Niederlande: Wahlsieger Rob Jetten hielt es mit Obamas Slogan „Yes, we can!“

In den Anfangsjahren seiner Karriere wurde der Parteichef der Democraten 66 (D66) belächelt. Nach seinem Wahlsieg könnte Rob Jetten nächster Premierminister des Landes sein. Er gilt als Hoffnungsträger einer Politik ohne Polarisierung


Brückenbauer, Hoffnungsträger und Galionsfigur: Rob Jetten

Foto: ANP/Imago Images


Seine erste Rede als möglicher Premierminister hielt Rob Jetten, als noch nicht einmal sein Wahlsieg bestätigt war. Vor dem enthusiastischen Anhang der progressiven Democraten 66 betrat er in der Universitätsstadt Leiden die Bühne und richtete sich nach wenigen Sätzen an „alle Niederländer, die nicht D66 gewählt haben“. Angesichts der Tatsache, dass noch nie eine Partei mit nur 26 von 150 Sitzen eine Parlamentswahl gewann, sind das ziemlich viele. Jetten versprach ihnen, er werde sich „nicht nur für die Wähler von D66“, sondern ebenso für sie einsetzen und ihnen zeigen, dass die Politik auch für sie da sei.

Es ist die Rolle seines politischen Lebens, die Jetten in diesem Herbst spielt, er ist Brückenbauer, Hoffnungsträger und Galionsfigur, indem er versucht, Populismus und gesellschaftliche Polarisierung hinter sich zu lassen. „Het kan wél“, lautete das Motto seiner Wahlkampagne, was soviel bedeutet wie: „Es geht doch“, vorgebracht im Ton, mit dem man Zweiflern entgegnet, dass etwas sehr wohl möglich sei. Angelehnt ist es an Obamas „Yes, we can“. Der Saal skandierte es, während Jette am Wahlabend sprach. Dann kündete er an, er werde „die Seite Wilders umdrehen“.

Jette, 38 Jahre alt, wuchs unweit der deutschen Grenze auf und studierte in Nimwegen Verwaltungswesen. Er arbeitete als Manager beim Schienennetz-Betreiber ProRail, bevor er 2017 ins Parlament gewählt wurde. Schon mit Anfang 20 war er Mitglied im Stadtrat von Nimwegen. 2018 wurde er erstmals Vorsitzender der D66-Fraktion, 2022, unter Premierminister Mark Rutte, mit dem er gelegentlich verglichen wird, Minister für Klima und Energie.

In jener Zeit rückte Jetten auch als potenzieller Lieblingsfeind jenes Teils der niederländischen Öffentlichkeit ins Bild, der Partij voor de Vrijheid oder Forum voor Democratie wählt und sich gern als vermeintlich normale Bevölkerung mit gesundem Menschenverstand sieht. Die progressive D66, eher kulturell als sozio-ökonomisch links, pro-europäisch und gut vertreten in akademischen und urbanen Milieus, ist dort ein rotes Tuch. Jette, der in Zeiten grassierender Polarisierung auf die Einhaltung der Klimaverträge pochte, wurde bald „Klima-Quengler“ genannt. Dass er zudem mit einem Mann zusammenwohnt, macht ihn im virulent homophoben Teil des rechten Spektrums zusätzlich zur Zielscheibe.

Wie anfangs Ex-Premier Rutte wurde Jette oft unterschätzt

Dass ausgerechnet Jetten seiner Partei nun am Mittwoch das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte bescherte, auf gleicher Höhe mit der rechtspopulistischen PVV Geert Wilders zwar, doch im Unterschied zu jener mit zahlreichen potenziellen Koalitionspartnern, hätte noch vor wenigen Wochen kaum jemand für möglich gehalten. Ähnlich wie Ex-Premier Mark Rutte in seinen jungen Jahren wurde auch Jette oft unterschätzt, bisweilen verlacht. Wie Rutte posiert nun auch er auf Wahlkampf-Fotos im weißen Hemd mit aufgerollten Ärmeln.

Rob Jetten will anpacken, ist die Botschaft. Im Wahlprogramm ist immer wieder von „Durchbruch“ die Rede – mit neuen Städten um die Wohnungsnot zu mildern, Bildungsinvestitionen, grüner Energie und europäischer Integration. Am Wahlabend rief er „alle Kräfte der positiven Mitte“ auf, mit ihm zusammenzuarbeiten. Eine auffällige Formulierung, die unterstreicht, dass D66 – gern gewohnheitsmäßig als „linksliberal“ bezeichnet – keine linke Partei im klassischen Sinn ist. Wohl ist sie angesichts der erneuten, diesmal deutlichen Niederlage der rot-grünen Listenverbindung jene Kraft, die zurzeit am ehesten ein progressives Gegengewicht zur Diskurshoheit der Rechtspopulisten bieten kann.

Werden sich die D66 in einer Vier-Parteien-Koalition wiederfinden?

Mit seinen Ambitionen als Brückenbauer hat Rob Jette also einen Nerv getroffen in der von tiefen ideologischen Gräben durchzogenen niederländischen Gesellschaft. Inwieweit er etwas davon zuschütten kann, wird auch vom Verlauf der naturgemäß komplexen und langwierigen Koalitionsverhandlungen abhängen. Wieviel Elan des Wahlkampfes bleibt ihm erhalten, sollte sich D66 in einer Vier-Parteien-Koalition mit dem Label „Zentrum-Rechts“ wiederfinden – mit Partnern also, die etwa nachhaltigen Ambitionen wenig abgewinnen können? Was wird aus der großen Bau-Offensive, wenn angesichts der NATO-Vorgaben für mehr Aufrüstung noch härtere Verteilungskämpfe anstehen?

Vorläufig jedenfalls hat der Wahlsieg der D66 den Niederlanden immerhin wieder etwas Zuversicht gegeben. Angesichts der chaotischen Zustände um die jüngste Rechtsregierung ist das nicht zu verachten.

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