Polizei wirft Großfamilie nachher Geburt aus Klinik – Rassismusvorwürfe gegen Beamte

Eine Großfamilie will im Foyer der Uniklinik Köln die Geburt eines Kindes feiern. Anwesende fühlen sich gestört, die Klinik bittet die Familie zu gehen. Dann muss die Polizei anrücken. Ein Verein wirft den Beamten nun Rassismus vor und erstattet Anzeige.

Die Geburt eines Kindes ist für Eltern und Angehörige ein denkwürdiger Moment. Doch diese Niederkunft Anfang Dezember bleibt wohl auch den Anwesenden in der Uniklinik Köln noch lange im Gedächtnis. Eine Roma-Familie feierte die Geburt eines Kindes im Foyer der Uniklinik Köln und löste damit einen Polizeieinsatz aus. Das Ergebnis: Eine Beschwerde gegen die Uniklinik vom Verein Rom, der sich für Rechte von Sinti und Roma einsetzt, sowie Strafanzeige und Dienstbeschwerde beim Polizeipräsidium Köln.

Der Verein Rom, der auch Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband ist, hat den Fall publik gemacht. Der „Kölner Stadtanzeiger“ hat zuerst berichtet. In einer öffentlichen Mitteilung erklärt der Verein Rom, dass es am 5. Dezember im Foyer der Uniklinik zu „schwerwiegenden Vorfällen diskriminierender Behandlung durch Klinikpersonal sowie eingesetzte Polizeikräfte“ gegen eine 25-köpfige Roma-Familie gekommen sein soll.

Nach Angaben der Betroffenen, „der Familie S. mit insgesamt 25 Personen“, hätten die Angehörigen den Besuch der frisch entbundenen Mutter und ihres Neugeborenen mit einem gemeinsamen Essen im offenen Foyer des Klinikgebäudes verbinden wollen, schreibt der Verein. Dem habe der Betreiber des Klinik-Kiosks auch zugestimmt. Doch: „Kurz nach der Ankunft soll eine leitende Ärztin die Gruppe laut und ohne Begründung aufgefordert haben, das Gebäude zu verlassen, und unverzüglich die Polizei alarmiert haben.“

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Die betroffene Familie habe berichtet, die Polizeikräfte seien „ohne vorherige Klärung des Sachverhalts in scharfem Ton aufgetreten“, hätten keine Vorstellung ihrer Identitäten vorgenommen und die Mitglieder sofort gefragt, ob sie zu einer bekannten Roma-Großfamilie gehörten.

Die Familienmitglieder hätten zudem von „einschüchternden Maßnahmen“ berichtet, darunter der Einsatz großer Diensthunde. Auch sollen die Polizisten Aussagen getätigt haben, die von den Mitgliedern der Roma-Familie als „rassistisch und antiziganistisch“ empfunden worden seien. Bei Antiziganismus handelt es sich um eine spezielle Form des Rassismus, die sich gegen Sinti und Roma richtet.

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Der Verein behauptet weiter, dass die Familie den Beamten vorgehalten habe, dass ihr Vorgehen an die NS-Zeit erinnere. Daraufhin soll ein Polizist laut dem Verein gefragt haben: „Was war so schlecht im Nationalsozialismus?“

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Die Kinder „des Familienverbandes“ seien verängstigt gewesen und hätten die Klinik an den Folgetagen gemieden. Auch am darauffolgenden Tag seien Polizeikräfte im Empfangsbereich erschienen und sollen gefragt haben, ob „die [rassistische Fremdbezeichnung] wieder da gewesen seien und Stress gemacht hätten“, so der Vorwurf von Rom e.V..

In der Folge hat der Verein Strafanzeige und Dienstbeschwerde beim Polizeipräsidium Köln gestellt. Zudem sei die Melde- und Informationsstelle für Antiziganismus (MIA) verständigt und eine Beschwerde bei der Uniklinik eingereicht worden. „Der Fall ereignet sich zudem zu einem Zeitpunkt, in dem deutschlandweit intensiv darüber diskutiert wird, ob Polizei und Medien Nationalitäten oder Gruppenzugehörigkeiten routinemäßig nennen sollen“, beklagt der Verein.

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Die Klinik in Köln will sich auf Anfrage von WELT nicht zu dem Sachverhalt äußern. Gegenüber dem „Kölner Stadtanzeiger“ schilderte ein Sprecher die Situation aber anders. Demnach sei es zu mehreren Situationen gekommen, „die von Mitarbeitenden sowie von Patientinnen, Patienten und weiteren Besuchenden ‚als belastend‘ empfunden wurden“. Die Familie sei dann „wiederholt und in respektvoller Weise“ gebeten worden, die Hausordnung zu beachten.

Da sich die Situation trotz dieser Hinweise nicht entspannt habe, sei die Familie gebeten worden, den Foyerbereich der Klinik zu verlassen. Statt der Bitte zu folgen, sei es zu „angespannten Wortwechseln“ gekommen, weshalb die Polizei verständigt worden sei.

Polizei wertet Aufnahmen von Bodycams aus

Das Polizeipräsidium in Köln teilt auf WELT-Anfrage mit, dass durch den Einsatz in der Universitätsklinik vom 5. Dezember eine Strafanzeige vorliegt. Für die Aufklärung des Sachverhalts sei es nun erforderlich, Beteiligte und Zeugen zu vernehmen. „Bodycam-Aufzeichnungen vom Einsatz fließen ebenso wie die Stellungnahmen der eingesetzten Polizistinnen und Polizisten in die Ermittlungen ein“, so ein Sprecher. Mit Blick auf die noch ausstehenden Vernehmungen könnten derzeit keine Details zu den bisherigen Ermittlungen mitgeteilt werden.

Auch einen zweiten Einsatz am Folgetag in der Klinik bestätigt die Polizei. „Auch dieser Einsatz ist Gegenstand der aktuellen Nachbereitung und Ermittlungen.“

saha

Source: welt.de

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