Die schwedische Aktivistin Greta Thunberg wurde von der Dortmunder Polizei als gewaltbereit bezeichnet. Nun rudert die Behörde zurück – mit einer komplexen Definition kollektiver propalästinensischer Gewaltbereitschaft
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Die Dortmunder Polizei hat ihre zwischenzeitliche Bezeichnung der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg als „gewaltbereite Person“ neu erklärt. Thunbergs geplanter Besuch bei einem propalästinensischen Protestcamp am Dienstagabend sei vor dem Hintergrund der „jüngsten Ausschreitungen auf propalästinensischen Demonstrationen mit ihrer Teilnahme“ beurteilt worden, teilte die Polizei mit. Dabei sei „mit einer Emotionalisierung und Aufwiegelung des von Frau Thunberg angezogenen Personenkreises“ zu rechnen gewesen. Für das Protestcamp erließ die Polizei deshalb eine Verbotsverfügung, Thunberg kam nicht nach Dortmund.
Die Bezeichnung der 21-Jährigen als „gewaltbereite Person“ in einer Pressemitteilung habe man „im Anschluss an eine erneute polizeiliche Prüfung“ aber „konkretisiert“: „Nicht sie als Person ist gewaltbereit, ihr Einfluss auf die Versammlung kann zu gewalttätigen Handlungen gegen Personen und Eigentum führen“, erklärte die Polizei.
Greta Thunberg: Polizei bringt propalästinensische Aktivisten zum Schweigen
„Es bestand die konkrete Gefahr, dass antisemitische Straftaten begangen werden. Auch Gewalttaten wie in Berlin waren vorhersehbar“, argumentierte Polizeipräsident Gregor Lange. Durch die Anwesenheit Thunbergs und ihrer Sympathisanten „hätte sich der Charakter des bisher friedlichen Protestcamps maßgeblich gewandelt“, argumentierte der Polizeipräsident.
Thunberg hatte auf einer propalästinensischen Demonstration am 7. Oktober in Berlin teilgenommen, dem Jahrestag des antisemitischen Massakers der Hamas in Israel. Dass Proteste gegen den andauernden Gaza-Krieg ausgerechnet an diesem Tag stattfanden, war teils als pietätlos, teils als antisemitisch kritisiert worden. Es waren Flaschen, Böller und Steine auf die Polizei geworfen worden, die Polizei setzte Pfefferspray ein und beendete eine Veranstaltung in Berlin-Kreuzberg.
Thunberg selbst machte der Polizei auf X Vorwürfe. „Die Polizei sagte, sie würden mich verhaften, wenn ich dorthin gehen würde“, twitterte Thunberg am Mittwoch. „Und das nur, weil die Studierenden mich eingeladen hatten, auf ihrer Veranstaltung zu sprechen – und ich am Tag davor auf propalästinensischen Protesten in Berlin war, die die Polizei gestürmt hatte.“ Deutschland bedrohe Aktivisten und bringe Aktivisten zum Schweigen, die sich gegen den Genozid und die Besatzung in Palästina aussprechen, so die 21-Jährige in ihrer Videobotschaft.
Thunberg engagiert sich seit Beginn des Gaza-Krieges für die Palästinenser und spricht von einem beginnenden Genozid.