Pinelopi Goldberg: „Es gibt keinen Weg zurück aus dem Wirtschaftskrieg“

Wer sich seine gute Laune nicht verderben lassen will, der sollte dieser Tage lieber nicht mit Pinelopi Goldberg sprechen. Die Ökonomin hat aber auch wenig Grund zum Lachen. Jahrzehntelang hat sie sich mit der Globalisierung beschäftigt, hat gezeigt, wie Handelsliberalisierung insbesondere Entwicklungsländer auf ihrem Weg zum Wohlstand weiterbringen kann. Und dann kommt ein Präsident Donald Trump und stellt alles infrage.

Schon nach Trumps erstem Handelskrieg hat Goldberg eine simple Antwort auf die erratische Politik des Präsidenten gegeben: Fakten. Sie hat die wichtigste Studie über die Folgen mitverfasst. Damals, 2018, waren die Abgaben noch ungleich kleiner, etwa auf Stahl und Waschmaschinen, und sie richteten sich nur gegen China.

Trump versprach, jetzt würden die Chinesen endlich den Preis dafür zahlen, wie sie Amerika abgezockt hätten. Goldberg tauchte in die Zahlen ein und kam zu dem Schluss: Den Zoll hatten komplett die amerikanischen Kunden geschluckt, die Preise für sie waren einfach um denselben Betrag gestiegen. Besonders brisant: Am härtesten traf Trumps Zollpolitik damals die Regionen der USA, in denen die Menschen mehrheitlich die Republikanische Partei wählen.

„Wir sehen einen Trend zur Deglobalisierung“

Man hätte etwas daraus lernen können, doch kluge Ökonominnen wie Goldberg werden in Washington schon länger nicht mehr gehört. Vorwürfe macht sie aber nicht nur Donald Trump, sondern auch seinem Vorgänger Joe Biden. 2021 hätte Biden die Chance gehabt, Amerika wieder auf einen Freihandelskurs zu bringen, sagt Goldberg. Er tat es nicht und hielt an den Handelsrestriktionen fest. Für Goldberg war es die letzte Gelegenheit, Menschen in Amerika wieder von den Vorzügen des Freihandels zu überzeugen.

„Dieser Zug ist abgefahren“, sagt sie. „Die Biden-Regierung hatte die Chance, zumindest rhetorisch einen anderen Kurs einzuschlagen. Aber in Bidens Rhetorik war China der Feind.“ Dann habe sich eine neue Dynamik entwickelt. „Irgendwann wird daraus eine neue Wahrheit.“ Nachdem China mit eigenen Maßnahmen zurückschlug, sei die Lage eskaliert. „Wir sind mitten in einem Krieg, einem Wirtschaftskrieg“, sagt Goldberg. Und: „Es gibt keinen Weg zurück“ aus diesem Wirtschaftskrieg.

Es ist zu früh, um endgültig zu sagen, wer den Preis für Trumps neueste Zölle zahlt. Aber Goldberg widerspricht denen, die versuchen zu beschwichtigen. „Die Preise in den USA sind nicht so stark gestiegen wie befürchtet, aber das liegt daran, dass viele angekündigte Zölle nie implementiert wurden, nachdem die Märkte so stark reagierten.“ Es gebe Zeichen, dass auch dieses Mal die Zölle komplett an die Amerikaner weitergereicht werden: „Die Importeure haben ihre Margen angepasst. Sie schlucken die Zölle vorerst. Das können sie kurzfristig tun, aber wenn die Zölle, wie ich glaube, von Dauer sind, werden wir irgendwann viel größere Effekte auf die Preise sehen.“

Für Trumps Politik zahlen nicht nur die Amerikaner. Goldberg sagt ganz offen, was Ökonomen lange bestritten haben: „Wir sehen einen Trend zur Deglobalisierung.“ Für eine Weile sah es so aus, als gehe alles nur langsamer. Bis April hätten Ökonomen meistens geglaubt, dass sich in der Weltwirtschaft zwei Blöcke bildeten: einer um die USA und Europa, einer um China und Russland, mit weniger Handel zwischen, aber viel Handel innerhalb jedes Blocks. „Aber jetzt sind wir an einem Punkt, an dem alles ein Problem ist. Alle Handelsbeziehungen werden neu überdacht und neu arrangiert.“

Die Ankündigung der Zölle am „Liberation Day“ im April habe „alles verändert. Da wurde klar, dass die USA eine andere Strategie verfolgen. Amerika verhandelt jetzt bilateral mit jedem Land auf der Welt. Einige Handelsbeschränkungen waren sogar strikter gegen bisherige Verbündete, gegen Korea oder Kanada, als gegen China. Die allgemeine Botschaft ist: Nehmen Sie nichts als gegeben an.“

Goldberg glaubt nicht, dass sich die Uhr irgendwann zurückdrehen lässt oder dass der Rest der Welt sich einfach ohne Amerika weiter globalisieren kann. Denn die Welt habe ihre Richtung geändert. „In der Ära der Globalisierung sind komplexe globale Lieferketten entstanden. Diese Lieferketten hatten Flaschenhälse, das ist richtig, aber: Jeder hing von jedem ab. Der Westen hängt von China ab, aber China auch vom Westen.“

Es habe in dieser Phase einen Anreiz zur Kooperation gegeben. Aber wenn dieses Prinzip verworfen werde, habe jedes Land kaum eine andere Wahl, als in Richtung des anderen Ex­trems zu marschieren. „Sobald die Kooperation beginnt zusammenzubrechen, werden Sie verwundbar, gerade wegen dieser Flaschenhälse. Dann bleibt als einzig konsistenter Pfad nur der in Richtung Autarkie.“

Industriepolitik, aber klug

An manchen Stellen werden die Abhängigkeiten zu groß. Goldberg macht dafür auch die Unternehmen verantwortlich. Sie suchten immer nur den günstigsten Zulieferer: „Profitgier führt zu Marktversagen.“ Deshalb müsse der Staat etwas tun – aber auf kluge Weise. „Man muss sich klar sein: Was ist das Ziel?“ Goldberg verweist auf die Chipindustrie als Beispiel. „Wenn das Ziel Diversifizierung ist, dann können Sie helfen, eine Fabrik in Japan oder Korea zu bauen, in befreundeten Ländern, die einen komparativen Vorteil in diesen Sektoren haben.“

Die USA aber hätten zuletzt, ähnlich wie Deutschland, zwei Ziele gleichzeitig verfolgt: Sie wollten auch Arbeitsplätze im eigenen Land schaffen, „obwohl dieser Sektor gar nicht viele Menschen beschäftigt. Das hat nicht viel Sinn ergeben. Dann bauen Sie eine Fabrik in Arizona“ – als deutscher Beobachter möchte man hier das Wort Magdeburg einfügen –, „das dauert länger, kostet mehr, es gibt keine Fachkräfte.“ Der Westen könne lernen von Chi­na, das seine Industriepolitik mit ei­nem harten Wettbewerb verbindet. Die Volksrepublik scheut zwar nicht davor zurück, viel Geld zu verbrennen, lässt aber am Ende auch den Markt ­rigoros aussieben. Auch die ostasia­tischen Demokratien mit ihrer langen ­Geschichte erfolgreicher Industriepolitik könnten ein Vorbild sein, glaubt sie.

Goldberg ist selbst ein Produkt der Globalisierung. Sie ist in Griechenland aufgewachsen, studierte in Freiburg, ging dann in die USA, wo sie heute an der Yale-Universität lehrt. Einige Jahre war sie Chefökonomin der Weltbank. Sie versteht gut, welche Vorteile das Zusammenwachsen der Welt in ihrer Lebzeit gebracht hat. Gerade für die Entwicklungsländer sei der Zusammenbruch des regelbasierten Welthandels eine Kata­strophe, sagt sie. Denn die hätten besonders stark vom Handel profitiert.

In der Phase der Hyperglobalisierung zwischen dem Fall der Berliner Mauer und der Finanzkrise entkamen Hunderte Millionen Menschen der Armut. Der Vorteil kleiner Länder: Die Welthandelsorganisation verbietet eigentlich die Diskriminierung von Mitgliedsländern. „Wenn die USA und China einen guten Deal ausgehandelt haben, dann wurde der automatisch auch auf kleinere Länder angewandt. Das ist nicht mehr der Fall.“ Die Organisation hat sich als machtlos entpuppt, während die Amerikaner machen, was sie wollen. „Wenn Sie Lesotho sind, dann haben Sie keine Verhandlungsmacht gegenüber den USA. Das ist sehr besorgniserregend.“

Ganz so schlimm steht es um Deutschland nicht. Aber wenn man Pinelopi Goldberg Glauben schenkt, muss man sich auch hierzulande an unbequeme Zeiten gewöhnen.

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