Es kann knapp werden, sehr knapp: Inzwischen stehen die Kandidaten für die Stichwahlen und Dreierkonstellationen in der zweiten Runde der französischen Parlamentswahlen fest. Erste Projektionen gehen davon aus, dass Marine Le Pen zwar mit großem Abstand die meisten Abgeordneten stellen, aber die absolute Mehrheit knapp verfehlen wird.
Allerdings gibt es zwei Unsicherheiten: Gewählt wird in 577 Wahlkreisen, wo es jeweils lokale Gründe gibt, eine Rechtsextreme an die Macht zu bringen oder eben nicht. Bei den vergangenen Parlamentswahlen wurden die Erfolge von Le Pen massiv unterschätzt: Sie erhielt am Ende viermal so viele Sitze wie erwartet. Die Zahl der Abgeordneten der Regierungspartei von Präsident Emmanuel Macron wurden hingegen ordentlich überschätzt. Völlig unklar ist, ob die Wählerinnen und Wähler, die in der ersten Runde beispielsweise Macron gewählt haben, in einem verbleibenden Duell zwischen Le Pen und Linken nicht doch die Rechtsextreme wählen. Außerdem hat Le Pen bereits angekündigt, Politiker und Politikerinnen aus anderen Parteien in ihre Fraktion einzuladen – um letztlich doch genug Stimmen zu sammeln, damit es für ihren Ziehsohn Jordan Bardella zum Premierminister reicht.
Das Ende vieler Karrieren
Der aktuellen Wahlarithmetik ging ein beispielloses Tauziehen in den Parteien voraus. Sie mussten für die zweite Wahlrunde am Sonntag ihre Kandidatinnen und Kandidaten einschreiben – oder sie eben im Falle einer Dreierkonstellation zurückziehen, wenn sie die Chancen für die Rechtsextremen mindern wollten. Mindestens 221 Personen haben ihre Kandidatur zurückgezogen, darunter 132 von der links-grünen Neuen Volksfront und 83 von Macrons Wahlbündnis Ensemble.
Es sind schwierige Stunden für viele politische Karrieren in Frankreich: Radikal Linke müssen nun die frühere Premierministerin Élisabeth Borne unterstützen, die die einst so harsch bekämpfte Rentenreform durchsetzte. Neoliberale Konservative müssen ihre Stimme Linken verleihen, die sie kürzlich noch als „gefährliche Chaostruppe“ bezeichneten und die sich für drastisch höhere Spitzensteuersätze einsetzen. Viele müssen also Werbung machen für eine Person, gegen die sie noch bis zur ersten Runde der Parlamentswahlen am Sonntag flammende Reden gehalten haben.
Aber ob dies reicht? Am Ende könnte es an ein oder zwei Abgeordneten hängen, ob Le Pens Rassemblement National eine eigene Mehrheit findet. Und Macrons Partei, die große Verliererin der selbst ausgerufenen Parlamentswahlen, hat zwar viele Kandidaten zurückgezogen, aber eben nicht alle. Und so bleiben noch Dreierkonstellationen übrig, in denen sich Macronisten, Linke und Rechtsextreme gegenüberstehen – und in denen am Ende Le Pen profitieren könnte.
In dieser zweiten Runde reicht nämlich eine einfache Mehrheit: Eine Stimme Vorsprung genügt, um Abgeordneter zu werden. Zwar hatten sowohl Premierminister Gabriel Attal als auch Macron öffentlich dazu aufgerufen, die Brandmauer gegen den Rassemblement National hoch zu halten. In Wahlkreisen, in denen ihnen der linke Gegenkandidat zu Le Pen nicht gefiel, blieben ihre Leute aber im Rennen. Auch, wenn es um moderate Linke ging. Hieß es zunächst, sie könnten sich nicht für die radikal linken Insoumis werben, tritt etwa ihre drittplatzierte Kandidatin Anne-Laurence Petel in Aix-en-Provence gegen einen Le-Penisten und einen Sozialisten an. Was wiederum wahrscheinlicher macht, dass der Rechtsextreme in der südfranzösischen Stadt gewinnt.
Auch Le Pen muss sich von einer Kandidatin trennen
Auch ist nicht ausgeschlossen, dass Le Pen Abgeordnete finden wird, die zuvor unter einer anderen Parteifahne ins Parlament eingezogen sind. Schon nach den für Le Pen sehr erfolgreichen Europawahlen Anfang Juni hat ein Teil der konservativen Republikaner – darunter ihr Parteichef Éric Ciotti – eine Allianz mit den Rechtsextremen geschmiedet. Nur deshalb kommt Le Pen überhaupt so nah an die absolute Mehrheit heran. Aus dieser Fraktion könnten nun weitere Personen wechseln. Sie haben ohnehin ihr Programm stark an den Rechtsextremen ausgerichtet.
Der Rassemblement National selbst hat auch eine Kandidatin zurückgezogen: Ludivine Daoudi aus dem bretonischen Caen. Von ihr wurde ein Foto publik, auf dem sie lächelnd eine Schirmmütze der NS-Luftwaffe mit einem Hakenkreuz trägt. Das sei schon „länger her“ und zeuge von „schlechtem Geschmack“, sagte die Partei daraufhin – und nahm Daoudi aus dem Rennen. Viele weitere Kandidaten, deren homophobe oder rassistische Äußerungen bekannt sind, treten allerdings weiterhin an. Etwa Gilles Bourdouleix, der einmal über Roma sagte, „Hitler habe wohl nicht genug von ihnen getötet“. Dafür wurde der Bürgermeister im westfranzösische Cholet in erster Instanz wegen Verherrlichung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Die zweite Instanz hob das Urteil auf, weil der Satz in einem „privaten Rahmen“ gefallen sei. Das Video mit seiner brutalen Äußerung ist immer noch online. Und Bourdouleix kann immer noch Abgeordneter werden.
Es kann knapp werden, sehr knapp: Inzwischen stehen die Kandidaten für die Stichwahlen und Dreierkonstellationen in der zweiten Runde der französischen Parlamentswahlen fest. Erste Projektionen gehen davon aus, dass Marine Le Pen zwar mit großem Abstand die meisten Abgeordneten stellen, aber die absolute Mehrheit knapp verfehlen wird.
Allerdings gibt es zwei Unsicherheiten: Gewählt wird in 577 Wahlkreisen, wo es jeweils lokale Gründe gibt, eine Rechtsextreme an die Macht zu bringen oder eben nicht. Bei den vergangenen Parlamentswahlen wurden die Erfolge von Le Pen massiv unterschätzt: Sie erhielt am Ende viermal so viele Sitze wie erwartet. Die Zahl der Abgeordneten der Regierungspartei von Präsident Emmanuel Macron wurden hingegen ordentlich überschätzt. Völlig unklar ist, ob die Wählerinnen und Wähler, die in der ersten Runde beispielsweise Macron gewählt haben, in einem verbleibenden Duell zwischen Le Pen und Linken nicht doch die Rechtsextreme wählen. Außerdem hat Le Pen bereits angekündigt, Politiker und Politikerinnen aus anderen Parteien in ihre Fraktion einzuladen – um letztlich doch genug Stimmen zu sammeln, damit es für ihren Ziehsohn Jordan Bardella zum Premierminister reicht.