Pop | Comeback-Album „Songs of a Lost World“: Robert Smith wie Trauerbegleiter

„Songs of a Lost World“ – klingt nach Musik für Boomer? Das neue Album von The Cure ist ihr bestes seit Jahrzehnten


Robert Smith ist Frontmann der britischen Band „The Cure“

Foto: Mariano Regidor/Redferns


Wenn es mir als Teenager mal schlecht ging, die Freundin weg war oder die Welt mich nicht mehr verstand, war The Cure stets zuverlässig zur Stelle. „Boys don’t cry“, sang Robert Smith und erzählte von seiner eigenen Traurigkeit und dem Weltschmerz, der ihn seit den späten 1970ern umweht wie ein zerschlissener Trauerflor. The Cure vertonte Camus’ Der Fremde (mit Killing an Arab), war aber nie so existenzialistisch und verloren wie Joy Division, deren Sänger Ian Curtis sich 1980 umbrachte.

Mit verschmiertem Lippenstift, hochtoupierter Langhaarfrisur und reichlich Kajal um die Augen inspirierte Robert Smith den Look von Generationen von Gothic-Kids. Ein dezent depressiver Paradiesvogel, der von britischen Pop-Journalisten schon früh als „Fat Bob“ gehänselt wurde; Paul Weller bezeichnete Smith 2022 sogar als „fette Fotze mit Lippenstift“. Wer wäre da nicht erst recht auf der Seite des Cure-Sängers? Dazu die vielen hochmelodischen Hits, die The Cure seit 1979 unermüdlich produziert, Songs wie The Lovecats oder Friday I’m in Love. Ist halt nur schon eine ganze Weile her – 4:13 Dream, das letzte Studioalbum, erschien vor 16 Jahren.

Die Single Alone war vor einigen Wochen dann ein erstes Lebenszeichen – auch wenn der Song vom Sterben handelt: „This is the end of every song that we sing / The fire burned out to ash and the stars grow dim with tears“, singt Smith, der seit der Veröffentlichung von 4:13 Dream Mutter, Vater und Bruder beerdigt hat. Songs of a Lost World ist deshalb ein passender Titel für ein Album, das oft an die zerklüftete Düsternis des Cure-Klassikers Pornography erinnert. „Es gibt immer wieder Momente, in denen ich von dem Gefühl überwältigt werde, sehr verloren, sehr allein, sehr nah am Ende zu sein“, sagt Robert Smith über Alone, das das Album wie eine cineastische Ouvertüre eröffnet.

Ganz taufrisch sind die acht langen, bei Konzerten zum Teil bereits live gespielten Stücke nicht. Endsong entstand 2019, als Robert Smith seinen 60. Geburtstag feierte und die erste Mondlandung sich zum 50. Mal jährte. Ja, die Zeiten ändern sich, denkt man, während schwere Trommeln und nebelverhangene Synthie-Akkorde durch die Gehörgänge ziehen; erst nach über sechs Minuten setzt der klagend melancholische Gesang ein. Es geht um die Endlichkeit des Lebens, das Älterwerden in einer zunehmend dystopisch aus dem Ruder laufenden Welt. „Wenn ich draußen bin und zum Mond hinaufschaue, fühle ich mich noch genau so, wie ich es tat, als ich zehn war“, erklärt Smith. „Aber ich weiß, dass die Welt unter meinen Füßen nicht mehr dieselbe ist wie damals, und ich weiß, dass ich es selbst auch nicht mehr bin.“

Es ist ein tief empfundener Weltschmerz, der die sehr gelungenen Stücke von Songs of a Lost World miteinander verbindet, immer nach dem Motto: „It’s all gone!“ Man könnte das als Musik für Boomer diskreditieren – aber hat The Cure überhaupt jemals jugendliche Euphorie und Sorglosigkeit versprüht? In Warsong fragt sich Smith, angesichts einer ewig scheiternden Beziehung, ob den rapide zunehmenden Kriegen nicht ein ähnliches Muster zugrunde liegt. Ob die Menschen so sind und einfach nicht in Frieden miteinander leben können. So viel Fin de Siècle war jedenfalls lange nicht mehr im Pop. Und das ist die gute Nachricht für alle, die an den krisenhaften Zeiten leiden: Auf ihrem besten Album seit Jahrzehnten präsentiert sich die Band wieder als bestmöglicher Trauerbegleiter.

Songs of a Lost World The Cure Polydor/ Universal

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