A
wie Alter Fritz
Von Erich Honecker selbst kam 1980 die Order, das Reiterstandbild für Friedrich II. Unter den Linden wieder aufzustellen. Geschaffen von Christian Daniel Rauch und enthüllt am 31. Mai 1851, ist es im Zweiten Weltkrieg eingemauert worden. In der DDR-Hauptstadt sollte dann für den Alten Fritz (→ Witze) kein Platz mehr sein. 1950 wurde das Denkmal abgebaut und lagerte, in Einzelteile zerlegt, gegenüber dem Neuen Palais in Potsdam. Später wäre es beinahe eingeschmolzen worden, ein Tieflader stand schon bereit. Kulturminister Hans Bentzien, der das trickreich verhinderte und dafür sorgte, dass das Denkmal 1962 beim Schloss Charlottenhof einen neuen Platz erhielt, hat 1991 das Buch Die Rückkehr der Preußenkönige veröffentlicht. Preußen erst verteufeln und dann auf den Sockel heben? In Anlehnung an einen Spruch von einst, reagierte der Volksmund mit Spott: „Lieber Friedrich, steig hernieder und regiere Preußen wieder. Lass in diesen schweren Zeiten lieber unsern Erich reiten.“ Irmtraud Gutschke
F
wie Fritzen
In England und der UdSSR wurden die Deutschen abfällig „Fritzen“ genannt. Um die Nazi-Fritzen zu charakterisieren, zitierte der in Kiew geborene jüdisch-sowjetische Publizist Ilja Ehrenburg aus Briefen gefallener Wehrmachtssoldaten: „Gestern habe ich zwei russische Bestien gezüchtigt, die heimlich Magermilch gesoffen haben, die für die Sauen bestimmt war.“ Ehrenburg rief dann den Soldaten der Roten Armee zu: „Töte den Deutschen! Wenn du den Deutschen leben lässt, hängt er den russischen Mann auf und schändet die russische Frau.“ (1942) Er schrieb aber auch: „Niemals werden Rotarmisten deutsche Kinder ermorden, das Goethehaus in Weimar oder die Bibliothek von Marburg in Brand stecken.“ In der überfallenen Sowjetunion wusste man immerhin, dass es auch „Fritzen“ wie Goethe gab und dass Pasternak in Marburg studiert hatte. Michael Suckow
G
wie Geheim
Investigative Recherchen haben ergeben, dass es in unserer Redaktion mindestens zwei geheime Fritze gibt. Also Menschen, die Fritz heißen, aber diesen Umstand wie eine Blöße bedecken. Ich bin einer davon. Meinen Fritz verdanke ich Enzensberger, und das kam so: Meine Eltern waren offenbar Fans, also nannten sie meinen Bruder Hans-Magnus. Als ein Jahr später der zweite Sohn unterwegs war und sie auch für ihn dringend einen Namen brauchten, folgte ein kurzer Sommer der Namens-Anarchie. Sie wollten mich Bernhard nennen, aber aus Gründen höherer Gerechtigkeit sollte auch ich – wie Hans-Magnus – einen Vor-Vornamen verpasst kriegen. Wo kriegt man so einen her? Na klar, vom Großvater, also heiße ich Fritz-Bernhard. Nur hat mich nie jemand so genannt, sondern ganz anders. Ich fahre als geheimes Fritz-U-Boot durchs Leben, genau wie mein Namensvetter in der Redaktion. Wir beide angeln nicht, aber steuern – als Freitags-Fritze – das Papier zum Einwickeln frischer Fische gerne bei. We are Fritzonymous
K
wie Katze
Wohl keine andere Comicfigur verkörpert so passgenau wie Fritz the Cat die radikalen Seiten der Achtundsechziger-Bewegung. Die Comicserie von Robert Crumb, die zwischen 1965 und 1972 erschienen ist, zeigt den Kater Fritz als arbeitsscheues Wesen, das nur an Sex und Drogen denkt und schließlich, die Rote Armee Fraktion scheint schon von fern zu winken, als Bombenleger für eine Terrorgruppe auftreten soll. In linken westdeutschen Wohngemeinschaften avancierte das Tier mit den großen Glotzaugen rasch zur Kultfigur. Der Schriftsteller Rolf Dieter Brinkmann, so schreibt Michael Töteberg in der eben erschienenen Biografie, lernte Fritz the Cat 1973 durch seinen Kollegen Peter O. Chotjewitz in Rom kennen. Meine beste Freundin und ich fanden es in unserer Hochblüte der Pubertät im Bücherregal ihrer Eltern und hatten unseren Spaß daran. Beate Tröger
L
wie Limo
Ich gebe es zu: Von 2013 bis 2023 war ich stark abhängig von Fritz-Kola. Auch die vielen Limonaden der Hamburger Marke hatten es mir angetan (Rhabarber und Zitrone), aber am meisten konsumierte ich Kola. Mit K, nicht amerikanisch. Erst die normale, dann die zuckerfreie Variante, die den umstrittenen Süßstoff Aspartam enthält. Seit anderthalb Jahren bin ich auf Entzug. Manchmal vermisse ich den kohlesauren Geschmack im Mund, die kühle Erfrischung. Aber gleichzeitig freut sich mein Geldbeutel über den Verzicht – schließlich kaufte ich die Flaschen oft beim Späti. Auch mein Gebiss freut sich, Kola macht schließlich gelbe Zähne. Dennoch schätze ich weiterhin die guten Werbekampagnen, etwa während des G20-Gipfels in Hamburg. Damals skandierte die Marke über die eigenen Drinks zum Beispiel: „Nur Wasserwerfer machen wacher“, und wollte damit die massiven Polizeieinsätze kritisieren. Und warum der Name Fritz? In einer Umfrage fanden Passanten den Namen sympathisch (→ Fritzen), so die Firma. Ben Mendelson
M
wie Merz
CDU-Chef Friedrich Merz, von Olaf Scholz Ende 2024 als „Fritze Merz“ verspottet, soll laut Titanic hinter seinem Rücken in der eigenen CDU als „Fotzenfritz“ bekannt sein. Ein derber Beiname, der Fragen aufwirft. „Fritz“ war lange eine stereotype Bezeichnung für Deutsche – im Ausland für Soldaten (→ Fritzen), im Inland für konservative Patriarchen (→ Alter Fritz). Was Friedrich Merz betrifft, so existierte sogar mal eine Domain, die direkt auf die Homepage des damaligen Fraktionsvorsitzenden verwies. Und auch der Musiker Bodo Wartke greift den Spitznamen auf. In seinem neuen Rap Fritze Merz, wo er ihn als Steigbügelhalter der extremen Rechten disst. „Fritze Merz fischt frische Faschos / frische Faschos fischt Fritze Merz / und die ganze Republik, welche Überraschung / bewegt sich immer weiter weimarwärts“. Jens Siebers
N
wie Name
Fritz ist erst ab dem 20. Jahrhundert als eigenständiger Name gebräuchlich.Zuvor diente er allein als Verniedlichungsform von Friedrich (→ Merz). Das ist ein althochdeutscher Name, der sich aus „Frieden“ und „reich“ zusammensetzt, also eine verheißungsvolle Botschaft enthält. Darum war Friedrich ein beliebter Herrschername. Von Kaiser Barbarossa – Friedrich I. – heißt es sogar, er werde einst dem Thüringer Kyffhäusergebirge entsteigen, um der Bevölkerung in Krisenzeiten beizustehen. In mehreren europäischen Sprachen sind Varianten – wie Fred, Fredrik, Priidrik – gebräuchlich. Fritzi, wie im Namen der deutschen Schauspielerin Haberlandt, lautet eine weibliche Form von Fritz. Friedel und Frederike sind weitere. Auch als Nachnamen findet man den Fritz und in beleidigenden Zusammensetzungen, wovon → Merz („Fotzenfritz“) ein Lied singen kann. Berühmt war einst der Lügenfritz. So nannte man den Kolonialherren Adolf Lüderitz, weil er ein Volk in Namibia beim Landkauf betrogen hatte. Vielleicht hat der Name künftig wieder Konjunktur? Tobias Prüwer
S
wie Stummfilm
Der berühmteste Fritz des deutschen Kulturbetriebs dürfte der Starregisseur der Stummfilm-Ära Fritz Lang sein. Die literarische Vorlage für seinen legendären Stummfilm Metropolis (1927), der bei Erscheinen an den Kinokassen floppte, aber heute als Kultfilm noch regelmäßig Besucher in Lichtspielhäuser lockt, stammt eigentlich von seiner Ehefrau Thea von Harbou. Die ehelichte er 1922, was dem in Wien geborenen Lang die deutsche Staatsbürgerschaft bescherte. Auch für Frau im Mond (1929), einen der letzten deutschen Stummfilme, bei dem Fritz Lang Regie führte, schrieb Harbou das Drehbuch. Das Glamour-Promi-Paar der 1920er Jahre ließ sich 1933 scheiden. Damals feierte Lang mit seinem ersten Tonfilm M (1931) großen Erfolg, den die Nazis 1934 verboten. Er ging in die USA, aber die ganz großen Kassenschlager waren Geschichte. Florian Schmid
W
wie Witze
Auf Fritz reimt sich Witz, auf Fritzchen Witzchen. Von diesen flachen Späßen mit dem Protagonisten „klein Fritzchen“ gibt es Unmengen. Lehrer: „Wörter, die mit ‚un-‘ anfangen, bedeuten immer etwas Schlechtes, wie beispielsweise Unfrieden. Kennt ihr noch ein Beispiel?“ Fritzchen meldet sich: „Ich kann ein weiteres nennen: ‚Unterricht‘!“ Fritze Blitz nannte der Comic-Verleger Rolf Kauka seine Asterix-Kopie in den 1960ern; die Rechte am Original hatte er wegen nationalistischer Umdeutung verloren.Natürlich lebt unter den ZDF-Mainzelmännchen ein Fritzchen. Diese Figur gibt es in sehr vielen Sprachen. Meistens ist es auch dort ein verkleinerter Vorname, etwa Pierino in Italien oder Petriukas in Litauen, was „kleiner Peter“ bedeutet. Im Englischen ist es Johnny, Pikku-Kalle auf Finnisch – ein eigener Kurzfilm dokumentiert dessen Witze. Ursprünglich jedoch steht der → Name „Fritzchen“ für kleine Kissen und ist in Krankenhäusern verbreitet. Namenspate war der → Alte Fritz, weil der mehrmals die Unabhängigkeit des Staates Bayern gerettet hat. Er beschützte die Babys im Schlaf. TP
Z
wie Zickzackgroll
Marianne Fritz, 1948 in der Steiermark geboren, ist ein literarisches Paradox: Als Autorin des umfangreichsten Romanprojekts der Weltliteratur, erschienen übrigens im renommierten Suhrkamp Verlag, sollte Fritz breit bekannt sein. Doch das Gegenteil ist der Fall: durch die jahrzehntelange frondienstartige Schreibarbeit an ihrem wild wuchernden Monumentalepos Festung beförderte sie sich ins Abseits. Wer soll das lesen? Zehntausende Seiten, verfasst in eigenwilliger Privatsprache, erzählen von der tragischen Gewaltgeschichte der Proletarierfamilie Null in den Wirren des Ersten Weltkriegs. Schreiben als Protest gegen die Schwerkraft der Verhältnisse (so heißt eine ihrer Erzählungen), ihre poetische Sprache als einziges Gegenmittel; Blitze etwa firmieren bei ihr als „Zickzackgroll“. Fritz starb 2007 in Wien, Festung blieb ein gigantisches Fragment. Uwe Schütte