Nur noch Waren zum Besten von 150 Franken steuerfrei: Schweizer Einkaufstouristen nach sich ziehen es in Zukunft schwerer

Noch kaufen die Schweizer gerne bei den deutschen Nachbarn ein. Bald ist das mit mehr Bürokratie und Kosten verbunden.

Stempel, Formulare, Zollbüros – der Einkaufstourismus von Schweizern im äußersten Süden Deutschlands hat seine eigenen Regeln und Rituale. Eine Neuerung löst wenig Begeisterung aus.

Vor Einkaufszentren und Discountern im äußersten Süden Deutschlands parken viele Autos mit Schweizer Nummernschild – insbesondere am Wochenende. Die Nachbarn kommen vor allem wegen der niedrigeren Preise über die Grenze. Viele Händler haben sich auf die Kundschaft aus dem Nicht-EU-Land eingestellt und profitieren damit vom Einkaufstourismus.

Die Schnäppchenjagd im Euroland ist Geschäften in der Schweiz allerdings seit Längerem ein Dorn ein Auge. Die Alpenrepublik handelt nun und halbiert den Wert der Einkäufe, die steuerfrei ins Land kommen dürfen. Vom 1. Januar an dürfen nur noch Waren im Wert von 150 Franken (rund 160 Euro) steuerfrei mitgebracht werden – bisher lag die Freigrenze bei 300 Franken. Bei einem höheren Wert muss in der Schweiz Mehrwertsteuer gezahlt werden. Der Regelsatz liegt aber dort deutlich niedriger als in Deutschland: 8,1 statt 19%.

Am Konstanzer Bahnhof zeigen sich manche Tagesgäste aus den benachbarten Grenzkantonen wenig begeistert von neuen Regeln. „Das stört mich schon“, sagt eine junge Frau. „Bei Schuhen muss man aufpassen, unter der Grenze zu bleiben.“ Eine andere Frau mit gefüllter Einkaufstasche in der Hand ergänzt: „Wo soll man denn heute bei den hohen Preisen noch etwas kaufen?“

Unterschiedliche Reaktionen in Grenzregion

In der deutschen Grenzregion löst die Änderung unterschiedliche Reaktionen aus. Sie erwarte, dass sich die Senkung der Freigrenze nicht erheblich auf das Einkaufsverhalten der Schweizer auswirken werde, sagt die aus Waldshut stammende Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter, der Deutschen Presse-Agentur. Die Schweizer Steuer sei für Einkäufer immer noch vorteilhaft.

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Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Hochrhein-Bodensee sieht die regionale Wirtschaft nicht bedroht – obwohl es in Einzelfällen negative Auswirkungen geben könne. Der große regionale Einzelhändler Frischemärkte Baur erwartet für die Bodensee-Grenzstadt Konstanz, dass sich das Einkaufsverhalten der Schweizer ändert und der Umsatz beeinträchtigt werden könnte: „Schweizer Kunden werden ihre Einkäufe besser planen, größere Mengen auf einmal kaufen und wahrscheinlich gezielt in Gruppen zum Einkaufen kommen“, sagt Geschäftsführerin Sabine Seibl.

Beim Einkaufstourismus geht es für den äußersten Süden Deutschlands um ein riesiges Geschäft: In den Kreisen Konstanz, Waldshut und Lörrach kaufen Schweizer einer IHK-Studie zufolge jährlich für rund 2,5 Mrd. Euro ein.

Steuersparen – mit viel Bürokratie.

Der Schritt der Schweizer wirft ein Schlaglicht auf ein bürokratisches und kompliziertes Verfahren, das in bestimmten Fällen zu einer Steuerbefreiung führt. Denn die Einkaufsbummler aus dem Süden profitieren nicht nur von der Freigrenze in ihrem Heimatland, sondern sie können auch die in Deutschland gezahlte Mehrwertsteuer zurückfordern. „Ausfuhrkassenzettel“ lautet dabei das etwas sperrige Zauberwort – im Jargon der Zöllner ist schlicht vom „AKZ“ die Rede.

Kundinnen und Kunden aus der Schweiz lassen sich das Formular mit den aufgelisteten Einkäufen auf dem Rückweg vom deutschen Zoll abstempeln. Bei viel Betrieb gibt es Warteschlangen und Staus, Zollbüros mit fahlem Licht erinnern mitunter an karge Nachkriegs-Amtsstuben der 1950er-Jahre. Für die Schweizer fällt künftig für Einkäufe bis 150 Franken – bislang 300 Franken – in keinem Land Mehrwertsteuer an. Es gibt allerdings eine Bagatellgrenze: Wer für weniger als 50 Euro einkauft, kann in Deutschland keine Mehrwertsteuerrückerstattung beantragen.

Stempel und viel Papier – irgendwie passt das nicht mehr in die Zeit. Der Ausfuhrkassenzettel soll deshalb digitalisiert werden. Ein Pilotprojekt für eine App soll vom 1. Juli kommenden Jahres an starten, wie die Generalzolldirektion ankündigt hat. Der sogenannte digitale Ausfuhrschein werde das Einkaufen komfortabler für die Kunden machen, meint die SPD-Politikerin Schwarzelühr-Sutter: „Das lästige Abstempeln entfällt dann.“

Schweiz hat schon eine App

Nach Jahren des Vorbereitens und der Überzeugungsarbeit gebe es nun einen Zeitplan für die Umsetzung, resümiert der Waldshuter CDU-Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner auf Anfrage: „Der größte Vorteil ist der Abbau von Bürokratie an den Zollübergängen und im Einzelhandel.“ Kunden aus der Schweiz könnten künftig mehr Spaß haben und ihre Einkäufe schneller erledigen, sagt der Vorsitzende der Deutsch-Schweizerischen Parlamentariergruppe.

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Auf der Schweizer Seite ist man schon etwas weiter. Es gibt eine App, mit der Privatleute Waren anmelden und Zollgebühren direkt bezahlen können. Einen Haken gibt es dabei aber doch: Die App erhebt auf alles 8,1%, auch auf Nahrungsmittel, für die eigentlich nur 2,6% Steuer fällig wären. Eine Änderung in der App ist geplant –aber erst 2027.

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