Pager-Explosionen: „Wir wollten diesen Krieg nicht, aber wir werden mit hineingezogen“

Es war ein Schock für viele Menschen im Libanon, als Tausende Pager explodierten und tags darauf weitere Geräte – auch wenn sie mit israelischen Angriffen gerechnet hatten. Jetzt haben viele die Sorge, dass der große Krieg zwischen Israel und der Hisbollah beginnt. Einige haben Angst, überhaupt noch Handys zu benutzen. Wir haben drei Menschen gefragt, was sie vor Ort erlebt haben und wie sie in die Zukunft blicken.

„Niemand fühlt sich mehr sicher“

Omar*, 29, Notfallsanitäter aus Tripoli im Nordlibanon

Ich habe über Social Media von den Pager-Explosionen mitbekommen. Zuerst habe ich gedacht, dass es sich um Einzelfälle handelt. Dass vielleicht ein paar Akkus überhitzt sind, wie es 2022 mal mit einigen Samsung-Handys der Fall war. Dass hinter den Explosionen ein großer Angriff steckt, habe ich nicht für möglich gehalten.

Ich arbeite seit mehr als zehn Jahren als Notfallsanitäter. Seit Beginn des Kriegs im vergangenen Oktober bin ich außerdem in die Vorbereitung auf sämtliche Notfallszenarien eingebunden, die das Gesundheitsministerium leitet. Dabei haben wir uns auch mit der Frage auseinandergesetzt, auf welche Kommunikationsgeräte wir zurückgreifen können, wenn im Fall eines großen Kriegs das Handynetz zusammenbricht. Dass Walkie-Talkies oder Pager manipuliert werden können und dann zu einer Gefahr werden – mit diesem Szenario hat wirklich niemand gerechnet.

Improvisierte Blutspende im Süden von Beirut am Tag nach den Pager-Explosionen

Nach den Angriffen am Dienstag bin ich sofort nach Beirut gefahren, um meine Kolleginnen und Kollegen vor Ort zu unterstützen. Zu Beginn haben wir Verletzte von der Straße oder aus Supermärkten abgeholt und in die Notaufnahme gefahren. Da viele Krankenhäuser komplett überfüllt waren, haben wir den restlichen Abend lang Patientinnen und Patienten aus überfüllten Kliniken in andere Krankenhäuser mit mehr Kapazitäten verlegt.

Die meisten Patientinnen und Patienten, die ich betreut habe, hatten amputierte Hände und Finger, und vielen fehlten Augen. Am schwierigsten zu behandeln waren diejenigen mit Verletzungen im unteren Bauchbereich. Es ist schwer, Blutungen in diesem Körperbereich zu stoppen. Viele der Patienten hatten große Angst. Die eigenen Hände oder Augen zu verlieren, dürfte für die meisten Menschen ein absolutes Horrorszenario sein.

Ich habe an dem Tag wirklich viel Blut gesehen, aber das macht mir nichts. Ich habe als Notfallsanitäter im Libanon schon viele Katastrophen miterlebt, wie etwa die Explosion im Hafen von Beirut 2020. Die Verletzungen haben mich nicht schockiert, die große Anzahl der Verletzten allerdings schon. Viele Notaufnahmen waren so voll, dass die Menschen auf dem Boden saßen. Verletzte und Angehörige weinten, dazwischen waren Menschen, die das Klinikpersonal fragten, ob ihre Angehörigen hier eingeliefert wurden.

AuslandGesundheitsministeriumHandysHisbollahIsraelKatastrophenKlinikenKollegenKrankenhäuserKriegLangLibanonSamsungSocial Media