Organisatorin No Kings: „Trumps Angriff hinauf Arbeitnehmerrechte ist existenzgefährdend“

Am Samstag protestieren Millionen Menschen in über 2.500 Orten quer durch Amerika – von Kleinstädten bis Metropolen – gegen die Trump-Regierung. Die breite Koalition aus Organisationen und Gewerkschaften, die die „No Kings“-Demonstration ruft, fordert erneut dazu auf, ein klares Zeichen zu setzen: Donald Trump ist kein König. Sie wollen damit ein Zeichen gegen den aus ihrer Sicht wachsenden Autoritarismus setzen. Die Gewerkschafterin Hae-Lin Choi aus New York hat bereits Gewerkschaftserfahrung: Bevor sie nach New York zog, arbeitete sie über 15 Jahre bei ver.di.

Der Freitag: Frau Choi, in den USA protestieren Millionen Menschen unter dem Motto „No Kings“ gegen Trumps Politik. Viele Gewerkschaften, darunter auch Ihre, die Communication Workers of America (CWA), unterstützen diese Bewegung. Welche Folgen hat die Trump-Regierung für Arbeitnehmerrechte und Gewerkschaften in den USA?

Hae-Lin Choi:Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass Trumps Angriffe auf die Arbeitnehmerrechte existenzbedrohend sind. Er besetzte das Arbeitsministerium mit Gewerkschaftsgegnern und begann schon in seiner ersten Amtszeit, die Rechte der Beschäftigten massiv einzuschränken. Doch diesmal sind die Angriffe noch weitreichender.

Wie sehen diese Angriffe aus?

Kaum im Amt, entließ Trump die Generalberaterin der National Labor Relations Board (NLRB), der wichtigsten Behörde für Arbeitnehmerrechte in den USA. Jeniffer Arruzzo, eine progressive, gewerkschaftsfreundliche Juristin von der CWA, hatte während ihrer Amtszeit die Rechte der Beschäftigten deutlich gestärkt. Doch Trump entfernte sie – und nicht nur sie. Auch Gwynne Wilcox, ein Mitglied des fünfköpfigen Ausschusses, musste gehen. Damit war der Ausschuss nicht mehr beschlussfähig und konnte weder tagen noch über unlautere Arbeitspraktiken entscheiden. Die Regierung setzte damit ein klares Signal: Arbeitsrecht hatte für sie keine Priorität. Im Gegenteil, sie wollte es so weit schwächen, dass Gewerkschaften und Arbeitnehmer kaum noch eine Chance hatten, ihre Anliegen vorzubringen. Wochenlang blieb der Ausschuss handlungsunfähig.

Es handelt sich also de facto um eine Zersplitterung dieser Institution.

Bis heute ist der Vorstand handlungsunfähig. Zeitgleich zeigte sich in der Gründung des DOGE (Department of Government Efficiency) unter Elon Musk. Trumps Agenda „Project 2025“, die auf den Abbau der Regierung abzielt, sollte offensichtlich durch das DOGE umgesetzt werden. In der Folge erlebten wir Angriffe auf Arbeitnehmer und Gewerkschaften, wie sie dieses Land seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat: Rund 35 bis 40 Prozent der Maßnahmen zielten darauf ab, Bundesbeamte abzubauen und Gewerkschaften zu zerschlagen, vor allem jene im öffentlichen Dienst. Denn Gewerkschaften gelten als größtes Hindernis für eine grundlegende Reform von Regierung und Verwaltung. Um die Regierung zu schwächen, müsse man zuerst die Gewerkschaften zerstören. Inzwischen haben über eine Million Regierungsangestellte ihre Gewerkschaftsrechte verloren. Es begann mit etwa 35.000 Beschäftigten der TSA (Transportation Security Administration) und setzte sich fort – über 300.000 im Ministerium für Veteranenangelegenheiten und viele weitere. Heute stehen mehr als eine Million Arbeitnehmer ohne Tarifschutz da. Das ist illegal, doch diese Regierung scheint das nicht zu kümmern.

Man entlässt die Beschäftigten, schaltet die Gewerkschaften aus, damit niemand Widerstand leisten kann.

Das erreicht die Trump-Regierung, indem sie Dekrete erlässt?

Das Bemerkenswerte ist, dass die Strafverfolgungsbehörden und die ICE (Immigration and Customs Enforcement) von den Maßnahmen unberührt blieben. Die ICE-Beschäftigten behalten ihren Gewerkschaftsvertrag, während fast alle anderen darauf verzichten müssen. Die AFGE (American Federation of Government Employees), die Bundesangestellte vertritt, hat zahlreiche Klagen eingereicht. Im August entschied das Gericht zugunsten der Regierung und erklärte, es sei rechtens, den Beschäftigten das Recht auf Tarifverhandlungen zu entziehen. Gleichzeitig wurden nach meiner Einschätzung über 300 000 Bundesangestellte entlassen oder zu einer sogenannten unfreiwilligen Kündigung gedrängt. Das sind klare Angriffe auf Gewerkschaften, wie wir sie seit 1980 nicht mehr erlebt haben, als Reagan die Fluglotsen entließ.

Was ist das Ziel der Regierung?

Das Ziel liegt auf der Hand: Wer ein autoritäres Regime errichten will, muss die Arbeiterbewegung zerschlagen. Historisch haben Arbeiterbewegungen weltweit den Widerstand gegen Autoritarismus angeführt. Doch auch wer die Regierung stürzen und staatliche Dienstleistungen privatisieren will, folgt diesem Weg: Man entlässt die Beschäftigten, schaltet die Gewerkschaften aus, damit niemand Widerstand leisten kann. Dann kollabieren die staatlichen Dienste, und man behauptet: Seht her, die Post versagt, die Steuerbehörde versagt, alle staatlichen Institutionen versagen, weil sie unfähig sind. Also müssen wir alles an Elon Musk und andere private Unternehmen übergeben.

Die Abschaffung von Gewerkschaften und Arbeitnehmerrechten bildet also tatsächlich einen Kern des größeren Vorhabens. Warum, meinen Sie, handelte die Trump-Regierung in dieser Amtszeit schneller und entschlossener als in ihrer ersten?

Viele Architekten der ersten Trump-Agenda haben wohl erkannt, dass sie ausgebremst wurden. Die einzige nennenswerte Gesetzesleistung der ersten Amtszeit war eine massive Steuersenkung für Unternehmen. Damals traten sie als Außenseiter an, die Washington erobern wollten. Vermutlich dachten sie, sie müssten mit Republikanern und Konservativen kooperieren, die das politische Geschäft beherrschen. Doch diesmal sagen sie: Nein, diese Leute bremsen uns aus, weil sie sich an Regeln halten. Wir werden die Regeln ignorieren, loslegen, Dinge zerstören und sehen, was passiert. Diesmal agieren sie viel rücksichtsloser. Sie haben von Anfang an Gesetze gebrochen, doch niemand hat geprüft, was geschieht, wenn man den Obersten Gerichtshof ignoriert. Die schockierende Erkenntnis: Es passiert nichts.

In diesem Land gibt es nur zwei Massenorganisationen: Kirchen und Gewerkschaften.

Wieso regte sich hier von Anfang an kein Protest?

Die Arbeiterbewegung ist erschreckend schwach, vor allem im privaten Sektor. Weniger als jeder zehnte Beschäftigte arbeitet unter einem Tarifvertrag. Die Demokratische Partei zeigt sich ebenso kraftlos. Institutionen, ob innerhalb oder außerhalb der Regierung, wirken insgesamt schwach. Das ermutigt ihre Gegner. Mit jedem Schritt merken sie, dass es keine Konsequenzen gibt. Der Oberste Gerichtshof wies die Regierung an, ein Flugzeug zurückzuholen, weil sie Einwanderer nicht ohne ordentliches Verfahren abschieben darf. Doch die Regierung ignorierte das. Es geschah nichts. So erkannten sie, dass der Oberste Gerichtshof keine Machtmittel wie eine Armee besitzt. Nichts hält sie auf. Ich glaube, das eigentliche Ziel dieser Regierung ist es, ein System zu schaffen, das freie und faire Wahlen unmöglich macht, um dauerhaft an der Macht zu bleiben. Trump sagte es schon vor der Wahl: Wenn ihr für mich stimmt, müssen wir nie wieder wählen. Als wäre die Macht dann auf ewig gesichert.

Man kann also sagen, dass es sich um einen echten Lernprozess für die Trump-Regierung seit ihrer ersten Amtszeit handelt, aber vielleicht auch für andere autoritäre Regime weltweit. Die Angriffe auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind also offensichtlich, aber wie sieht es mit den Beschäftigten im privaten Sektor und den Gewerkschaften aus?

Schon jetzt spüren die Beschäftigten im privaten Sektor massive Folgen. Die Abschaffung der NLRB ist der schwerwiegendste direkte Angriff auf uns. Gewerkschaften zu organisieren, ist in den USA selbst mit einer funktionierenden Arbeitsbehörde äußerst mühsam. Die mächtige Gewerkschaftsbekämpfungsindustrie und das schwache Arbeitsrecht machen es fast unmöglich. Schon in guten Zeiten fällt es schwer, eine Gewerkschaftswahl zu gewinnen, geschweige denn einen ersten Tarifvertrag durchzusetzen. Ohne Arbeitsbehörde fehlt uns jede Unterstützung, wenn Arbeitgeber das Gesetz brechen. Das trifft die Gewerkschaften besonders hart.

Dazu kommen die massiven Kürzungen, die die Regierung bereits beschlossen hat. Sie treffen den Bundeshaushalt und beeinflussen Gewerkschaften sowie private Arbeitgeber auf unterschiedliche Weise. So nutzt der Staat Bundesmittel, um die Einhaltung von Vorschriften durchzusetzen. Viele Arbeitgeber berichten, sie stünden unter starkem Druck, Fördermittel für DEI-Programme (Diversity, Equity, Inclusion) zu streichen. Wer solche Mittel verliert, weil er eine prinzipielle Haltung einnimmt, muss oft mit den Gewerkschaften verhandeln – sei es wegen eines möglichen Personalabbaus oder der Streichung von Programmen.

Wie würden sich die Zölle und das Bundesgesetz auf Sie auswirken?

Zölle führen im Allgemeinen zu einem enormen wirtschaftlichen Chaos. Wir hören ständig von Arbeitgebern, dass alle sagen, wir müssten Zugeständnisse machen. Sie wollen wegen der großen Unsicherheit keine Verträge mit einer Laufzeit von drei oder vier Jahren aushandeln, und das ist für die Gewerkschaften fatal.

Die Idee dahinter ist, dass dieses autoritäre Regime nur durch Widerstand und Mobilisierung gestürzt werden kann.

Was sollte die Arbeiterbewegung tun, um dieser Agenda zu widerstehen?

Eine Lehre aus dem PATCO-Streik der 1980er Jahre, als Reagan Zehntausende Fluglotsen entließ, obwohl es damals weit weniger Beschäftigte gab als heute, lautet: Passivität ist keine Option. Die Arbeiterbewegung reagierte damals kaum, obwohl die Gewerkschaften im privaten Sektor deutlich stärker waren. Heute wissen wir, dass dieser Streik den Anfang vom Ende markierte. Jeder Arbeitswissenschaftler, der den Niedergang der Arbeiterbewegung analysiert, beginnt mit dem PATCO-Streik. Heute dürfen viele Gewerkschaften im öffentlichen Dienst auf Bundesebene nicht streiken. Das erschwert es, eine kämpferische Haltung aufzubauen. Dazu spiegelt die Gewerkschaftsmitgliedschaft die stark gespaltene amerikanische Gesellschaft wider. Viele Gewerkschaften können sich nicht klar gegen Trump positionieren, weil die Hälfte ihrer Mitglieder ihn gewählt hat.

Im April gingen landesweit rund eine Million Menschen gegen Trumps Politik auf die Straße, im Juni ebenfalls. Für die „No Kings“-Proteste am Samstag rechnet man mit Millionen Teilnehmern.

Die Menschen wirkten niedergeschlagen, als Trump zum zweiten Mal gewählt wurde. Aus welchem Grund auch immer wehrten sie sich zunächst nicht – bis im April die ersten großen Mobilisierungen begannen, die auf die DOGE-Kürzungen reagierten. Im Juni folgten die ersten „No Kings“-Proteste, als Trump seinen Geburtstag mit einer Militärparade feiern wollte – zufällig am 250. Jahrestag des Militärs. Diese Gelegenheit nutzten viele, um zu zeigen, dass Trump sich wie ein Autokrat, wie ein König aufführte.

Die Idee dahinter ist, dass dieses autoritäre Regime nur durch Widerstand und Mobilisierung gestürzt werden kann. Man sollte auch bedenken: Trump gewann mit einem Vorsprung von 1,5 Prozent. Er spiegelt also nicht die Meinung der großen Mehrheit in diesem Land wider. Weil die Regierung will, dass die Menschen sich fügen, die Hoffnung aufgeben und die Zustände einfach hinnehmen, bleibt eine breite Mobilisierung entscheidend. Ein weiteres wirksames Mittel, um dieses Regime zu besiegen, ist massive Nichtkooperation. Das Regime funktioniert nur, wenn es genügend Unterstützer hat.

Welche Rolle spielen Gewerkschaften in dieser breiteren Bewegung?

Die Gewerkschaften spielen eine entscheidende Rolle. Trotz Schwäche und Angriffen bleiben sie die größte organisierte Bewegung des Landes. Wenn sie den Kampf stärker anführen, steigen die Erfolgschancen erheblich. In diesem Land gibt es nur zwei Massenorganisationen: Kirchen und Gewerkschaften. Menschen treten Kirchen freiwillig bei. Die Arbeiterbewegung hingegen vereint viele, die nicht aus Überzeugung, sondern durch ihre Arbeit dazugehören. Gerade das eröffnet ihr eine einzigartige Möglichkeit: Sie kann Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, über das ganze Land verteilt, bilden, mobilisieren und politisieren – eine unverzichtbare Aufgabe in diesem Kampf.

Hae-Lin Choi ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Sie promovierte 2009 an der Freien Universität in Politikwissenschaft und arbeitete für ver.di, bevor sie in die USA zog. Seit mehr als 15 Jahren ist sie für die Communication Workers Union (CWA) tätig und seit 2020 politische Direktorin für einen Gewerkschaftsbezirk

Özge Yaka ist freie Autorin in New York

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