Parlamentswahl in Großbritannien: Hunde, Kinder und ein Wahllokal im Waschsalon


  • Rund 50 Millionen Wahlberechtigte, 650 Sitze im Parlament, 4.515 Kandidierende: Bei der Wahl in Großbritannien entscheidet sich die Zusammensetzung des Unterhauses und damit indirekt auch die Frage, welche Partei künftig den Premierminister stellt. Die Wahllokale schließen um 22 Uhr Ortszeit (23 Uhr MESZ).
  • Dem Amtsinhaber Rishi Sunak und seiner konservativen Partei, den Torys, stehen aktuellen Umfragen zufolge herbe Verluste ins Haus. Alles deutet darauf hin, dass die Labour Party mit ihrem Spitzenkandidaten Keir Starmer stärkste Kraft wird.
  • Hintergrundinformationen und Nachrichten zur Wahl finden Sie auf unserer Großbritannien-Themenseite.
  • Neben eigenen Recherchen verwenden wir Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP, AP, KNA und Reuters.

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Von Umfragen und Ex-Frauen

"Mit Umfragen ist es wie mit Ex-Frauen", philosophierte unlängst der britische Komiker Andy Zaltzman: "Sie sind keine besonders verlässliche Quelle, aber wenn zehn von ihnen dasselbe sagen, dann könnte was dran sein."

Tatsächlich kommen aktuelle Umfragen unter britischen Wahlberechtigten im Kern zum selben Ergebnis: Für Labour wollen demnach rund 39 Prozent stimmen, für die Konservativen rund 21 Prozent. Wer sich die Zahlen genauer ansehen will: Die BBC zeigt hier gebündelt die Ergebnisse aller relevanten Wahlumfragen im Vergleich.

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Der Hieronymus Bosch des britischen Untergangs

Je schlechter die politischen Zeiten, desto besser der politische Humor. Hier ist eine Collage des politischen Kritikers und Satirikers Christopher Spencer zu sehen. Er veröffentlicht seine sarkastischen Kunstwerke als politische Kommentare bei X unter dem Namen Cold War Steve.

Spencer wuchs in Birmingham auf, wurde von drei Kunstschulen abgelehnt, schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch und stieg nach einer schweren Lebenskrise in seine Collagenarbeit ein. Heute veröffentlicht er Bücher und Kalender, stellt seine Werke aus und ist aus dem politischen Diskurs kaum wegzudenken.

Seine Werke ähneln bewusst den Höllen des niederländischen Malers Hieronymus Bosch. Hier werden die gescheiterten Tory-Politiker auf das Schafott geführt und mit der Kloake besudelt, die derzeit in Großbritannien von den Wasserwerken überall in die Flüsse und ins Meer eingeleitet wird. 

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Warum wählen die Leute Labour? 

Voraussichtlich wird es in dieser britischen Unterhauswahl einen erdrutschartigen Sieg für die Labourpartei geben. Aber warum? Die Antwort: nicht etwa, weil die Wähler und Wählerinnen von dem Parteivorsitzenden Keir Starmer und dem Wahlprogramm der Partei so überzeugt wären.

Nach einer Umfrage der Analysegesellschaft YouGov wählen 48 Prozent der Öffentlichkeit Labour, um die Konservativen loszuwerden. Etwa 13 Prozent der Wähler und Wählerinnen wollen nach 14 Jahren Konservativen und den Skandalen der Regierung endlich Änderung. Alles andere ist (fast) egal. 

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We asked Labour voters to tell us in their own words the main reason they are backing the party. For the largest number by far the key motivation is ousting the Conservatives

Top 5 reasons
Get the Tories out: 48%
Country needs a change: 13%
Agree with their policies: 5%
To… pic.twitter.com/i76S3Zlghu

— YouGov (@YouGov) July 3, 2024

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Das Ende der erfolgreichsten Partei der Welt?

Wenn die Umfragen auch nur halbwegs stimmen, steht in Großbritannien nicht nur ein historischer Sieg für Labour bevor, sondern eine womöglich vernichtende Niederlage der Torys – einer Partei, die der Economist einmal "die erfolgreichste Partei der Welt" nannte.

Tatsächlich verbrachten die britischen Konservativen von 190 Jahren ihrer Geschichte zwei Drittel an der Regierung, sie steuerten (mit Unterbrechungen) Großbritannien, während es ein Viertel der Erdoberfläche eroberte, der Welt die erste industrielle Revolution bescherte, Englisch zur Lingua franca des Planeten wurde, der Kapitalismus und das Common Law zum Betriebssystem des Westens und das Vereinigte Königreich zwei Weltkriege gewann.

Zur Bilanz der Torys gehört es auch, die erste Frau (Margaret Thatcher) und den ersten Hindu (Rishi Sunak) in die Downing Street befördert, die erste Muslimin ins Kabinett geholt und den ersten schwarzen Außenminister gestellt zu haben.

Sollten die Torys auf 100 oder weniger Sitze von 650 Unterhausmandaten reduziert werden, könnte es allerdings gut sein, dass innerhalb der verbleibenden Parlamentarier eine Auseinandersetzung darüber entbrennt, ob die Marke Tory tot ist – und ob man sich nicht der aufstrebenden Reform-Partei von Nigel Farage anschließen sollte. Es wäre, nach dem Tod von Elizabeth II., das Ende einer zweiten britischen Ära innerhalb weniger Jahre.

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Die Royals wählen nicht. Warum?

Der König steht über aller Politik, darf sich nicht zur Politik äußern und darf daher auch nicht wählen. Das liegt an der britischen konstitutionellen Monarchie.

Er ist nicht das Volk. Das Volk wählt die Abgeordneten, die das Volk im Parlament (Unterhaus) vertreten sollen und für das Volk Politik machen sollen. Da hat der König nicht reinzureden. Im Gegenteil: Der König muss den Premierminister erklären. Der führt dann – im Auftrag des Königs – die Regierungsgeschäfte.

König Charles III. wählt daher nicht und auch nicht die engere königliche Familie, da auch für sie das Gebot gilt, sich aus der Politik rauszuhalten. Die weitere Familie könnte wählen. Es ist ihr nicht gesetzlich untersagt. Es ist aber nicht bekannt, wer von ihnen wählt.

Interessanterweise dürfen auch alle Mitglieder des britischen Oberhauses nicht wählen. Schließlich sind sie Teil des Parlamentes, und ein Teil des Parlamentes darf nicht den anderen Teil des Parlamentes wählen. Zudem sollen sie ja eine relativ unabhängige Kontrollinstanz des Unterhauses in der Gesetzgebung sein. 

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Im Leben keine Rückkehr in die EU

In seinem Leben, sagte der Labourchef und wahrscheinliche Wahlgewinner Keir Starmer gestern in aller Klarheit, werde Großbritannien nicht zurückkehren in die Europäische Union. Aus kontinentaler Sicht mag das überraschen, Starmer war schließlich nicht nur ein Remainer. Er setzte sich nach dem Brexitreferendum auch für eine zweite Volksabstimmung ein, um die Austrittsentscheidung rückgängig zu machen.

Um zu verstehen, warum Starmer einer EU-Rückkehr jetzt eine solch heftige Absage erteilt, muss man allerdings wissen: Schätzungsweise ein Drittel der Labouranhänger hat 2016 für den Brexit gestimmt. Die politische Identifikation als Brexiteer oder Remainer verläuft nicht nur quer durch die Parteilager, sie ist auch emotionaler verankert und sitzt dadurch tiefer als die Parteiloyalität. Und da sich die Remainer vor allem in den Städten ballen, sind die Brexiteers unter den Labouranhängern in sehr vielen Wahlkreisen im Land entscheidend für den Sieg der dortigen Labourkandidaten. Starmer darf sie also auf keinen Fall vergrätzen.

Aber war es deswegen nötig, eine Ansage über seine gesamte Lebenszeit zu machen? Nein, war es nicht. Über Starmers kategorischen Ton darf man also durchaus überrascht sein.

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Zu Gast in Keir Starmers Stammpub

Kentish Town heißt das Viertel in Nordlondon, in dem der voraussichtliche neue Premierminister Keir Starmer mit seiner Frau und seinen beiden Teenagerkinder lebt – oder bisher lebte, falls er in den nächsten Tagen in die Downing Street umziehen wird. Von der etwas heruntergekommenen Hauptstraße gehen Wohnstraßen mit herausgeputzten Town Houses ab. Für knapp 2.000 Pfund Monatsmiete bekommt man hier laut Maklerplakaten eine Einzimmerwohnung.

Etwas versteckt, in einer Seitenstraße, liegt Starmers Stammpub namens Pineapple. Es ist eines dieser englischen Kneipenjuwelen, mit Mahagoni-Paneelen, bemaltem Glas und ohne plärrende Flachbildschirme. 1868 als Auftankstelle für Eisenbahnarbeiter eröffnet, retteten die Nachbarn das Pineapple vor gut 20 Jahren vor dem Abriss. Das Pineapple Rescue Committee, in dem sich unter anderem der Schauspieler Rufus Sewell (The Man in the High Castle, Scoop) engagierte, sorgte dafür, dass das Gebäude 2001 unter Denkmalschutz gestellt wurde.

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Die beiden mittelalten Männer, die heute während meines Besuchs an der Bar sitzen, waren schon wählen, sagen sie. Der eine Labour, der andere: "Sie können fragen, aber ich werd’s Ihnen nicht sagen."
 
Ja, sicher hätten sie Keir Starmer hier schon gesehen, sagen sie. Ja, sicher sitze er auch an der Bar und trinke sein Pint. Warum denn nicht? "Er ist ein ganz normaler Mensch“, zuckt der Stammgast mit den Schultern. "Wie alle anderen hier auch.“ Das dürfte sich ab morgen aber ändern, oder? Kein Pineapple mehr für den Premierminister? Muss man abwarten, lautet die nochmals schulterzuckende Antwort, das komme ja auch auf seine Sicherheitsmaßnahmen an.

Der Curry-Mittagstisch hier ist übrigens nicht nur hervorragend, sondern auch erschwinglich.

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Good afternoon!

Pünktlich zum Five o’clock Tea blicken wir nach Großbritannien und starten mit Ihnen in einen langen Wahlabend. Gemeinsam mit unseren Korrespondenten auf der Insel – Bettina Schulz und Jochen Bittner – beobachten wir im Liveblog die Wahl, die den konservativen Tories eine beispiellose Pleite bringen könnte.

Premierminister Rishi Sunak und sein Herausforderer Keir Starmer haben am Vormittag schon abgestimmt. Spannend wird es kurz vor Mitternacht: Um 23 Uhr deutscher Zeit werden die ersten Prognosen bekannt. Bis dahin finden Sie die wichtigsten News und Hintergrundberichte hier.

Let’s go!

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Labours größter Wahlhelfer

Der größte Wahlhelfer für Labour ist, so paradox es klingt, Nigel Farage, der Ex-Chef der Ukip-Partei. Farage, auf dem Kontinent besser bekannt als Mr. Brexit, tritt mit seiner Reform-Partei bei den Unterhauswahlen an. Sie ist eine Anti-Establishment-Bewegung, die vor allen Dingen auf das Thema Einwanderung setzt.

Farages Rückkehr auf die politische Bühne haben die Torys lange Zeit befürchtet, denn:

Fast jede Stimme für Reform dürfte eine Stimme weniger für die Torys sein. Farage spaltet also das rechte Lager, und davon profitiert Labour, weil deren Kandidaten jetzt bessere Chancen haben, in den Wahlkreisen die notwendigen relativen Mehrheiten zu erlangen.

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Farages Partei selbst dürfte gar nicht viele Wahlkreise holen. Aber das ist auch gar nicht sein Hauptziel. Was er will, ist, die Konservative Partei zu zerstören, um auf den Trümmern eine, wie er sagt, "Massenbewegung“ aufzubauen, die dann in fünf Jahren die Chance hätte, die Parlamentswahlen zu gewinnen.

Sein Vorbild ist die Reform-Partei in Kanada. Bei den dortigen Wahlen 1993 wurde die Progressiv-Konservative Partei vernichtend geschlagen. Zehn Jahre später taten sich ihre verbliebenen Kräfte mit Reform zu einer neuen Konservativen Partei zusammen.

In landesweiten Umfragen kommt Farages Reform auf über 15 Prozent der Stimmen, und das, obwohl Farage sich erst vor sechs Wochen entschlossen hat, bei der Wahl anzutreten.

Was Reform-Unterstützer über ihre Motivlage sagen, lesen Sie ausführlich in dieser Reportage aus Farages Wahlkreis Clacton-on-Sea.

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Wahlspots und Gebetsoffensive

Auch die Kirchen in Großbritannien wenden sich mit eigenen Kampagnen an die Wählerschaft. Die katholische Kirche setzt auf Wahlspots, die anglikanische auf eine Gebetsoffensive. 21 Tage lang gab es dort eine Aktion unter dem Motto Pray Your Part. Das Ziel: ein freundlicher und höflicher Umgang bei der Wahl.

Die katholischen Bischöfe erstellten zudem einen eigenen Wahlleitfaden, der konkrete Handlungsempfehlungen zu wichtigen Fragen gibt. "Wir sind aufgerufen, Migranten und Flüchtlinge willkommen zu heißen, zu schützen und zu integrieren", heißt es darin etwa. Ein klarer Gegensatz zum Plan der Torys, irregulär eingereiste Migranten nach Ruanda abzuschieben.

Auch die Lebenshaltungskosten sind ein Kapitel im Leitfaden. Durch Steuererleichterungen oder Zuschüsse bei den Wohnkosten sollten Familien besser unterstützt werden. Schließlich müsse sichergestellt werden, "dass Familien ein anständiges Zuhause haben können".

Auf solche Einlassungen verzichtet die anglikanische Staatskirche, die offenbar mehr auf Neutralität setzt. Sie wollen das Gebet in den Mittelpunkt ihrer Kampagne stellen.

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Eine Partei zerlegt sich selbst

In meinem Artikel beschreibe ich heute, warum es zudem Niedergang der einst großen Partei der Konservativen gekommen ist. Immerhin gibt es die Torys seit 190 Jahren. Es ist die Partei der Margaret Thatcher. Aber eine Kette von Fehlentscheidungen hat letztlich zum Brexit geführt, der die Partei praktisch zerstört hat. Es ist auch eine Wirtschaftsgeschichte.

Die Probleme: Zerstörung der verarbeitenden Industrie unter Thatcher, Boom und dann Finanzkrise und Rezession. Drastische Sparwelle der Regierung und Frust der Bevölkerung, vor allem der verarmten working class. Dann die Illusion, die Wirtschaft könne sich unabhängig von den EU-Vorschriften schneller erholen und wettbewerbsfähiger werden. Dann immer mehr ideologischer Streit innerhalb der Partei und jahrelang kein vernünftiges Regieren mehr.

Die Öffentlichkeit fühlt sich verschaukelt, und die Partei ist am Ende. Heute sehen wir die gnadenlose Reaktion der Öffentlichkeit, die die Konservativen nach ihrem ideologischen und populistischen Experiment abwählt.

Den ganzen Text lesen Sie hier:

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Verlieren wird der gemäßigte Konservatismus

Schlecht, katastrophal oder desaströs – irgendwo entlang dieser Skala wird sich heute das Wahlergebnis der Torys bewegen. Selbst innerhalb der Konservativen Partei zweifelt niemand an der Niederlage.

Dabei stellte sie seit 2020 den Premierminister, in der vergangenen Legislaturperiode sogar mit der größten Regierungsmehrheit seit Margaret Thatcher. Wie das Wahlergebnis die Torys verändern könnte, analysiert der Politikwissenschaftler Thomas Biebricher von der Universität Frankfurt in seinem Gastbeitrag auf ZEIT ONLINE.

Mehr dazu lesen Sie hier:

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Britischer Humor bei Wahlkandidaten

Sunak, klar, Starmer, natürlich, aber wer ist noch mal der Typ mit dem Mülleimer als Helm? In Großbritannien würde sich niemand diese Frage stellen, Count Binface ist dort allseits bekannt und trat schon bei vielen Wahlen an. So kandidierte er 2017 gegen Theresa May und 2019 gegen Boris Johnson, diesmal hat er sich für den Wahlkreis von Rishi Sunak entschieden.

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Satirekandidaten wie der Mülltonnenmann haben in Großbritannien Tradition. Zu den Veteranen gehört die Official Monster Raving Loony Party (Offizielle Partei der rasenden verrückten Ungeheuer), die Anfang der 1980er-Jahre gegründet wurde und seitdem mit bizarr wirkenden Programmen an Wahlen teilnimmt.

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Kinder rein, Hunde raus

In der Wahlkabine herrschen strenge Regeln. Eine kleine Auswahl der Dos and Don’ts:
  • Selfies in der Wahlkabine sind streng verboten! Darauf stehen hohe Geldstrafen oder ein Freiheitsentzug bis zu sechs Monate. Die Wahlkommission sieht nämlich das Wahlgeheimnis gefährdet und empfiehlt das Outdoor-Selfie.
  • Auch Hunde müssen draußen bleiben. Nur mit einer Spezialgenehmigung und in Ausnahmefällen darf das Tier mitgenommen werden.
  • Kinder in der Wahlkabine sind hingegen ausdrücklich erlaubt, die Kommission nennt es eine "Bildungsmaßnahme für Demokratie". Nur das Kreuzchen ist ihnen untersagt, das müssen die Wahlberechtigten selbst machen. 
  • Beware of political discussions! Hier kennt die Kommission keinen Spaß. Die Wahlhelfer sind sogar befugt, bei solchen Gesprächen einzuschreiten und diese zu untersagen. 

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Demokratie auf Speed

Politisch dürfte es heute alles andere werden als ein Kopf-an-Kopf-Rennen, sportlich hingegen sieht das ganz anders aus. Hier heißen die beiden Spitzenkandidaten auch nicht Sunak und Starmer, sondern Newcastle und Sunderland.

Die beiden Städte in Nordengland liegen in einem Wettstreit darum, wer am Wahlabend als erste britische Gemeinde mit der Auszählung aller Stimmzettel durch ist. Und ja, es wird nicht nur schnell gezählt, sondern auch gerannt. Die Helfer rennen mit den Wahlurnen hin und her.

Eine Kollegin vom Guardian hat das im Detail aufgeschrieben, einschließlich des Satzes, mit dem Newcastle beteuert, doch eigentlich gar nicht gewinnen zu wollen: Im Grunde gehe es ja um "um eine korrekte Auszählung, nicht um eine schnelle".

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Abstimmen im Waschsalon

Noch bis 22 Uhr Ortszeit können die Britinnen und Briten ihre Stimme abgeben. Nicht alle der Hunderte Wahllokale sind dabei in Schulen oder Gemeindezentren untergebracht, auch einige skurrile Orte sind dabei.

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Im Oxforder Stadtteil Headington haben die Behörden das Wahllokal in einem Waschsalon untergebracht. Und doch dürfte man dort heute nicht das Nützliche mit dem Nützlichen verbinden können – um die Wähler vor neugierigen Blicken zu schützen, sind die Maschinen wohl für die Dauer der Abstimmung außer Betrieb.

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Ein Mann verwandelt diesen unscheinbaren Container in den Morgenstunden in eine Wahlkabine. Er steht auf einem Supermarktparkplatz im zentralenglischen Loughborough. Die rund 60.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählende Stadt ist vor allem bekannt für ihre Universität und für die Industrie.

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Auch in dieser alten Feuerwache im Stadteil Hackney können Londoner ihre Stimmen abgeben. Wenn nicht gerade Wahltag ist, finden von Yoga über Akupunktur und Karate unzählige Aktivitäten in dem Gemäuer statt.

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Zuerst abstimmen, dann beten? Und falls der göttliche Beistand nicht reicht, hat zumindest der Wähler auf dem Bild seinen weltlichen Begleiter dabei.

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So viele Kandidaten wie noch nie stehen zur Wahl

Zur Wahl stehen die 650 Sitze im Londoner Unterhaus, das auch House of Commons heißt. Diese verteilen sich auf die Abgeordneten aus den vier Landesteilen des Vereinigten Königreichs. Jeder Abgeordnete vertritt jeweils einen Wahlkreis: 543 der Wahlkreise liegen in England, 57 in Schottland, 32 in Wales und 18 in Nordirland.

Insgesamt treten bei der Wahl 4.515 Kandidaten an und damit so viele wie noch nie zuvor. Die Zahl der Bewerber ist so hoch, weil die rechtspopulistische Partei Reform UK erstmals Kandidaten in Wahlkreisen aufstellt, in denen die Konservativen ebenfalls antreten. Zudem haben die Grünen mehr Kandidaten nominiert.

Die meisten Bewerber schicken die Torys ins Rennen: Sie stellen Kandidaten in 635 Wahlkreisen. Für Keir Starmers Labour-Partei treten 631 Kandidaten an – ebenso viele haben die Liberaldemokraten aufgestellt.

Die Grünen stellen 629 Kandidaten. Reform UK von Nigel Farage hat 609 Kandidaten aufgestellt. Auch gibt es Kandidaten, die für kleinere Parteien oder als Unabhängige antreten.

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Sarah Vojta

So viele Kandidaten wie noch nie stehen zur Wahl

Zur Wahl stehen die 650 Sitze im Londoner Unterhaus, das auch House of Commons heißt. Diese verteilen sich auf die Abgeordneten aus den vier Landesteilen des Vereinigten Königreichs. Jeder Abgeordnete vertritt jeweils einen Wahlkreis: 543 der Wahlkreise liegen in England, 57 in Schottland, 32 in Wales und 18 in Nordirland.

Insgesamt treten bei der Wahl 4.515 Kandidaten an und damit so viele wie noch nie zuvor. Die Zahl der Bewerber ist so hoch, weil die rechtspopulistische Partei Reform UK erstmals Kandidaten in Wahlkreisen aufstellt, in denen die Konservativen ebenfalls antreten. Zudem haben die Grünen mehr Kandidaten nominiert.

Die meisten Bewerber schicken die Torys ins Rennen: Sie stellen Kandidaten in 635 Wahlkreisen. Für Keir Starmers Labour-Partei treten 631 Kandidaten an – ebenso viele haben die Liberaldemokraten aufgestellt.

Die Grünen stellen 629 Kandidaten. Reform UK von Nigel Farage hat 609 Kandidaten aufgestellt. Auch gibt es Kandidaten, die für kleinere Parteien oder als Unabhängige antreten.

Jochen Bittner

Das Ende der erfolgreichsten Partei der Welt?

Wenn die Umfragen auch nur halbwegs stimmen, steht in Großbritannien nicht nur ein historischer Sieg für Labour bevor, sondern eine womöglich vernichtende Niederlage der Torys – einer Partei, die der Economist einmal „die erfolgreichste Partei der Welt“ nannte.

Tatsächlich verbrachten die britischen Konservativen von 190 Jahren ihrer Geschichte zwei Drittel an der Regierung, sie steuerten (mit Unterbrechungen) Großbritannien, während es ein Viertel der Erdoberfläche eroberte, der Welt die erste industrielle Revolution bescherte, Englisch zur Lingua franca des Planeten wurde, der Kapitalismus und das Common Law zum Betriebssystem des Westens und das Vereinigte Königreich zwei Weltkriege gewann.

Zur Bilanz der Torys gehört es auch, die erste Frau (Margaret Thatcher) und den ersten Hindu (Rishi Sunak) in die Downing Street befördert, die erste Muslimin ins Kabinett geholt und den ersten schwarzen Außenminister gestellt zu haben.

Sollten die Torys auf 100 oder weniger Sitze von 650 Unterhausmandaten reduziert werden, könnte es allerdings gut sein, dass innerhalb der verbleibenden Parlamentarier eine Auseinandersetzung darüber entbrennt, ob die Marke Tory tot ist – und ob man sich nicht der aufstrebenden Reform-Partei von Nigel Farage anschließen sollte. Es wäre, nach dem Tod von Elizabeth II., das Ende einer zweiten britischen Ära innerhalb weniger Jahre.

Bettina Schulz

Der Hieronymus Bosch des britischen Untergangs

Je schlechter die politischen Zeiten, desto besser der politische Humor. Hier ist eine Collage des politischen Kritikers und Satirikers Christopher Spencer zu sehen. Er veröffentlicht seine sarkastischen Kunstwerke als politische Kommentare bei X unter dem Namen Cold War Steve. Spencer wuchs in Birmingham auf, wurde von drei Kunstschulen abgelehnt, schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch und stieg nach einer schweren Lebenskrise in seine Collagenarbeit ein. Heute veröffentlicht er Bücher und Kalender, stellt seine Werke aus und ist aus dem politischen Diskurs kaum wegzudenken.

Seine Werke ähneln bewusst den Höllen des niederländischen Malers Hieronymus Bosch. Hier werden die gescheiterten Tory-Politiker auf das Schafott geführt und mit der Kloake besudelt, die derzeit in Großbritannien von den Wasserwerken überall in die Flüsse und ins Meer eingeleitet wird. 

pic.twitter.com/r8gTaDD5k9

— Cold War Steve (@coldwarsteve) July 3, 2024

„>

Cold War Steve on Twitter / X
pic.twitter.com/r8gTaDD5k9— Cold War Steve (@coldwarsteve) July 3, 2024
x.com

Katrin Scheib

Von Umfragen und Ex-Frauen

„Mit Umfragen ist es wie mit Ex-Frauen“, philosophierte unlängst der britische Komiker Andy Zaltzman: „Sie sind keine besonders verlässliche Quelle, aber wenn zehn von ihnen dasselbe sagen, dann könnte was dran sein.“

Tatsächlich kommen aktuelle Umfragen unter britischen Wahlberechtigten im Kern zum selben Ergebnis: Für Labour wollen demnach rund 39 Prozent stimmen, für die Konservativen rund 21 Prozent. Wer sich die Zahlen genauer ansehen will: Die BBC zeigt hier gebündelt die Ergebnisse aller relevanten Wahlumfragen im Vergleich.

Bettina Schulz

Warum wählen die Leute Labour? 

Voraussichtlich wird es in dieser britischen Unterhauswahl einen erdrutschartigen Sieg für die Labourpartei geben. Aber warum? Die Antwort: nicht etwa, weil die Wähler und Wählerinnen von dem Parteivorsitzenden Keir Starmer und dem Wahlprogramm der Partei so überzeugt wären.

Nach einer Umfrage der Analysegesellschaft YouGov wählen 48 Prozent der Öffentlichkeit Labour, um die Konservativen loszuwerden. Etwa 13 Prozent der Wähler und Wählerinnen wollen nach 14 Jahren Konservativen und den Skandalen der Regierung endlich Änderung. Alles andere ist (fast) egal. 

pic.twitter.com/i76S3Zlghu

— YouGov (@YouGov) July 3, 2024

„>

YouGov on Twitter / X
We asked Labour voters to tell us in their own words the main reason they are backing the party. For the largest number by far the key motivation is ousting the ConservativesTop 5 reasonsGet the Tories out: 48%Country needs a change: 13%Agree with their policies: 5%To… pic.twitter.com/i76S3Zlghu— YouGov (@YouGov) July 3, 2024
x.com

Sarah Vojta

Abstimmen im Waschsalon

Noch bis 22 Uhr Ortszeit können die Britinnen und Briten ihre Stimme abgeben. Nicht alle der Hunderte Wahllokale sind dabei in Schulen oder Gemeindezentren untergebracht, auch einige skurrile Orte sind dabei.
REUTERS/Dylan Martinez
Im Oxforder Stadtteil Headington haben die Behörden das Wahllokal in einem Waschsalon untergebracht. Und doch dürfte man dort heute nicht das Nützliche mit dem Nützlichen verbinden können – um die Wähler vor neugierigen Blicken zu schützen, sind die Maschinen wohl für die Dauer der Abstimmung außer Betrieb.
DARREN STAPLES/AFP
Ein Mann verwandelt diesen unscheinbaren Container in den Morgenstunden in eine Wahlkabine. Er steht auf einem Supermarktparkplatz im zentralenglischen Loughborough. Die rund 60.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählende Stadt ist vor allem bekannt für ihre Universität und für die Industrie.
PAUL ELLIS/AFP via Getty Images
Auch in dieser alten Feuerwache im Stadteil Hackney können Londoner ihre Stimmen abgeben. Wenn nicht gerade Wahltag ist, finden von Yoga über Akupunktur und Karate unzählige Aktivitäten in dem Gemäuer statt.
REUTERS/Lesley Martin
Zuerst abstimmen, dann beten? Und falls der göttliche Beistand nicht reicht, hat zumindest der Wähler auf dem Bild seinen weltlichen Begleiter dabei.

Katrin Scheib

Ein letzter Showdown

Eine Woche ist es her, dass sich Rishi Sunak und Keir Starmer in ihrem letzten TV-Duell gegenüberstanden. Solange wir hier auf die Schließung der Wahllokale um 23 Uhr warten, lohnt es sich, noch mal einen Blick auf diese Analyse meines Kollegen Jochen Bittner zu werfen. Er erlebte den mutmaßlichen Wahlverlierer „mit kaum verständlicher Stärke und den mutmaßlichen Gewinner, Keir Starmer, mit schwer begreiflicher Schwäche“.

Die ganze Analyse lesen Sie hier:

Claudia Thaler

Kinder rein, Hunde raus

In der Wahlkabine herrschen strenge Regeln. Eine kleine Auswahl der Dos and Don’ts:
  • Selfies in der Wahlkabine sind streng verboten! Darauf stehen hohe Geldstrafen oder ein Freiheitsentzug bis zu sechs Monate. Die Wahlkommission sieht nämlich das Wahlgeheimnis gefährdet und empfiehlt das Outdoor-Selfie.
  • Auch Hunde müssen draußen bleiben. Nur mit einer Spezialgenehmigung und in Ausnahmefällen darf das Tier mitgenommen werden.
  • Kinder in der Wahlkabine sind hingegen ausdrücklich erlaubt, die Kommission nennt es eine „Bildungsmaßnahme für Demokratie“. Nur das Kreuzchen ist ihnen untersagt, das müssen die Wahlberechtigten selbst machen. 
  • Beware of political discussions! Hier kennt die Kommission keinen Spaß. Die Wahlhelfer sind sogar befugt, bei solchen Gesprächen einzuschreiten und diese zu untersagen. 
In die Wahlkabine darf er nicht rein: Hunde müssen draußen bleiben. Foto: Paul Ellis/AFP/Getty Images

Bettina Schulz

Eine Partei zerlegt sich selbst

In meinem Artikel beschreibe ich heute, warum es zudem Niedergang der einst großen Partei der Konservativen gekommen ist. Immerhin gibt es die Torys seit 190 Jahren. Es ist die Partei der Margaret Thatcher. Aber eine Kette von Fehlentscheidungen hat letztlich zum Brexit geführt, der die Partei praktisch zerstört hat. Es ist auch eine Wirtschaftsgeschichte.

Die Probleme: Zerstörung der verarbeitenden Industrie unter Thatcher, Boom und dann Finanzkrise und Rezession. Drastische Sparwelle der Regierung und Frust der Bevölkerung, vor allem der verarmten working class. Dann die Illusion, die Wirtschaft könne sich unabhängig von den EU-Vorschriften schneller erholen und wettbewerbsfähiger werden. Dann immer mehr ideologischer Streit innerhalb der Partei und jahrelang kein vernünftiges Regieren mehr.

Die Öffentlichkeit fühlt sich verschaukelt, und die Partei ist am Ende. Heute sehen wir die gnadenlose Reaktion der Öffentlichkeit, die die Konservativen nach ihrem ideologischen und populistischen Experiment abwählt.

Den ganzen Text lesen Sie hier:

Katrin Scheib

Demokratie auf Speed

Politisch dürfte es heute alles andere werden als ein Kopf-an-Kopf-Rennen, sportlich hingegen sieht das ganz anders aus. Hier heißen die beiden Spitzenkandidaten auch nicht Sunak und Starmer, sondern Newcastle und Sunderland.

Die beiden Städte in Nordengland liegen in einem Wettstreit darum, wer am Wahlabend als erste britische Gemeinde mit der Auszählung aller Stimmzettel durch ist. Und ja, es wird nicht nur schnell gezählt, sondern auch gerannt. Die Helfer rennen mit den Wahlurnen hin und her.

Eine Kollegin vom Guardian hat das im Detail aufgeschrieben, einschließlich des Satzes, mit dem Newcastle beteuert, doch eigentlich gar nicht gewinnen zu wollen: Im Grunde gehe es ja um „um eine korrekte Auszählung, nicht um eine schnelle“.

Jochen Bittner

Zu Gast in Keir Starmers Stammpub

Kentish Town heißt das Viertel in Nordlondon, in dem der voraussichtliche neue Premierminister Keir Starmer mit seiner Frau und seinen beiden Teenagerkinder lebt – oder bisher lebte, falls er in den nächsten Tagen in die Downing Street umziehen wird. Von der etwas heruntergekommenen Hauptstraße gehen Wohnstraßen mit herausgeputzten Town Houses ab. Für knapp 2.000 Pfund Monatsmiete bekommt man hier laut Maklerplakaten eine Einzimmerwohnung.

Etwas versteckt, in einer Seitenstraße, liegt Starmers Stammpub namens Pineapple. Es ist eines dieser englischen Kneipenjuwelen, mit Mahagoni-Paneelen, bemaltem Glas und ohne plärrende Flachbildschirme. 1868 als Auftankstelle für Eisenbahnarbeiter eröffnet, retteten die Nachbarn das Pineapple vor gut 20 Jahren vor dem Abriss. Das Pineapple Rescue Committee, in dem sich unter anderem der Schauspieler Rufus Sewell (The Man in the High Castle, Scoop) engagierte, sorgte dafür, dass das Gebäude 2001 unter Denkmalschutz gestellt wurde.

Seit 2001 unter Denkmalschutz: das Pineapple in Kentish Town. Jochen Bittner
Eine Bar wie ein Altar, so gehört es sich. Jochen Bittner
Beachten Sie bitte auch die fehlenden Flachbildschirme …. Jochen Bittner
Zeitlose Deko ist die beste Deko. Jochen Bittner
„The eccentric Joe Davis“ – sicher ein gern gesehener Pubbesucher . Jochen Bittner
Gut gegen Smartphones. Jochen Bittner
Die beiden mittelalten Männer, die heute während meines Besuchs an der Bar sitzen, waren schon wählen, sagen sie. Der eine Labour, der andere: „Sie können fragen, aber ich werd’s Ihnen nicht sagen.“
 
Ja, sicher hätten sie Keir Starmer hier schon gesehen, sagen sie. Ja, sicher sitze er auch an der Bar und trinke sein Pint. Warum denn nicht? „Er ist ein ganz normaler Mensch“, zuckt der Stammgast mit den Schultern. „Wie alle anderen hier auch.“ Das dürfte sich ab morgen aber ändern, oder? Kein Pineapple mehr für den Premierminister? Muss man abwarten, lautet die nochmals schulterzuckende Antwort, das komme ja auch auf seine Sicherheitsmaßnahmen an.

Der Curry-Mittagstisch hier ist übrigens nicht nur hervorragend, sondern auch erschwinglich.

Jochen Bittner

Labours größter Wahlhelfer

Der größte Wahlhelfer für Labour ist, so paradox es klingt, Nigel Farage, der Ex-Chef der Ukip-Partei. Farage, auf dem Kontinent besser bekannt als Mr. Brexit, tritt mit seiner Reform-Partei bei den Unterhauswahlen an. Sie ist eine Anti-Establishment-Bewegung, die vor allen Dingen auf das Thema Einwanderung setzt.

Farages Rückkehr auf die politische Bühne haben die Torys lange Zeit befürchtet, denn:

Fast jede Stimme für Reform dürfte eine Stimme weniger für die Torys sein. Farage spaltet also das rechte Lager, und davon profitiert Labour, weil deren Kandidaten jetzt bessere Chancen haben, in den Wahlkreisen die notwendigen relativen Mehrheiten zu erlangen.

Nigel Farage trifft potenzielle Wähler und Wählerinnen in Clacton-on-Sea. Henry Nicholls/AFP/Getty Images
Farages Partei selbst dürfte gar nicht viele Wahlkreise holen. Aber das ist auch gar nicht sein Hauptziel. Was er will, ist, die Konservative Partei zu zerstören, um auf den Trümmern eine, wie er sagt, „Massenbewegung“ aufzubauen, die dann in fünf Jahren die Chance hätte, die Parlamentswahlen zu gewinnen.

Sein Vorbild ist die Reform-Partei in Kanada. Bei den dortigen Wahlen 1993 wurde die Progressiv-Konservative Partei vernichtend geschlagen. Zehn Jahre später taten sich ihre verbliebenen Kräfte mit Reform zu einer neuen Konservativen Partei zusammen.

In landesweiten Umfragen kommt Farages Reform auf über 15 Prozent der Stimmen, und das, obwohl Farage sich erst vor sechs Wochen entschlossen hat, bei der Wahl anzutreten.

Was Reform-Unterstützer über ihre Motivlage sagen, lesen Sie ausführlich in dieser Reportage aus Farages Wahlkreis Clacton-on-Sea.

Katrin Scheib

Britischer Humor bei Wahlkandidaten

Sunak, klar, Starmer, natürlich, aber wer ist noch mal der Typ mit dem Mülleimer als Helm? In Großbritannien würde sich niemand diese Frage stellen, Count Binface ist dort allseits bekannt und trat schon bei vielen Wahlen an. So kandidierte er 2017 gegen Theresa May und 2019 gegen Boris Johnson, diesmal hat er sich für den Wahlkreis von Rishi Sunak entschieden.
Ich bin hier, um wertzuschätzen, zu verteidigen, zu feiern, dass jeder im Vereinigten Königreich nicht nur wählen, sondern auch kandidieren kann, egal welche Plattform er hat oder wie idiotisch er aussieht.

Count Binface (bürgerlich Jonathan Harvey), Kandidat bei der Parlamentswahl

Darth Vader für Arme? Nicht ganz. Das hier ist Count Binface, er kandidiert im Wahlkreis von Rishi Sunak. Leon Neal/Getty Images
Satirekandidaten wie der Mülltonnenmann haben in Großbritannien Tradition. Zu den Veteranen gehört die Official Monster Raving Loony Party (Offizielle Partei der rasenden verrückten Ungeheuer), die Anfang der 1980er-Jahre gegründet wurde und seitdem mit bizarr wirkenden Programmen an Wahlen teilnimmt.

Sarah Vojta

Verlieren wird der gemäßigte Konservatismus

Schlecht, katastrophal oder desaströs – irgendwo entlang dieser Skala wird sich heute das Wahlergebnis der Torys bewegen. Selbst innerhalb der Konservativen Partei zweifelt niemand an der Niederlage.

Dabei stellte sie seit 2020 den Premierminister, in der vergangenen Legislaturperiode sogar mit der größten Regierungsmehrheit seit Margaret Thatcher. Wie das Wahlergebnis die Torys verändern könnte, analysiert der Politikwissenschaftler Thomas Biebricher von der Universität Frankfurt in seinem Gastbeitrag auf ZEIT ONLINE.

Mehr dazu lesen Sie hier:

Claudia Thaler

Wahlspots und Gebetsoffensive

Auch die Kirchen in Großbritannien wenden sich mit eigenen Kampagnen an die Wählerschaft. Die katholische Kirche setzt auf Wahlspots, die anglikanische auf eine Gebetsoffensive. 21 Tage lang gab es dort eine Aktion unter dem Motto Pray Your Part. Das Ziel: ein freundlicher und höflicher Umgang bei der Wahl.

Die katholischen Bischöfe erstellten zudem einen eigenen Wahlleitfaden, der konkrete Handlungsempfehlungen zu wichtigen Fragen gibt. „Wir sind aufgerufen, Migranten und Flüchtlinge willkommen zu heißen, zu schützen und zu integrieren“, heißt es darin etwa. Ein klarer Gegensatz zum Plan der Torys, irregulär eingereiste Migranten nach Ruanda abzuschieben.

Auch die Lebenshaltungskosten sind ein Kapitel im Leitfaden. Durch Steuererleichterungen oder Zuschüsse bei den Wohnkosten sollten Familien besser unterstützt werden. Schließlich müsse sichergestellt werden, „dass Familien ein anständiges Zuhause haben können“.

Auf solche Einlassungen verzichtet die anglikanische Staatskirche, die offenbar mehr auf Neutralität setzt. Sie wollen das Gebet in den Mittelpunkt ihrer Kampagne stellen.

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