Polen-Feinstaub wabert weiterführend Deutschland

Polen-Feinstaub wabert weiterführend Deutschland

Die Luftqualität in Deutschland ist derzeit so schlecht wie seit Jahren nicht. Experten raten, wenn möglich, drinnenzubleiben. Ein Großteil des Smogs kommt aus Osteuropa – und dafür ist nicht nur eine besondere Wetterlage verantwortlich.

In der Bundesrepublik herrscht derzeit ziemlich schlechte Luft, die Qualität lässt in zahlreichen Regionen des Landes zu wünschen übrig. Das Umweltbundesamt warnt deshalb davor, joggen zu gehen: „Besser ist ein gemütlicher Spaziergang, anstatt zu joggen.“ Dabei bewege man sich, atme aber deutlich weniger schlechte Luft ein.

Auf den Übersichtskarten der Behörde ist Deutschland schon seit Sonntag fast ganz in Rot getaucht. Und das bedeutet: Mehr als 25 Mikrogramm Feinstaub befinden sich pro Kubikmeter in der Luft. Für den von Blau über Orange bis Braun-Rot reichenden Luftqualitäts-Index werden Konzentrationen der Luftschadstoffe Stickstoffdioxid, Ozon und Feinstaub gemessen. Während sich die Lage in Süddeutschland mittlerweile entspannt hat, ist die Luftbelastung in der Nordhälfte sogar noch gestiegen.

Stickstoffdioxid und Feinstaub seien typisch für den sogenannten Winter-Smog, erklärt Andreas Matzarakis gegenüber WELT. Er ist Professor für Bio- und Umwelt-Meteorologie an der Universität Freiburg. Ozon würde dagegen eher im Sommer entstehen, durch die Wechselwirkung von Stickoxiden, Kohlenwasserstoffen und Sonnenstrahlung.

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Besonders hoch sind derzeit die Feinstaubkonzentrationen. Dem Umweltbundesamt zufolge zeigen 19 Messtationen Werte über dem Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft an. Betroffen sind alle ostdeutschen Bundesländer sowie Niedersachsen, das nördliche Nordrhein-Westfalen, Nordhessen sowie Teile von Schleswig-Holstein. In höheren Lagen ist die Luft wohl tendenziell besser.

Feinstaub wird nach Größe der Partikel in Gruppen eingeteilt, akut beschreibt „PM2,5“ das Problem, damit werden Partikel bis zu einer Größe von 2,5 Mikrometern (Tausendstel Millimetern) bezeichnet. Gelangt Feinstaub durch Nase und Mund in die Lunge, können die Partikel je nach Größe die Lungenbläschen und den Blutkreislauf erreichen – und schädigen.

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Tatsächlich sei solcher Staub etwa fünfmal so schädlich wie beispielsweise Stickoxide, warnt der Umweltmeteorologe Andreas Matzarakis. „Wenn Sie nicht gerade mit dem Hund hinausmüssen oder wegen anderer Verpflichtungen nach draußen müssen, dann bleiben Sie heute drinnen.“ Wer zudem gesundheitlich vorbelastet sei, sollte körperliche Anstrengungen im Freien vermeiden, wenn die Luftqualität schlecht ist, also schon im „roten Bereich“ liege.

Feinstaub aus Polen

Im Jahr 2022 sind allein in Deutschland fast 100.000 Menschen an den Folgen von Luftverschmutzung gestorben. In sieben von zehn Fällen gilt Feinstaub als Ursache, für die anderen Fälle wird Stickstoffdioxid (NO2) verantwortlich gemacht. Diese Zahlen gab jetzt die Deutsche Umwelthilfe bekannt; Grundlage der Berechnung waren im November 2024 veröffentlichte EU-Daten. Zum Vergleich: 2022 sind bundesweit 2788 Menschen bei Unfällen im Straßenverkehr ums Leben gekommen – Luftverschmutzung ist nach der aktuellen Schätzung mehr als dreißigmal so gefährlich.

Die Feinstaub-Wolke belastet derzeit Zentraleuropa. Von dort kommt dem Umweltbundesamt zufolge ein Großteil des Smogs, der derzeit den Bundesbürgern zu schaffen macht. Ute Dauert, Leiterin des Fachgebiets „Beurteilung der Luftqualität“ im Umweltbundesamt, sagte BILD: „Zirka 50 Prozent des Feinstaubs in Berlin kommt aktuell aus Polen, zwölf Prozent aus Deutschland.“ Und die Schadstoffe breiten sich offenbar weit aus: In Hamburg liegt der Anteil des Polen-Feinstaubs bei 35 Prozent, in Dresden sowie Hannover bei 25 Prozent.

Weshalb momentan so viel Smog ins Land dringt, dafür hat Alfred Wiedensohler Professor für atmosphärische Mikrophysik vom Leibniz Institut für troposphärische Forschung in Leipzig eine einfache Erklärung: „Die Industrie bei den polnischen Nachbarn hat zwar längst europäische Abgas-Standards umgesetzt. Private Häuser werden aber häufig noch mit Holz und Kohle beheizt. Zurzeit ist es kalt, also wird mehr gefeuert. Dabei wird viel Feinstaub frei.“ Dass die verdreckte Luft vom Osten nach Westen strömt, liege an der Großwetter-Lage.

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Ein Hochdruckgebiet über Nordeuropa treibt die Luft – im Uhrzeigersinn – von Ost nach West. Entsprechend wird Luft aus Mittel- und Osteuropa nach Deutschland getragen. Bei –linksdrehenden – Tiefdruckgebieten über dem Atlantik treten dagegen westliche Winde auf. „Dann bekommen wir frische Luft vom Atlantik“, sagt Wiedensohler.

Die Drehung geht auf die sogenannte Corioliskraft zurück, ein Nebeneffekt der Erdrotation, die auch dafür verantwortlich ist, dass Hurrikane rotieren. Übrigens: Auf der Südhalbkugel der Erde sind Hochdruckgebiete linksdrehend, Tiefdruckgebiete wiederum rechtsdrehend.

Ein weiterer Faktor sorgt für die schlechte Luft: Derzeit befindet sich über weiten Teilen Deutschlands eine sogenannte Inversions-Wetterlage. Bei Hochdruck und Sonnenschein kühlen im Winter die unteren Luftschichten und der Boden aus, besonders nachts. „Das ist das typische Februar-Wetter mit blauem Himmel und Minusgraden“, sagt Matzarakis. „Danach wird es dann meistens grau.“

Wie unter einer Glocke

Denn über der kalten Schicht liegen wärmere Schichten und es gibt keinen Austausch – und halten somit auch den Smog wie unter einer Glocke gefangen. Im Sommer kommt das hingegen kaum vor, denn die Luft in Bodennähe heizt sich dann tagsüber so stark auf, dass die auf strömende Luft die „Hochdruck-Glocke“ immer wieder durchbricht – und die schädlichen Abgase in der Atmosphäre verteilt.

Dennoch ist es der schlimmste Feinstaub-Alarm seit Jahren: „Wir waren die letzten Jahre verwöhnt, weil wir zwei wärmere Winter hatten mit viel Wind und Regen. Da gab es solche Situationen nicht. Jetzt haben wir einen kalten Winter, einen typischen Winter für Mitteleuropa, bei dem viel geheizt wird und sich die Schadstoffe durch die Wetterlage stauen“, sagt Ute Dauert vom Umweltbundesamt. Aber das zeige eindrücklich: „Die Emissionen in Europa sind zu hoch, wir müssen davon runterkommen.“

„Inversions-Wetterlagen plagen die Städter schon immer mit Smog. In Erinnerung bleiben die Smog-Alarme in den 1980er-Jahren“, sagt Wiedensohler. Seither sei die Smog-Belastung dank der europäischen und deutschen Umweltauflagen jedoch deutlich zurückgegangen. Ob solche Hochdruck-Glocken wegen des Klimawandels in Zukunft häufiger werden, ließe sich kaum abschätzen.

Hingegen würden Extremwetter wie längere Dürren und Starkregen-Ereignissen immer wahrscheinlicher. „Wetter ist halt Wetter“, sagt Wiedensohler. „Was wir derzeit beobachten, ist völlig normal.“

Und so ist auch schon der Wandel abzusehen, die Feinstaubbelastung dürfte bald sinken: „Die Wetterlage stellt sich gerade um, und von Westen zieht ein Tiefdruckgebiet heran“, sagt Marcel Schmied vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. „Dabei kommen Niederschläge auf und die Luftmassen werden etwas durcheinandergewirbelt.“

Hinweis der Redaktion: Der Text wurde am 13. Februar 2025 aktualisiert.

mit dpa, epd

Source: welt.de

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