Palantir-Chef: „Wir Vertrauen schenken, wir zeugen Amerika tödlicher“

Palantir-Chef: „Wir Vertrauen schenken, wir zeugen Amerika tödlicher“

Alex Karp hat eine enge Verbindung zu Deutschland. Der Mitgründer und Vorstandschef des amerikanischen Softwarespezialisten Palantir hat einst an der Frankfurter Goethe-Universität unter Jürgen Habermas studiert und dort auch seinen Doktortitel in Philosophie gemacht, seine auf Deutsch verfasste Doktorarbeit hatte den Titel „Aggression in der Lebenswelt“. Seinem gerade erschienenen Buch „The Technological Republic“ hat er ein Zitat aus Goethes Faust vorangestellt: „Werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen, Wenn es euch nicht von Herzen geht.“

Karps Blick auf Deutschland ist heute allerdings sehr kritisch, wenn nicht sogar vernichtend. Das gilt gerade mit Blick auf die militärischen Fähigkeiten des Landes. Die deutschen Streitkräfte seien nach Jahrzehnten der „Selbstgeißelung“ nur noch eine „Karikatur“, und das Land habe sich selbst „kastriert“, schreibt er in seinem Buch. Es habe eine „Überkorrektur“ stattgefunden, für die nun ganz Europa einen hohen Preis bezahle: „Der Rückzug eines starken und durchsetzungsfähigen Deutschlands hat ohne Zweifel zu Russlands Invasion in der Ukraine beigetragen.“

Auch mit der deutschen Technologiebranche geht Karp hart ins Gericht. Gegenüber dem Fernsehsender CNBC sagte er vor wenigen Tagen, Deutschland habe „de facto fast keine Tech-Szene“. Niemand glaube an sie, und niemand investiere in sie. All das sagt Karp aus der Warte eines Technologieunternehmens, das einen Großteil seines Geschäfts mit dem Militär macht.

Palantir verkauft seine Software zwar auch an Unternehmen, aber der wichtigste Kunde ist die US-Regierung und hier vor allem das Verteidigungsministerium. Das Geschäft läuft derzeit glänzend, und Palantir war in der jüngsten Zeit einer der größten Börsenlieblinge. Zwar ist der Kurs in den vergangenen Tagen deutlich gefallen, aber die Aktie kostet heute noch immer rund dreimal so viel wie vor sechs Monaten.

Die gute Entwicklung hat mit dem zuletzt rasanten Umsatzwachstum zu tun, und auch mit der Hoffnung, dass das Unternehmen von Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus profitieren und sich in dessen Amtszeit viele neue Regierungsaufträge sichern kann. Der Kursschub hat Karp um einiges reicher gemacht, „Forbes“ schätzt sein Vermögen auf 8,1 Milliarden Dollar. Einer seiner Mitgründer, der deutschstämmige Investor Peter Thiel, kommt sogar auf mehr als 16 Milliarden Dollar.

„Wir machen Amerika tödlicher“

Palantir versteht sich als Rüstungskonzern der neuen Generation, der etablierten Anbietern wie Lockheed Martin Konkurrenz macht. Das Unternehmen wurde im Jahr 2003 mit dem Ziel gegründet, der US-Regierung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 im Kampf gegen Terrorismus zu helfen. Es ist auf Software zur Analyse großer Datenmengen spezialisiert. In den Anfangsjahren wurden diese Programme zum Beispiel eingesetzt, um vorherzusagen, wo an Straßenrändern in Afghanistan Bomben versteckt sein könnten. Palantir vergleicht seine Arbeit mit der Suche nach Nadeln in „Tausenden von Heuhaufen“. Dabei kommt heute zunehmend Künstliche Intelligenz zum Einsatz.

Karp beschreibt Palantir gerne als Unternehmen mit starkem moralischem Kompass, und er gibt sich stolz auf seine Arbeit. „Wir glauben, wir machen Amerika tödlicher“, sagte er unlängst bei der Vorlage von Geschäftszahlen. Wenn notwendig, helfe Palantir dabei, „Feinden Angst zu machen und sie gelegentlich zu töten“. Kürzlich brachte Palantir einen Werbespot heraus, der diverse Waffensysteme im Einsatz zeigt und mit dem Slogan endet: „Schlachten werden gewonnen, bevor sie beginnen.“

In seinem Buch gibt Karp zu, es sei nicht unumstritten, dass Palantir Produkte herstelle, die zu Angriffszwecken genutzt werden können. „Aber wir haben eine Wahl getroffen, ungeachtet ihrer Kosten und Komplikationen.“ Es ist Palantirs erklärte Politik, nur die USA und ihre Verbündeten zu beliefern und Geschäfte mit Ländern wie China und Russland abzulehnen. Palantirs Software wird etwa von der Ukraine genutzt, Karp hat wenige Monate nach Russlands Invasion 2022 den Präsident Wolodymyr Selenskyj besucht. Auch im Nahostkonflikt bezieht das Unternehmen Position. Kurz nach dem Angriff der Hamas in Israel im Oktober 2023 schaltete es eine ganzseitige Zeitungsanzeige mit dem Satz „Palantir steht auf Israels Seite“.

„Verlust nationaler Ambition“

In seinem Buch erhebt sich Karp über andere Technologieunternehmen und kritisiert sie scharf. Er beklagt, dass ihnen die Bereitschaft fehle, sich in den Dienst des Staates zu stellen, so wie Palantir dies tue. Er nennt Google, Amazon und Facebook als Beispiele dafür. „Das Silicon Valley ist vom Weg abgekommen,“ schreibt er.

Gerne werde dort heute vergessen, dass die US-Regierung der Branche im vergangenen Jahrhundert durch enge Partnerschaften zu ihrem Aufstieg verholfen habe, stattdessen würden Erfolge nur auf die eigene Innovationskraft zurückgeführt. Die „moderne Inkarnation“ des Silicon Valley habe sich von einer Tradition der Zusammenarbeit mit der US-Regierung verabschiedet, um sich auf verbrauchernahe Aktivitäten wie Onlinewerbung oder soziale Netzwerke zu konzentrieren – die Karp offenbar für Banalitäten hält.

Der Staat werde nicht als Partner gesehen, sondern als Innovationshindernis. Wobei Karp schreibt, vieles von dem, was heute als Innovation durchgehe, werde noch vor dem Ende des Jahrzehnts vergessen sein. Eine Erklärung für diese Entwicklung sieht der 57 Jahre alte Palantir-Chef in einer „emotionalen Distanz“ zu den dunkleren Zeiten, die Amerika im vergangenen Jahrhundert durchgemacht habe: „Die fähigste Generation von Programmierern hat nie einen Krieg oder echte gesellschaftliche Umwälzungen erlebt.“

Die Regierung wiederum hat nach seiner Ansicht den Fehler gemacht, sich zu sehr auf die private Industrie zu verlassen. Es gebe einen „Verlust nationaler Ambition“, der zu einer „Innovationslücke“ geführt habe. Karp meint, die Technologiebranche habe eine Pflicht, den Staat zu unterstützen, dem sie so viel zu verdanken habe. Das sei umso wichtiger in der gegenwärtigen KI-Ära, die geopolitische Rivalen in die Lage versetzen könnte, Amerika zu schwächen.

Karp ist schon öfter als Kritiker seiner eigenen Branche aufgefallen. Vor Palantirs Börsengang 2020 schrieb er in einem Brief an die künftigen Aktionäre: „Unser Unternehmen ist im Silicon Valley gegründet worden. Aber wir scheinen immer weniger Werte mit dem Technologiesektor zu teilen.“ Palantir ist auch räumlich auf Distanz gegangen und hat kurz vor dem Börsengang seine Zentrale vom Silicon Valley nach Denver verlegt.

Hymnisches Lob für Elon Musk

Wen Karp in seinem Buch als „Ausnahme“ lobend erwähnt, ist Elon Musk. Der Multiunternehmer habe mit dem Elektroautohersteller Tesla und dem Raumfahrtspezialisten SpaceX „eklatante Innovationslücken“ auf Gebieten gefüllt, wo Regie­rungen ihre Anstrengungen zurückgefah­ren hätten. Dies habe „enorme Ressourcen“ erfordert, und Musk sei ein hohes Risiko eingegangen. In dem CBNC-Interview hat sich Karp auch positiv über Musks kontroverse Rolle in Trumps Regierung geäußert, wo er mit einer Arbeitsgruppe namens „Department of Government Efficiency“ versucht, Staatsausgaben zu kürzen. Musk sei „die qualifizierteste Person in der Welt, um das zu tun“.

Wenn Karp sich als Kämpfer für die richtigen Werte beschreibt, tut er das im Bewusstsein, dass Palantir oft dämonisiert worden ist. Dem Unternehmen ist zum Beispiel vorgeworfen worden, sich mit seiner Software zum Werkzeug für staatliche Überwachung oder die Abschiebung von Einwanderern zu machen.

Auch dass Peter Thiel einer der ersten Vertreter der Technologiebranche war, die Trump offen unterstützt haben, hat für Argwohn gesorgt. Thiel und Karp haben sich während des Jura-Studiums an der kalifornischen Stanford-Universität angefreundet, trotz unterschiedlicher politischer Positionen. Karp sagt, er sei die meiste Zeit seines Lebens Anhänger der Demokraten gewesen und habe im vergangenen Jahr Trumps Rivalin Kamala Harris unterstützt. Zuletzt hat er die Partei aber auch scharf kritisiert.

Mehr zum Thema

Karps wenig schmeichelhafte Meinung über Deutschland und Europa im Allgemeinen dürfte damit zu tun haben, dass Palantirs Geschäft sich hier deutlich schlechter entwickelt als auf dem Heimatmarkt. Während der Konzernumsatz im jüngsten Berichtsquartal um 36 Prozent wuchs, waren es in Europa nur vier Prozent. Karp nannte das in einer Konferenz mit Analysten „blutleer“ und beschrieb europäische Unternehmen als rückständig. „Die schauen sich Powerpoint-Präsentationen an, wie man Technologie in den Fünfzigerjahren installiert hat.“ In einem Gespräch auf der Plattform X riet Karp Deutschen, die in der Technologiebranche arbeiten, nach Amerika zu gehen. Dort finde gerade eine „Revolution“ statt, sagte er – und unterstrich das mit einer deutschen Redewendung: „Dort spielt die Musik.“

AbschiebungAfghanistanAggressionAktionäreAmazonAnalystenArbeitBuchChinaDeutschlandDoktortitelDollarDonaldElonEndeEuropaFacebookFrankfurtGoetheGoogleHamasHarrisHerzIndustrieIntelligenzIsraelJürgenKamalaKIKriegKünstliche IntelligenzKurzLockheed MartinMANMartinMilitärMusikMuskPartnerschaftenPeterPhilosophiePolitikRegierungRusslandSelbstSelenskyjSilicon ValleySoftwareSoziale NetzwerkeSpaceXTerrorismusTeslaThielTrumpÜberwachungUkraineUnternehmenUSUSAVermögenVerteidigungsministeriumWahlWELTWolodymyrWolodymyr SelenskyjZeit