Mit einer Kampfansage an den Populismus hat die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner ihre Partei auf die Zeit in der Opposition eingestimmt. „Merz hat die Vertrauenskrise nicht gelindert, er hat sie weiter angeheizt“, warf sie dem CDU-Chef Friedrich Merz beim kleinen Parteitag der Grünen in Berlin vor. Sie hielt ihm Wortbrüche vor, einen Flirt mit der AfD, Unwahrheiten bei der Schuldenbremse und Scheinlösungen bei der Migration.
Brantner warnte vor dem Aufstieg des Populismus. Demokratien könnten kippen, wenn keiner mehr für sie kämpfe. Sie versprach: „Ihr werdet uns kämpfen sehen, und wir werden gemeinsam kämpfen.“ Sie kündigte an: „Wir werden die guten Ideen einspeisen und dabei laut sein.“
Fokus auf Verteilung und sozialer Aufstieg
Längeren Applaus
erhielt Brantner für die Ankündigung, die Grünen wollten einen Fokus
legen auf Fragen von Verteilung und sozialem Aufstieg. „Wir werden nicht
ruhen, bis diese Republik endlich alle mitdenkt – nicht nur die Lauten
und nicht nur die Starken.“
Robert Habeck zeigte sich auf dem Parteitag zufrieden mit seinem Wahlkampf als Kanzlerkandidat. Es sei gut, dass seine Partei sich nun Zeit gebe für Selbstkritik. Zwar hätten die Grünen im Wahlkampf Fehler gemacht. Jedoch hätten andere „vermutlich mehr Grund, sich zu fragen, was in ihrem Wahlkampf schiefgelaufen ist“. Als Beispiel nannte er die Union. CDU und CSU hätten ihren Wahlkampf
wissentlich auf Unwahrheiten aufgebaut und steckten jetzt in einer
Vertrauenskrise, sagte er. „Selbst schuld, Union!“
Habeck vermisst den mündigen Bürger
Seinen eigenen Ansatz umschrieb Habeck so: Probleme benennen und unangenehme Wahrheiten aussprechen. Voraussetzung dafür sei, dass mündige Bürger diesen Ansatz belohnten. „Dieses Mandat ist nicht gegeben worden.“ Es sei offen, was das für die Grünen und die politische Kultur im Land bedeute. Es gehe um die Frage, ob offene Gesellschaften in der Lage seien, Probleme zu lösen.
„Ich räume für mich ein, dass ich ein bisschen Zeit zum Nachdenken brauche“, sagte Habeck. „Ich selbst gehe versöhnt aus dem Wahlkampf. Bündnis 90/Die Grünen, die Partei und ich – so habe ich es empfunden –, wir waren nie so sehr eins wie in den Wochen und Monaten des Wahlkampfs.“ Habeck hatte auf den letzten Metern des Wahlkampfs Empörung im linken Flügel seiner Partei ausgelöst mit einer „Sicherheitsoffensive“, in der es unter anderem um ein härteres Vorgehen gegen irreguläre Migration ging.
Dröge: „Zu nett“ zur Union gewesen
Selbstkritisch betrachtete auch Fraktionschefin Katharina Dröge den Wahlkampf der Grünen, unter anderem in der Abgrenzung gegenüber der Union. „Vor allen Dingen waren wir zu nett aus meiner Sicht“, sagte sie im Rückblick.
Svenja Borgschulte, die Vorsitzende einer Grünen-internen Arbeitsgruppe zum Thema Migration, warf ihrer Partei vor, nicht genug gegen den Rechtsruck getan zu haben. Diese hätte bei der Verteidigung der Menschenrechte mutiger und klarer sein müssen, forderte sie.
Baerbock: „Müssen auch sagen, wen wir abschieben wollen“
Die geschäftsführende Außenministerin Annalena Baerbock hielt dagegen. In ihrem Bundesland Brandenburg habe sich der Diskurs nach rechts verschoben, durch die AfD, aber auch durch CDU und SPD. Sie werde dort gefragt, warum die Grünen all die Islamisten ins Land ließen.
„Da kommen wir nicht weiter, wenn wir sagen, wir brauchen eine humanere Flüchtlingspolitik“, gab Baerbock ihrer Partei mit. Diese müsse auch sagen, wen sie abschieben wolle, „nämlich Schwerverbrecher und diejenigen, die unser Grundrecht mit Füßen treten“.
Grüne betonen Erfolge in ihrer Legislatur
Die Grünen sollten als Opposition „kritisch, aber konstruktiv“ auftreten, hatte zuvor bereits die Politische Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Pegah Edalatian, in ihrer Eröffnungsrede gesagt. Die Grünen hinterließen das Land nach ihrer Regierungsbeteiligung an der
Ampel-Koalition mit SPD und FDP in einem besseren Zustand, sagte
Edalatian. Als Beispiele nannte sie die Liberalisierung des
Staatsbürgerschaftsrechts und das Selbstbestimmungsgesetz, mit dem
Menschen ihren amtlichen Geschlechtseintrag und Vornamen einfacher
ändern lassen können. Die Partei habe aber auch schwierige Kompromisse
eingehen müssen und wolle nun Herzen und Köpfe zurückgewinnen, sagte Edalatian.
Beim sogenannten Länderrat will die Partei auch ihr schlechtes Wahlergebnis aufarbeiten. Die Grünen hatten bei der Bundestagswahl 11,6 Prozent der Stimmen erzielt, 3,1 Prozentpunkte weniger als bei der Wahl 2021.