Paramount-Serie „The Curse“: Emma Stone ist die Cringe Queen

Die Promotionsvorhaben welcher Zukunft sieht man schon vor sich: „Die Geburt des ‚Cringe‘ aus dem Geist der sozialen Medien“ oder so ähnlich. Noch aber ist man gefangen in der Unübersichtlichkeit der Gegenwart, in der man sich fragt, wann genau der Begriff „Cringe“ so allgegenwärtig werden und sich als Genre weit über den Comedy-Bereich hinaus etablieren konnte. Die Serie The Curse (zu sehen beim Streaminganbieter Paramount+) jedenfalls ist keine Komödie. Wer über auch nur eine der Figuren oder Situationen lachen kann, tut dies streng gegen eigenes besseres Wissen und moralisches Empfinden. Andernfalls müsste die Gesellschaft vor ihm/ihr/ihnen gewarnt werden.

Das nämlich unterscheidet The Curse von den artverwandten Serien Lass es, Larry! oder The Office: Man gewöhnt und immunisiert sich hier nicht an beziehungsweise gegen die Fremdscham. Sicher, auch Larry David ist in Lass es, Larry! stellenweise nur schwer zu ertragen, wenn er mit bewundernswerter Unempfindlichkeit seine egoistischen Interessen gegen die sozialen Normen durchboxt. Aber erstens kommt er eigentlich nie ganz ungeschoren davon, und zweitens liegt er auf bestimmte Weise auch oft richtig bei seinem Kampf gegen die hohlen Etiketten des Alltäglichen. Whitney (Emma Stone) und Asher (Nathan Fielder) aber, das Paar im Zentrum von The Curse, liegen in allem falsch, sowohl was ihr Selbstbild als auch was ihre Wahrnehmung der Welt um sie herum angeht.

Den roten Faden der zehnteiligen Serie bildet genretypisch eine Serie-in-der-Serie: Whitney und Nathan wollen aus ihrem Leben ein Reality-TV-Projekt machen. Um eine Promo-Pilotfolge zu drehen, hat Asher seinen alten Kumpel Dougie (Benny Safdie) engagiert. Der Titel des Projekts soll „Flipanthropy“ sein, denn die beiden wollen ihr Immobiliengeschäft in New Mexico als Gutmenschenprojekt an der ökologischen Front des Klimaschutzes, der Antigentrifizierung und der Aussöhnung mit indigenem Erbe verkauft sehen. Als sie den Zuschlag dann bekommen und der Dreh stattfindet, gesteht Whitney dem Regisseur Dougie allerdings eine noch bessere Titel-Idee: „The Green Queen“. Cringe, cringier, am cringiesten.

Mit jeder Folge fühlt man sich schlechter

Bis dahin hat man alle Figuren dieser Serie bereits gründlich zu verachten gelernt. Whitney selbst ist die Tochter eines „Slumlords“, die die Sünden ihres Vaters durch Konstruktion von „Passivhäusern“ und Proklamation von Verbundenheit mit indigenen Traditionen wiedergutmachen will. Zugleich ist sie eine schlimme Kombination von „verwöhnt“ und „raffiniert“. Einerseits glaubt sie geschäftsblind, mit ihrem ererbten Geld alles ausgleichen zu können, was das Leben ihr an Unannehmlichkeiten in den Weg stellt, andererseits erweist sie sich als sehr geschickt darin, mit passiv-aggressiver Freundlichkeit jede und jeden um sich herum für ihre narzisstischen Zwecke einzuspannen.

Ihr Mann Asher mag der bessere Geschäftsmann sein – was sie gern zum augenrollenden Vorwurf „Dir geht’s immer nur ums Geld“ nutzt –, er muss seine Pläne nunmehr ohne Whitneys soziales Geschick durchsetzen. Dabei macht er sich eine innerer Schamlosigkeit und Erniedrigungsbereitschaft zu eigen, die so ekelerregend ist, dass viele Folgen verschmelzen manifest schlechten Geschmack im Mund vererben. Tatsächlich ist seine Figur in den ersten Folgen die „cringieste“. Wenn er versucht, seine Anspannung vor welcher Kamera mit Witzen aufzulockern, geht dasjenige jedes Mal nachdem hinten los. Whitney bucht ihm verschmelzen Comedy-Workshop, nunmehr beiläufig da macht er unter all den Möchtegern-Comedians eine so schlechte Figur, dass man ihn rauswirft. Wo Whitney zumindest noch irgendwas an ihrem eigenen Öko-Image liegt – wenn beiläufig nicht an den Anliegen per se –, stellt sich Asher qua Mann ganz ohne Überzeugungen hervor, welcher was auch immer und jeden zu verraten fertig ist, wenn es ihm irgendwas verdienen könnte. Und dann ist da noch Dougie, welcher schmierige Reality-TV-Regisseur mit Alkoholproblem, welcher die Skrupellosigkeit zu seinem Beruf gemacht hat. Was nunmehr nicht heißt, dass er im besonderen gut darin wäre.

Falls dasjenige solange bis hierhin noch nicht lukulent genug war: The Curse ist dasjenige Gegenteil einer Wohlfühlserie. Schlimmer: Mit jeder Folge fühlt man sich rückblickend unterlegen. So präzise und hochkomplex ist die Beschreibung von Hybris und Heuchelei, von White-Saviour-Komplex und Ignoranz, dass man den titelgebenden Fluch sehnlichst herbeiwünscht.

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