Carlos Tavares hat vor vier Jahren den transatlantischen Autokonzern Stellantis geformt. Doch zuletzt verließ ihn das Glück. Er geriet von allen Seiten in die Kritik. Jetzt kündigt er seinen Abschied in den Ruhestand an.
Der Chef der Opel-Mutter Stellantis, Carlos Tavares, gibt dem zunehmenden Druck nach schlechten Zahlen im US-Geschäft nach. Der 66-Jährige werde nach Auslaufen seines aktuellen Vertrags Anfang 2026 nicht weitermachen, teilte das Unternehmen in der Nacht zum Freitag mit.
Damit geht absehbar der Mann von Bord, der Anfang 2021 durch die spektakuläre Fusion von Fiat-Chrysler mit Peugeot-Citroen (PSA) den Stellantis-Konzern überhaupt erst geformt hat.
Es ist ein gnadenloser Abschied für einen Manager, dem alles zu glücken schien. Nach der Mega-Fusion verbesserte er die Gewinnzahlen deutlich, selbst Opel ist inzwischen kein Krisenfall mehr.
Doch seit einigen Monaten ist das anders: Stellantis, zu dem Marken wie Jeep gehören, schwächelt im US-Geschäft. Zudem hat es sich Tavares mit vielen Partnern zeitgleich verscherzt – Händlern, Zuliefern und der Politik.
Untrügliches Zeichen für die Krise: Der Konzern musste seine Gewinnprognose für das laufende Jahr senken, die Aktie verlor seit Jahresbeginn über 40 Prozent an Wert. Im ersten Halbjahr fiel der Umsatz gegenüber dem Vorjahreszeitraum bereits von 98 Milliarden auf nur noch 85 Milliarden Euro.
Daher setzen nicht nur die Aktionäre, sondern auch die US-Händler das Management unter Handlungszwang. Seit mehreren Wochen verstummten die Spekulationen um die Zukunft von Tavares nicht – auch wenn der „Business as usual“ suggerierte.
Dem Portugiesen wird angekreidet, in den USA in den vergangenen Monaten eine falsche Strategie gefahren zu haben. Tavares hatte versucht, die in der Pandemie gestiegenen Auto-Preise zu halten. Doch anders als von ihm erhofft zahlte sich das nicht aus: Stellantis hat rasant Marktanteile verloren, weil die Amerikaner zu Marken mit besserem Preis-Leistungs-Verhältnis wechselten.
Zuletzt stammten nur noch 8,4 Prozent der US-Neuzulassungen aus den Werken des Konzerns, noch vor Kurzem waren die Werte zweistellig. In der Folge musste Tavares auch das geplante Wiederhochfahren einer Fabrik in Illinois verschieben – und erzürnte damit auch noch die einflussreiche amerikanische Auto-Gewerkschaft URW.
Seine Verteidigungslinie kann Tavares nun offensichtlich nicht mehr halten: Er hatte bislang das US-Management für die Fehler verantwortlich machen wollen. Doch in dem zentralen Markt waren ihm zuletzt etliche erfahrene Manager von Bord gegangen, die bereits vor der Fusion an Bord waren. Offenbar fehlt nun deren Know-how – auch wenn Tavares gegensteuert: Plötzlich gibt es vermehrt Rabatte bei US-Händlern, die zudem wieder höhere Werbebudgets erhalten. Börsenanalysten erkannten daher zuletzt erste Lichtblicke – für die Zukunft von Tavares jedoch zu spät.
Inzwischen gilt sogar sein Verhältnis zur französischen Politik als belastet. Paris kreidet ihm laut Medienberichten einen Zick-Zack-Kurs beim Thema Strafzölle auf chinesische Importe an. Tavares soll diese erst vehement gefordert, vielleicht sogar auf die EU-Agenda gebracht haben – um sie seit einem Zukauf in China im Einlklang mit der deutschen Auto-Industrie plötzlich ebenso vehement abzulehnen.
Nun darf der erfahrene Auto-Manager noch einen breiten Umbau gestalten, bevor er abtritt. Doug Ostermann, bislang Manager für China, wird Finanzchef. Dessen Vorgängerin Natalie Knight geht. Und Jeep-Chef Antonio Filosa kümmert sich künftig um das gesamte Nordamerika-Geschäft.
Zusätzlich zu den Veränderungen im Management baut Tavares auch die Struktur des Unternehmens an anderer Stelle um. Künftig wird laut der Mitteilung die Produktionsabteilung auch für die Lieferketten zuständig sein, um den Zulieferern mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Denn auch mit diesen gab es Ärger. Sie rebellierten gegen neue Vertragsbedingungen zur Gewährleistung, die Stellantis rückwirkend einführen wollte.
Source: welt.de