„Nichts für den König“ von Olivier Tallec: Weniger ist nichts

Schon ziemlich kurz, dieses Blatt, doch klipp und klar nicht „Nichts“. Genau dies wohl will jener König nach sich ziehen.

Splitterfasernackt steht er am Ende da, jener kleine König, und blickt in die Ferne. Gibt es noch Hoffnung, dass sein großer Wunsch erfüllt wird? Platz jedenfalls ist nun reichlich, seine früher vollen Regale hat jener Regent ausgeräumt – zu Händen „Nichts“!

Doch von vorn. Eigentlich ist jener König ein leidenschaftlicher Sammler, noch dazu einer, jener sich was auch immer leisten kann: Neben riesigen Flugzeugen, Kakteen und roten Vogelpfeifen finden sich zu Beginn dieser philosophischen Bilderbuchgeschichte in den roten Regalen außerdem Elefanten ohne Rüssel, Karamelleisbären, schwebende Geister und Gewitter, die keine Blitze zeugen. Täglich kommt Neues hinzu, sorgfältig systematisch, sortiert und durchnummeriert, solange bis dem König eines Tages auffällt, dass er eine Sache nicht verfügt: „Nichts“.

Der französische Autor und Illustrator Olivier Tallec ist traut hierfür, in vermeintlich kleinen Erzählungen große Fragen zu stellen: Am Beispiel eines raffgierigen Eichhörnchens verhandelt er dies Thema Ausgrenzung und Abschottung, zwei Wölfe schickt er ins Unbekannte und thematisiert Verlustängste. Nun darob kommt ein König an die Reihe, ein Menschlein uff jener Suche nachdem dem großen „Nichts“.

Tallec schickt den kleinen König im gelben Ganzkörperanzug uff eine Art Forschungsreise. Vielleicht versteckt sich dies Nichts ja in seiner Bibliothek, überlegt er. Doch in den tausend Büchern findet er immer irgendetwas, darob nicht „Nichts“. Weder im unendlich Kleinen, zwischen den Mikroben, noch im unendlich Großen, am Sternenhimmel, lässt es sich auftreiben.

„Warum gibt es immer irgendetwas und nicht ›Nichts‹?“, fragt sich jener König, womit er beinahe im Wortlaut die Grundfrage jener Metaphysik ausspricht, eine jener vielleicht ältesten Fragen jener Menschheit gar. Berühmt geworden ist sie durch den Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz, jener sich im beginnenden 18. Jahrhundert fragte, warum es ungefähr irgendetwas gibt denn nichts und wieso unsrige Welt so ist, wie sie ist. Mit jener Figur des kleinen Königs, jener zwar was auch immer nach sich ziehen und besitzen kann, nur nicht „Nichts“, erweitert Tallec die Grundfrage jener Metaphysik um eine genauso geniale wie greifbare Ebene.

Emotionalität und Witz entstehen vor allem durch die comicartigen Bilder, zu Händen die Tallec Buntstifte und Acrylfarbe verwendet. Die Signalfarbe Rot zieht sich durch aus Seiten und steht im Gegensatz zu den ungefähr blassen Gesichtern des Hofstaates, jener stumpf in die Welt starrt. So mehrfarbig gekleidet dies Gefolge des Königs genauso ist, wirkt es doch vor allem saturiert, und so drängt sich noch eine sozialkritische Dimension uff: Tallec erzählt genauso die Geschichte einer dekadenten Gesellschaft, die sich in Konsum, Narzissmus und Menge verloren hat und an ihrer eigenen Trägheit zu ersticken droht.

Der König kreist zu sehr um sein sehr warm begehrtes „Nichts“, um dies zu feststellen. Als ein wenigstens kleines Blatt vom Wind herangewirbelt wird, steckt er es in kombinieren Ofen, doch anstelle von „Nichts“ erhält er immer noch ein Häufchen Asche. Energie kann weder vernichtet werden noch aus dem Nichts entstehen, so jener Satz jener Energieerhaltung in jener Physik. Und schon jener Philosoph Aristoteles vermutete, dass es in jener Natur keine Leere gibt, worin jener französische Schriftsteller François Rabelais gar eine grundsätzliche Abscheu vor jener Leere sah. Was jener König genauso versucht, immer wieder erfährt er ebendiese Abneigung jener Natur gegensätzlich dem Nichts. Selbst denn er sich erschöpft zur Ruhe legt, um trivial nichts mehr zu zeugen, scheitert er.

Und so steht er am Ende unverblümt da, kurz und verloren in einer großen Weite. In diesem offenen Schlussbild herabsetzen sich nicht zuletzt Ehrfurcht und Demut vor denjenigen Fragen des Lebens aus, uff die wir wahrscheinlich niemals eine abschließende Antwort finden können. Nichts zu Händen den König besticht nicht nur mit hinreißendem Witz und dem Charme des Absurden, Tallec hat genauso eine brillante und zeitgemäße Parabel von einem jener größten Rätsel unserer Existenz erschaffen – und dies in einem Bilderbuch zu Händen die Jüngsten!

Olivier Tallec: Nichts zu Händen den König. Aus dem Französischen von Ina Kronenberger; Gerstenberg Verlag 2024; 40 Schwefel., 15,– €; ab 4 Jahren Das Buch erscheint am 1. Februar

Splitterfasernackt steht er am Ende da, jener kleine König, und blickt in die Ferne. Gibt es noch Hoffnung, dass sein großer Wunsch erfüllt wird? Platz jedenfalls ist nun reichlich, seine früher vollen Regale hat jener Regent ausgeräumt – zu Händen „Nichts“!

Doch von vorn. Eigentlich ist jener König ein leidenschaftlicher Sammler, noch dazu einer, jener sich was auch immer leisten kann: Neben riesigen Flugzeugen, Kakteen und roten Vogelpfeifen finden sich zu Beginn dieser philosophischen Bilderbuchgeschichte in den roten Regalen außerdem Elefanten ohne Rüssel, Karamelleisbären, schwebende Geister und Gewitter, die keine Blitze zeugen. Täglich kommt Neues hinzu, sorgfältig systematisch, sortiert und durchnummeriert, solange bis dem König eines Tages auffällt, dass er eine Sache nicht verfügt: „Nichts“.

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