Oleksandr Korniyenko: „Russland muss begreifen, dass es in der Ukraine verliert“

Oleksandr Korniyenko hat sich 2019 der Partei Diener des Volkes von Wolodymyr Selenskyj
angeschlossen, wurde später deren Vorsitzender und ist heute stellvertretender
Parlamentspräsident in der Ukraine sowie Mitglied im zwischenparlamentarischen
Ukraine-Nato-Rat.

ZEIT ONLINE: Die
Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine ist gerade zu Ende. Es folgen die Friedenskonferenz
in der Schweiz
und der Nato-Gipfel in Washington. Entscheiden die kommenden
Wochen über die Zukunft der Ukraine?

Oleksandr
Korniyenko:
Wir werden gerade massiv von Russland attackiert, die Infrastruktur
wird zerstört
. Diese Gipfel und Treffen geben uns Hoffnung, die wir dringend
brauchen. Wir benötigen militärische Hilfe, vor allem Flugabwehrsysteme. Wir
sind sehr dankbar für die Patriot-Systeme, die Deutschland uns gegeben hat.
Aber wir brauchen weitere Systeme und viel mehr Patriot-Raketen. Gleichzeitig
ist es uns wichtig, Friedensinitiative zu zeigen. Beim globalen Friedensgipfel in
der Schweiz erwarten wir Ukrainer viele Teilnehmer, die unseren Friedensplan
unterstützen, aus dem Globalen Süden, aus Lateinamerika, aus Afrika. Die
Ukraine braucht einen gerechten Frieden, davon müssen wir die anderen
überzeugen – das ist die einzige diplomatische Lösung. Versuche, den Krieg einzufrieren,
werden Russland nur Zeit geben, die nächste Invasion vorzubereiten.

ZEIT ONLINE: Wird der Krieg also diplomatisch enden?

Korniyenko:
Derzeit lässt er sich nicht ohne eine militärische Lösung beenden. Wir müssen uns
gegen die russische Aggression wehren. Die russische Strategie ist: immer
weiter ukrainische Städte bombardieren.

ZEIT ONLINE: Wie
kann dann ein Friedensgipfel überhaupt erfolgreich sein?

Korniyenko: Wir
wollen möglichst viele Länder zusammenbringen, um über unsere drei Punkte des
Friedensplans zu sprechen: nukleare Sicherheit, die mehr als 19.000 nach
Russland entführten ukrainischen Kinder und die globale Ernährungssicherheit.

ZEIT ONLINE: Der
Friedensplan von Präsident Selenskyj enthält aber zehn Punkte, unter anderem
den Abzug der russischen Truppen. Davon ist nun keine Rede. Das spricht doch
schon gegen einen Erfolg.

Korniyenko: Das
ist der erste Gipfel – weitere Themen werden auf die Tagesordnung gesetzt und
gefördert. Ein Erfolg wäre es, wenn wir Konkretes beschließen, was die
Verschleppung der Kinder angeht oder den Austausch von Kriegsgefangenen. In letzter
Zeit beobachten wir, dass Russland den Austausch von Gefangenen hinauszögert.

ZEIT ONLINE: Der
letzte war vor über einer Woche. Es gibt also Gespräche zwischen Ukraine und
Russland.

Korniyenko: Nur
über Vermittler.

ZEIT ONLINE:
Könnte das auch für Friedensverhandlungen funktionieren?

Korniyenko: Wenn man
den Russen klarmacht, dass für die Ukraine nur ein gerechter Frieden infrage
kommt! Russland muss begreifen, dass es in der Ukraine verliert. Dafür brauchen
wir vor allem militärische Unterstützung. Darüber hinaus setzen wir auf den
diplomatischen Weg. Eine der Lügen der russischen Propaganda ist, dass die
Ukraine den Krieg nicht beenden will. Das ist Unsinn! Wir Ukrainer wollen wie
niemand sonst auf der Welt, dass dieser Krieg endet.

ZEIT ONLINE: Putin verweist auf einen Erlass von Präsident
Selenskyj, der Verhandlungen mit ihm persönlich verbietet. Sind damit Gespräche
mit der russischen Seite ausgeschlossen?

Korniyenko: Natürlich
nicht. Das ist Teil der russischen Propaganda, so wie die Behauptung, Selenskyj
sei nicht länger ein demokratisch legitimierter Präsident, weil wir derzeit
keine Wahlen haben können. Das dies ausgerechnet Putin sagt! Aber es ist gut,
dass er nun selbst die Propaganda ausspricht. Das zeigt, dass Putins
Propagandaapparat nicht mehr so mächtig ist und seine Autorität braucht. Wir
wissen natürlich, dass auch einige deutsche Politiker die russische Propaganda
wiederholen. 

ZEIT ONLINE:
Fast alle AfD-Politiker und die gesamte Fraktion des Bündnisses Sahra
Wagenknecht haben die Rede Ihres Präsidenten im Bundestag boykottiert. Wie
kommt das in der Ukraine an?

Korniyenko: Es
geht nicht nur um Deutschland. Ähnliche Parteien gibt es in Ungarn, in Österreich
oder in den Niederlanden. Diese Parteien sind demokratisch gewählt. Wir
analysieren gerade unsere Strategie, wie wir nach außen kommunizieren und warum
solche Narrative in Deutschland stärker werden konnten. Wir versuchen, aus
unseren Fehlern zu lernen.

Oleksandr Korniyenko hat sich 2019 der Partei Diener des Volkes von Wolodymyr Selenskyj
angeschlossen, wurde später deren Vorsitzender und ist heute stellvertretender
Parlamentspräsident in der Ukraine sowie Mitglied im zwischenparlamentarischen
Ukraine-Nato-Rat.

ZEIT ONLINE: Die
Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine ist gerade zu Ende. Es folgen die Friedenskonferenz
in der Schweiz
und der Nato-Gipfel in Washington. Entscheiden die kommenden
Wochen über die Zukunft der Ukraine?

Oleksandr
Korniyenko:
Wir werden gerade massiv von Russland attackiert, die Infrastruktur
wird zerstört
. Diese Gipfel und Treffen geben uns Hoffnung, die wir dringend
brauchen. Wir benötigen militärische Hilfe, vor allem Flugabwehrsysteme. Wir
sind sehr dankbar für die Patriot-Systeme, die Deutschland uns gegeben hat.
Aber wir brauchen weitere Systeme und viel mehr Patriot-Raketen. Gleichzeitig
ist es uns wichtig, Friedensinitiative zu zeigen. Beim globalen Friedensgipfel in
der Schweiz erwarten wir Ukrainer viele Teilnehmer, die unseren Friedensplan
unterstützen, aus dem Globalen Süden, aus Lateinamerika, aus Afrika. Die
Ukraine braucht einen gerechten Frieden, davon müssen wir die anderen
überzeugen – das ist die einzige diplomatische Lösung. Versuche, den Krieg einzufrieren,
werden Russland nur Zeit geben, die nächste Invasion vorzubereiten.

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