Wie hältst du es mit den Grünen? Über kaum eine Frage wurde im Vorfeld des Parteitags der CDU so leidenschaftlich diskutiert wie über diese. Parteichef Friedrich Merz hält sich nach seiner Fundamentalkritik im vergangenen Jahr („Hauptgegner“) eine Koalition mit den Grünen heute offen, sein Generalsekretär Carsten Linnemann geht dagegen auf maximale Distanz. „Mit diesen Grünen hätte es nie einen Koalitionsvertrag mit der CDU gegeben“, ließ er vor dem Parteitag über die „Bild“-Zeitung wissen.
Die Spitzen der CSU sehen es ähnlich. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder lässt keine Gelegenheit aus, gegen die Grünen zu stänkern. Was wiederum die CDU-Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens und Schleswig-Holsteins herausfordert, ihre grünen Koalitionspartner ausdrücklich zu loben.
Was wäre, wenn sich nach der nächsten Bundestagswahl tatsächlich eine schwarz-grüne Koalition anbieten würde? Wie viele inhaltliche Schnittmengen gäbe es? Ein Blick in das neue Grundsatzprogramm, über das die CDU am Dienstag auf ihrem Parteitag in Mainz diskutierte, zeigt: eher wenige. Das gilt für die Migrations- und die Gesellschaftspolitik ebenso wie für die Wirtschaftspolitik, mit der die CDU im Wahlkampf für sich Werbung machen will.
CDU setzt auf die Soziale Marktwirtschaft
An etlichen Stellen hebt das neue Grundsatzprogramm die Bedeutung der „Sozialen Marktwirtschaft“ hervor. Dass dies als bewusste Abgrenzung zu dem Leitbild von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) – der sozial-ökologischen Marktwirtschaft – zu verstehen ist, hat die Programmkommission auch ausdrücklich noch einmal so niedergeschrieben: „Die Soziale Marktwirtschaft ist und bleibt unser Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell. Sie umfasst auch eine ökologische Dimension.“ Dass sich die Wirtschaftspolitik einer CDU-geführten Bundesregierung vor allem um den Klimaschutz drehen würde, ist mit diesem Grundsatzprogramm nicht zu erwarten.
Manche Sätze lesen sich wie eine Kritik an der Ampelkoalition, ohne diese beim Namen zu nennen. Zum Beispiel dieser: „Wir müssen Schluss machen mit der Idee, dass der Staat besser weiß, wie sich Menschen und Unternehmen für die Zukunft aufstellen. Freiheit ist Innovationstreiber, Verbote sind es nicht.“ CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn sagte am Dienstag am Rande des Parteitags: „Deutschland ist so wenig links wie seit Jahren nicht mehr. Der grüne Zeitgeist ist vorbei.“
Einen grundlegenden Dissens gibt es auch in der Finanzpolitik. Auch wenn manche CDU-Ministerpräsidenten – zur Freude von SPD und Grünen – die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse gerne gelockert sähen: Das Grundsatzprogramm trägt diesbezüglich die Handschrift von Merz. An der Schuldenbremse soll demnach nicht gerüttelt werden, sie wird als Instrument der Nachhaltigkeit gegenüber der heute jungen Generation bezeichnet. Schuldenfinanzierte Sondertöpfe neben dem Bundeshaushalt lehnen die Christdemokraten ab. Sie dürften nur in „äußersten Ausnahmefällen“ eingerichtet und später nicht umgewidmet werden.
In der Vergangenheit zeigte sich die CDU diesbezüglich noch recht flexibel. Etliche der zuletzt 29 Sondervermögen sind unter ihrer Führung entstanden. Und 2020 war es die Regierung von Angela Merkel, die 26 Milliarden Euro nicht genutzte Corona-Hilfen in den Energie- und Klimafonds verschob.
Die Grünen vertreten in der Finanzpolitik bekanntlich eine gänzlich andere Position. Eine Lockerung der Schuldenbremse für Investitionen in den Klimaschutz und die Infrastruktur ist eine ihrer zentralen politischen Forderungen. Zudem schlug Habeck Anfang des Jahres ein Sondervermögen zur Belebung der Wirtschaft vor.
Die CDU will keine Vermögensteuer
Auch in vielen Details würde eine schwarz-grüne Koalition schwierig. Die CDU will das Ehegattensplitting erhalten, die Grünen sind für die Abschaffung dieses Steuervorteils für Ehepartner mit unterschiedlich hohen Einkommen. Die CDU pocht darauf, dass sich die Politik nicht in die Lohnfindung einmischen sollte. Die Grünen wollen eine Untergrenze von 60 Prozent des Medianlohns einführen, was 2025 auf einen Mindestlohn von knapp 15 Euro hinausliefe. Die CDU ist gegen eine Vermögensteuer, die Grünen fordern in ihrem Grundsatzprogramm, die Steuereinnahmen aus Kapitaleinkünften, Vermögen und Erbschaften „deutlich“ zu erhöhen. Die CDU will eine niedrigere Staatsquote, die Grünen wollen höhere Ausgaben der öffentlichen Hand. Und während aus Sicht der CDU die Einwanderung in die Sozialsysteme gebremst werden sollte und arbeitsfähige Bürgergeldempfänger arbeiten sollten, gibt es in den Reihen der Grünen nach wie vor viele, die diesbezüglich keine Probleme in Deutschland sehen.
Zumindest in einem Punkt gibt es aber auch Konsens: Sowohl die CDU als auch die Grünen sprechen sich für Anreize aus, damit ältere Menschen länger arbeiten. Nach dem Willen der Christdemokraten sollen arbeitende Rentner ihr Gehalt „bis zu einem bestimmten Betrag“ steuerfrei bekommen. Wirtschaftsminister Habeck schlug kürzlich vor, ihnen die Arbeitgeberbeiträge für die Arbeitslosen- und Rentenversicherung als „zusätzliches Honorar“ auszuzahlen. Eine Anhebung des Renteneintrittsalters für alle Beschäftigten wollen weder die CDU noch die Grünen. Zu groß ist die Furcht, damit in einer alternden Gesellschaft die Wähler verprellen.