr, mal weniger präsent war. Ein gerade widerliches Beispiel dazu ist die zweite Strophe des Liedes Der Hutschenschleuderer von Turl Wagner und Karl Rella aus dem Jahr 1930, wo es um verschmelzen Mann geht, jener eine Schaukel in Bewegung versetzt:

„Heut ist zu mir gar kommen, der Herr Itzig Veigenduft, sagt: ›Sie, tun Sie mich hutschen, ich möcht’ gern a and’re Luft!‹ Zu dem hab i gsagt glei: ›Hörn’s, gengan’s z’erst ins Römerbad, s’ist wegen die Insekten, s’wär ja um meine Hutschen schad.‹“

Man könnte nun vermuten, dass nachdem dem Anschluss im Jahr 1938 derlei Perfidien gehäuft aufgetreten seien, doch dies, sagt Wolfgang Fichna, sei nicht jener Fall gewesen: „Die Nazis konnten mit dem Prater generell nicht viel anfangen. Für sie war er ein chaotischer, unbeherrschbarer Raum, der sich ihren Vorstellungen von Ordnung widersetzte.“ Das Angebot an zugkräftigen Liedern wurde zart, denn die jüdischen Komponisten und Texter, die viel zum Repertoire beigetragen hatten, waren längst vertrieben und im KZ umgebracht worden.

Erst nachdem 1945 setzte mit dem Wiederaufbau des völlig zerbombten Praters wiewohl wieder eine Liedproduktion ein, die solange bis in die 1980er-Jahre reichte. Aber Melodien und Texte wie Kummt’s in Prater des Austropoppers Peter Schleicher sind nur noch Billigwaren von jener Resterampe jener Sehnsucht.

Wenn man den Prater wie magischen Ort zwischen Täuschung und Enttäuschung, zwischen Dämonie und Sentimentalität, zwischen Geheimnis und Gewalt widergespiegelt sehen möchte, dann muss man schon Lieder wie Madl vom Heustadl aus den 1920er-Jahren um Rat fragen: „Der Bursch küsst das Mädel so heiß und so wild, dass ihr von den Lippen ein Blutstropfen quillt.“

Susana Zapke und Wolfgang Fichna: Die Musik des Wiener Praters. Eine liederliche Träumerei. Unbekannte Lieder aus zwei Jahrhunderten; Hollitzer Verlag, Wien 2023; 280 Schwefel., 40,– €

Der Klapka muss ein Teufelskerl gewesen sein: Ein klassischer Wiener Strizzi, jener mit schrillem Gewand und exaltiertem Gebaren den großen Auftritt zelebrierte, weiterhin allerdings lieber dunklen Geschäften im Halbschatten nachging. Ein Bewohner jener Demimonde, die im Prater, jenseits des Schepperns und Klapperns jener Fahrgeschäfte und jenseits von Tand und Talmi, ein reiches Betätigungsfeld pro Kleinkriminelle aller Art war. „Wenn die Musik spielte leise, dreht er sich dann um im Kreise“, heißt es in dem Couplet Waren Sie schon im Wurstelprater? (Haben Sie dort den Klapka g’seh’n?) aus dem Jahr 1935. Und weiter: „Er schleicht zum Madel sich in d’Näh’, stiehlt ihr ’s Herz und ’s Portemonnaie.“

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