Parteitag welcher Demokraten in Chicago: Kamala Harris wähnt sich im Aufschwung

Superstar Beyoncé war nicht selbst da. Ihr Hit „Freedom“ ist Kamala Harris‘ Wahlkampfsong geworden. Der viertägige Parteitag der Demokraten in Chicago, die ganz große Show, führte vor, wie sich Partei und Kandidatin in Szene setzen wollen gegen Donald Trump: auf Gefühle bedacht und kämpferisch, sogar etwas klassenkämpferisch, streckenweise pragmatisch und hoffnungsvoll. Der Parteitag war nicht der Ort für allzu Konkretes.

Bei kulturellen und gesellschaftlichen Themen, bei Bürgerrechten, LGBT-Anliegen und Selbstbestimmung für Frauen sind die Demokraten seit Jahren progressiv. In Chicago hat man ungewöhnlich viel gehört über Arbeit und Gewerkschaften. Die Wahlentscheidung sei „für die Arbeiterbewegung ganz einfach“, befand der Präsident der Autogewerkschaft UAW, Shawn Fain: „Kamala Harris gehört zu uns.“ Alexandria Ocasio-Cortez wurde von Linksaußen aus befördert zu einem prominenten Auftritt. Harris verstehe die Sorge um Lebensmittel- und Arzneimittelpreise, und stehe „zu unseren reproduktiven und bürgerlichen Rechten“, sagte die Kongressabgeordnete. Harris sei als Kaliforniens Generalstaatsanwältin bei der Finanzkrise 2008 gegen große Banken vorgegangen, betonte Senatorin Elizabeth Warren, Vorkämpferin gegen Monopole.

Die Demokraten machen den Republikanern das Monopol auf Patriotismus streitig

Die große Kamala Harris-Ansprache selbst war dann gut 35 Minuten lang. Sie wolle Amerika zusammenbringen. Ihr Erfolg im Amt würde man messen können an einer starken Mittelklasse. Harris‘ Warnung vor Donald Trump war scharf: Er würde die USA in große Gefahr bringen. Er habe eine „bewaffnete Meute“ ins Kapitol geschickt. Er habe explizit erklärt, die inhaftierten Extremisten freizusetzen und politische Gegner einsperren zu wollen. Freiheit war ein großes Thema bei Harris. Reproduktive Freiheit, Freiheit von Schusswaffengewalt, die Freiheit zu lieben, wen man lieben will, die Freiheit zu wählen.

Gut einen Monat ist es her, dass Joe Biden „im Interesse der Partei und der Nation“ auf seine Kandidatur verzichtet hat. Gewerkschaftschef Shawn Fain sprach gegenüber den Medien über die Konsequenz: „Wir hatten eine Kundgebung mit Joe Biden in Detroit gut einen Monat zuvor, und es kamen zwei- oder dreitausend Leute.“ Zu Harris‘ Wahlmeeting seien etwa 15.000 geströmt.

Donald Trump tut sich schwer mit der schwarzen Frau, deren Parteitag höhere Zuschauerzahlen einfuhr als der republikanische. Er beschimpft „Genossin Kamala“, es drohten der wirtschaftliche Ruin und ein Dritter Weltkrieg. Wahlexperten sollen ihn gewarnt haben, dass mit solchen Sprüchen und Attacken auf Harris‘ Abstammung nicht viel zu holen ist bei unentschlossenen Wählerinnen und Wählern. Doch sollte man nicht vergessen, Trump bedient seine Basis, die 74 Millionen, die 2020 für ihn gestimmt haben. Dabei spricht er stets auch zu Nichtwählern.

Ein Drittel der in den USA seinerzeit Wahlberechtigten hat 2020 nicht gewählt. Laut Umfragen sympathisieren diese Bürgerinnen und Bürger mehrheitlich mit Trump, berichtet der Fernsehsender NBC auf Umfragen hin. „Die überwiegende Mehrheit der Nichtwähler ist nicht apathisch“, ermittelte der wahlpolitische Think Tank „Public Wise“, vielmehr hätten sie kein Vertrauen in die Regierung, das Wahlsystem und die Medien.

Über die US-Waffenlieferungen an Israel sagte Harris nichts

Mit vielen hundert Nationalflaggen ausgerüstete Delegierte machten in Chicago den Republikanern das Monopol auf Patriotismus streitig. Sie skandierten das aggressive „USA, USA, USA!“ Außenpolitisch versprach Harris nichts Neues. Sie werde sicherstellen, dass die USA die „stärksten und tödlichsten Streitkräfte“ haben, die globale Führung stärken und der Ukraine beistehen.

Harris hat sich auch zum Gaza-Krieg geäußert. Sie werde immer dafür sorgen, dass sich Israel verteidigen kann. Was in Gaza geschehe, sei allerdings entsetzlich. Das Ausmaß des Leidens sei herzzerbrechend. Die US-Regierung arbeite daran, den Krieg zu beenden, sodass Palästinenser ihr Recht auf Selbstbestimmung verwirklichen können. Das erntete viel Beifall. Über die US-Waffenlieferungen an Israel sagte Harris nichts.

Wie auch immer, die Delegierten in Chicago waren begeistert von ihrem Auftritt. Wie sehr Kamala Harris Menschen „draußen im Land“ erreicht hat, wird sich erst beim weiteren Verlauf des Wahlkampfes zeigen. Am 10. September findet die Fernsehdebatte gegen Trump statt.

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