Parteitag in Bonn: Familienunternehmer kritisieren Grüne

Anfang des Jahres waren Wirtschaftsvertreter noch voll des Lobes für Wirtschaftsminister Robert Habeck. Doch angesichts der jüngsten Entscheidungen des Grünen-Politikers wächst die Kritik an dessen Kurs.

Julia Löhr

Wirtschaftskorrespondentin in Berlin.

Kürzlich warnte schon der Präsident des Chemieverbands VCI, mit der aktuellen Energiepolitik werde Deutschland vom Industrieland zu einem „Industriemuseum“. Jetzt legt der Präsident des Verbands der Familienunternehmer nach: „Wer in dieser Wirtschaftskrise weiter vorsätzlich teures Gas für die Stromproduktion verfeuert, anstatt auf die strompreissenkenden Effekte des Atomstroms zu setzen, verbreitet Angst“, sagte Reinhold von Eben-Worlée der F.A.Z. „Kein Wunder, dass die AfD immer stärker wird, je mehr die Grünen sich weigern, eine vernünftige Krisenpolitik zu betreiben.“

42 Prozent der Familienunternehmer befürchten laut einer Umfrage des Verbands, durch fehlende Vorprodukte, fehlende Rohstoffe oder aufgrund der hohen Energiekosten ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.

Dass das Wirtschaftsministerium noch im Frühsommer die Auffassung vertreten habe, Deutschland habe kein Stromproblem, sei eine verhängnisvolle Fehleinschätzung gewesen, beklagt von Eben-Worlée. Die Mittelständler fordern insbesondere eine stärkere Nutzung der Kohlekraftwerke zur Stromerzeugung und längere Laufzeiten der Atomkraftwerke. Atomstrom sei günstig und CO2-frei.

Vertreter des Verbands hatten am Freitag vor dem Beginn des Parteitags vor dem Kongresszentrum in Bonn demonstriert. Mit ihren Positionen waren sie dort allerdings in der Minderheit. Das Gros der Protestierenden während der dreitägigen Veranstaltung bestand aus Kohle- und Atomkraftgegnern. Ihnen gehen die von Habeck getroffenen Entscheidungen schon viel zu weit.

Die Debatten über die Inflation und über die befristete Laufzeitverlängerung für zwei Atomkraftwerke – beide am Freitagabend auf der Tagesordnung – verliefen weitgehend harmonisch. Der Leitantrag der Grünen-Spitze wurde um einige Änderungswünsche des grünen Anti-Atom-Urgesteins Jürgen Trittin ergänzt und mit großer Mehrheit angenommen.

Hitzige Klimadebatte

Als hätte er das geahnt, hatte Habeck in seiner Rede zuvor gesagt: „Nie habe ich mich so zu Hause gefühlt, nie war ich so stolz auf diese Partei.“ In der Klimadebatte am Sonntag ging es dagegen deutlich hitziger zu. Die Grüne Jugend stellte einen Antrag zur Abstimmung, dass das Dorf Lützerath entgegen den Plänen des Wirtschaftsministers nicht abgebaggert werden soll. Sie unterlag nur knapp.

Habeck sprach in dieser Debatte nicht. Stattdessen verteidigten Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und, nicht ganz so leidenschaftlich, Umweltministerin Steffi Lemke die Regierungspolitik.

Eine Gastrednerin auf dem Parteitag war die neue DGB-Chefin Yasmin Fahimi. Die Sozialdemokratin kritisierte, ganz auf Linie der Grünen, die Schuldenbremse als „ideologisierte Kleinkrämerei“. Außerdem forderte sie, dass der Staat nicht nur im Dezember die Abschlagszahlung der Gaskunden übernehmen solle, sondern noch in einem weiteren Monat.

Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, hielt sich in seiner Gastrede mit Kritik an Habecks Politik zurück. Er mahnte unter anderem schnellere Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen an. Einen anerkennenden Pfiff aus dem Publikum bekam er aber für etwas anderes: Wie die Grünen auch genderte Russwurm in seiner Rede.

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