Marjolein Faber erlebte umgehend den ersten Paukenschlag auf der großen Bühne. Kaum war die 64-Jährige vor Tagen als Ministerin für Asyl und Migration vereidigt, musste sie schon einen Misstrauensantrag der linken Oppositionsparteien überstehen. Weil das Parlament eine deutliche rechte Mehrheit hat, scheiterte der. Was nichts daran änderte, dass zum Auftakt der äußerst umstrittenen Regierung von Premier Dick Schoof der Ton gesetzt war. Faber, die ihren Posten im Auftrag der rechtsnationalistischen Freiheitspartei (PVV) bekleidet, dürfte weiter im Mittelpunkt stehen, wenn die Sommerpause in Den Haag vorüber ist.
Anlass der Aufregung ist eine Aussage während einer Debatte im Senat, in dem sie seit 2011 einen Sitz innehatte und von 2014 bis 2023 die PVV-Fraktion führte. Über die damalige liberale Finanzministerin Sigrid Kaag, eine beliebte Zielscheibe rechtspopulistischer Agitation, sagte Faber: „Sie pumpt lieber freiwillig 484 Millionen ins Netzwerk ihrer Freunde bei den Vereinten Nationen. Wie dieser Haufen Geld ausgegeben wird? Nicht zu kontrollieren. Was aber bekannt ist: Es wird einer Agenda von Antisemitismus, Terrorismus und Umvolkung gedient.“
„Umvolkung“ taucht in den Niederlanden immer wieder als Verschwörungsnarrativ auf und meint einen vermeintlichen Austausch von Menschengruppen, bei dem „globalistische Eliten“ die bisherige Bevölkerung Europas durch Migranten ersetzen. Faber will davon und vom nationalsozialistischen Hintergrund des Wortes „Umvolkung“ nichts gewusst haben. Das jedenfalls beteuerte sie Ende Juni während der Anhörung der neuen Kabinettsmitglieder im Parlament, als die Opposition massive Kritik an ihr übte. Fabers Erklärung: „Das weiß ich nicht, damit beschäftige ich mich nicht.“
Marjolein Faber, die eine Karriere als PVV-Abgeordnete in der Provinz Gelderland begann, distanzierte sich, bevor sie als Ministerin vereidigt wurde, von der ihr vorgeworfenen Aussage. Sie glaube nicht an einen solchen Plan und verabscheue wie ihre Partei „alles, was mit Nazis und ihrer Ideologie“ zu tun habe. Faber gelobte: „Ich werde diese Termini nicht mehr benutzen, künftig aber über eine besorgniserregende demografische Entwicklung in den Niederlanden sprechen.“
Marjorlein Faber will raus aus dem europäischen Migrationspakt
Indem sie auslotet, was im politischen Diskurs akzeptabel ist, folgt die Ministerin einem bewährten Verhaltensmuster der extremen Rechten nicht nur in den Niederlanden. Was sie im Senat von sich gab, war keinesfalls ein Ausrutscher, sondern ein Tabubruch. So schwadronierte sie 2022 gegenüber dem damaligen Premier Mark Rutte davon, dass „die fünfte Kolonne am Regierungstisch“ sitze. 2019 twitterte sie nach einer Messerstecherei auf dem Groninger Marktplatz, die Medien verschwiegen, dass der Täter „eine nordafrikanische Erscheinung“ habe. Sie täten dies vorliegenden Polizeiinformationen und Zeugenaussagen zum Trotz.
Als Faber Ende 2023, kurz nach dem PVV-Wahlsieg, in die Parlamentsfraktion der Partei wechselte, war am Ruf einer Hardlinerin nicht mehr viel zu rütteln. In ihrer Antrittsrede nannte sie „offene Grenzen desaströs für unsere Wohlfahrt und unseren Wohlstand“. Wegen des hohen Anteils von Strafgefangenen mit Migrationshintergrund werde ohne „maximale Begrenzung des Zuzugs der Druck auf die Justiz untragbar“. Bei Parteichef Geert Wilders kam sie dadurch in die engere Wahl für einen der bald zu vergebenen Kabinettsposten.
Gewiss ist das Ministerium für Asyl und Migration keines der klassischen Schlüsselressorts, doch für die PVV von elementarer Bedeutung. Kein anderes Anliegen wird von ihren Wählern so oft genannt wie eine möglichst drastische Beschränkung von Zuwanderung. Auch in der jetzigen Koalition der PVV mit drei Parteien der bürgerlichen Rechten steht dies hoch im Kurs, wenn auch bei weniger drastischen Formulierungen. Im Koalitionsvertrag ist verankert, das bisher „strengste Asyl-Regime“ zu etablieren und aus der gemeinsamen europäischen Migrationspolitik auszusteigen. Marjolein Faber hat sich dazu in einem „Motivationsbrief“ ausdrücklich bekannt, den sie mit ihrem Amtsantritt dem Parlamentsvorsitzenden zukommen ließ. Die Annahme, dass ihr damit ein Fauxpas unterlaufen sein könnte, verkennt die „Mission“ der Ministerin, die sich im gleichen Schreiben als „Tochter einer hart arbeitenden Fleischerfamilie aus Amersfoort“ vorstellt. Sie wisse, wovon sie rede und wie sie ihr Mandat zu definieren habe. Es sei bekannt, dass sie als Sprecherin der Opposition in Debatten „hart auftreten“ könne, beschrieb sich Faber. Sie werde es als Ministerin gewiss nicht anders halten.
Nach der Sommerpause dürfte diese Ministerin wieder von sich reden machen. Dem Haager Parlament erklärte Faber kürzlich bei einer Anhörung: „Ich kann gut mit Druck umgehen. Ich habe einen heiteren Charakter, das habe ich von meiner Mutter geerbt. Ich lasse mich nicht aufhalten und nicht davon abbringen, die strengste je praktizierte Asylpolitik auszuführen – weder durch Druck noch durch welche Folgen auch immer.“