Noch trägt das Raubtier keinen Namen. Aber die mehr als 270 Millionen Jahre alten Fossilien, die spanische Forscher auf Mallorca ausgegraben haben, geben Hinweise auf seine Lebensweise – und welche Beute gejagt wurde.
Fast wie ein Hund, aber nur fast: Den bislang frühesten Vertreter der sogenannten Gorgonopsiden haben Forscher nun ausgerechnet auf Mallorca entdeckt. Über den Fund berichtet das überwiegend katalanische Forschungsteam aktuell im Fachjournal „Nature Communications“.
Das bislang nicht benannte Tier lebte vor mindestens 270 Millionen Jahren, also noch vor den Dinosauriern, und ähnelte einem Hund mittlerer Größe. Es hatte eine Länge von etwa einem Meter und – anders als bei den damaligen Reptilien – eher vertikale vom Rumpf ausgehende Beine. Über Fell oder Ohren verfügte dieses Wesen zwar nicht, es wies aber bereits säbelzahnartige Eckzähne auf. Diese Fangzähne gelten als ein Kernmerkmal der Gorgonopsiden.
Die Gorgonopsiden gehören zur größeren Gruppe der Therapsiden (Therapsida), Landwirbeltiere, deren einzige, heute noch lebenden Vertreter die Säugetiere sind. Deren „Zweig“ am Stammbaum der Tiere entwickelte sich erst vor etwa 200 Millionen Jahren. „Gorgonopside sind enger mit Säugetieren verwandt als mit irgendwelchen anderen lebenden Tieren“, sagt Ko-Autor Ken Angielczyk vom Field Museum in Chicago. „Sie sind zwar nicht unsere direkten Ahnen, aber sie sind mit Arten verwandt, die unsere direkten Ahnen waren.“
Gefunden wurden die Fossilien im Nordwesten der Baleareninsel in der Gemeinde Banyalbufar, die im Tramuntana-Gebirge liegt. „Die große Zahl der Knochen war überraschend“, sagt Erstautor Rafel Matamales vom Museu Balear de Ciències Naturals (MBCN) in Port de Sóller. „Wir haben Fragmente vom Schädel, von den Wirbeln und Rippen gefunden bis hin zu einem gut erhaltenen Oberschenkelknochen.“
Die Beinknochen deuten laut den Forschern darauf hin, dass das Tier schnell rennen und damit vermutlich gut jagen konnte. Dazu passt der ebenfalls gefundene, knapp zehn Zentimeter lange säbelzahnartige Eckzahn, ein entscheidendes Merkmal der damaligen Raubtiere.
Das geschätzte Alter der auf Mallorca entdeckten Fossilien liegt zwischen 290 und 270 Millionen Jahren. Damit ist dieses Exemplar laut den Forschern der älteste Gorgonopsiden-Nachweis weltweit, das erste in Westeuropa überhaupt, und möglicherweise der älteste bekannte Therapside. Den bisherigen Altersrekord in der Gruppe der Therapsida hielt zuvor Raranimus dashankouensi, dessen Überreste aus dem mittleren Perm hatten Paläontologen im Gebirge Qilian Shan in Zentralasien entdeckte.
Aber welche Beute jagte dieses Wesen? Als Beispiel nennt das Team unter anderem sogenannte Captorhinidae, das waren pflanzenfressende echsenähnliche Reptilien. Dazu zählt etwa die 50 Zentimeter lange, ebenfalls bei Banyalbufar entdeckte und nach dem Gebirge benannte Art Tramuntanasaurus tiai.
Ungewöhnlich ist, dass der Fundort auf der Baleareninsel liegt. Denn die bisher bekannten Gorgonopsiden wurden eher in Regionen gefunden, die zur damaligen Zeit in höheren Breiten mit gemäßigtem Klima lagen. Als Beispiele sind Fundstätten auf dem Gebiet des heutigen Russlands und im südlichen Afrika zu nennen. Mallorca jedoch war noch keine Insel, sondern gehörte zum Superkontinent Pangaea – und lag in Äquatornähe mit einem warmen und sommerfeuchten Klima.
Walter Willems/dpa/sk
Source: welt.de