Die Commerzbank besetzt ihre Spitze neu. Finanzvorständin Bettina Orlopp übernimmt die Führung des Geldinstituts in einer der herausforderndsten Phasen seiner Geschichte. Ob sie die Übernahme durch die Unicredit abwenden kann, ist offen. Doch ihr bietet sich zumindest eine Chance.
Die Worte von Jens Weidmann klingen lobend, aber auch nach nüchterner Normalität. Mit Bettina Orlopp habe der von ihm geführte Aufsichtsrat der Commerzbank eine „ideale Nachfolgelösung“ gefunden, als Mitarchitektin der aktuellen Strategie stehe die bisherige Finanzvorständin für „Wachstum, Profitabilität, Kundenfokus und Zusammenarbeit.“ Die Führung der Bank solle nun „zeitnah“ wechseln.
Dass die Umstände alles andere als normal sind, klingt in der am Abend des 24. Septembers versendeten Mitteilung allenfalls an. „Gerade in der jetzigen Phase der Bank“, so lässt sich der frühere Bundesbankpräsident Weidmann da zitieren, „sind klare Verantwortlichkeiten entscheidend.“
Tatsächlich übernimmt die 54-jährige Orlopp die Führung des Instituts in einer der herausforderndsten Phasen seiner 154-jährigen Geschichte. Die italienische Großbank Unicredit hat sich gut 20 Prozent der Anteile gesichert und macht keinen Hehl daraus, dass sie die Commerzbank komplett übernehmen will.
Der Einstieg der Italiener traf das deutsche Institut auch deshalb zur Unzeit, weil dessen Chef Manfred Knof gerade erst angekündigt hatte, seinen Ende 2025 auslaufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen. Der rasche Wechsel zu Orlopp sichert jetzt vor allem Handlungsfähigkeit und interne Reputation des Managements. Und er bietet die Chance, Rationalität in eine spätestens nach einer verbalen Intervention des Bundeskanzlers auch politisch enorm aufgeheizte Debatte zu bringen.
Ob das reicht, um die von den fast 40.000 Beschäftigten der Bank ersehnte Selbstständigkeit zu bewahren, ist offen. Allzu viele Optionen hat auch Orlopp nicht.
Wie es in den obersten Etagen der deutschen Unternehmen zugeht, hat Orlopp schon früh erfahren. Ihr Vater war Vorstand bei der Allianz und dem Autozulieferer Bosch. Orlopp folgte ihm zunächst nach, indem sie nach dem BWL-Studium in Regensburg erst einmal bei der Beratung McKinsey anfing.
Die „treue Seele“ Bettina Orlopp
Dort spezialisierte sie sich auf Finanzunternehmen und engagierte sich für ein damals in der Branche noch wenig populäres Thema. Als Mutter von zwei Kindern brachte sie mehrere Initiativen für eine bessere Vereinbarkeit von Job und Familie auf den Weg, auch als Partnerin arbeitete sie vorübergehend in Teilzeit. 2014 wechselte sie zur Commerzbank, deren damals amtierender Chef Martin Blessing seine ersten Berufsjahre ebenfalls bei McKinsey verbracht hatte. Eine wirklich attraktive Adresse war die Bank damals nicht.
Nach der Teilverstaatlichung in der Finanzkrise hatte sie zwar einen großen Teil der Staatshilfen von ursprünglich 16 Milliarden Euro zurückgezahlt. Geschäftlich aber dümpelte sie eher trostlos dahin, ihre selbst gesteckten Ziele verfehlte sie regelmäßig entweder komplett oder teilweise.
Das blieb auch in den kommenden Jahren so, in denen Orlopp in den Vorstand aufrückte, wo sie schließlich das Finanzressort übernahm. Ihre Reputation konnte sie dennoch ausbauen. Als ein vom damaligen Großaktionär Cerberus 2020 angezettelter Aufstand gegen die amtierende Bankführung zu deren Ablösung führte, blieb Orlopp an Bord.
Der Sprung an die Spitze blieb ihr damals noch verwehrt. In der Unternehmenswelt ist sie dennoch bestens vernetzt. 2022 wählte sie eine Jury des „Manager Magazin“ zur wichtigsten deutschen Managerin. Über die Anerkennung dürfte sich Orlopp eher im Stillen gefreut haben. Dass öffentliche Auftritte zu ihrem Job gehören, hat sie akzeptiert, sie absolviert sie souverän, ohne sie sichtbar zu genießen.
Am liebsten argumentiert sie dabei von einem soliden Zahlenfundament aus. Die Sachlichkeit schätzen Investoren ebenso wie die Mitarbeiter der Bank. Dass Orlopp mögliche Abwanderungsgedanken mit dem Hinweis darauf konterte, dass sie eine „treue Seele“ sei, hat ihr zusätzliche Sympathien eingebracht.
Der starke Rückhalt in der Bank zeichnet sie vor dem früheren Allianzmanager Knof aus, der erst Anfang 2021 nach einem kurzen Intermezzo bei der Deutschen Bank zur Commerzbank gewechselt war. Unter seiner Führung lief es deutlich besser als erwartet, die Zinswende hatte daran aber einen mindestens ebenso großen Anteil wie das von Knof vorgelegte Sanierungsprogramm.
Intern hielt sich die Begeisterung über den Aufschwung in Grenzen. In Aufsichtsratskreisen hieß es schon vor Monaten nüchtern, dass Knof auch seinen Anteil am Wiederaufstieg habe. Und dass man ihm eine Verlängerung seines Vertrags wohl kaum verweigern könne, wenn er sie denn anstreben sollte. Knof wird nun nicht im Unfrieden gehen. Es bleibt sein Verdienst, die Bank im Chaos übernommen und gemeinsam mit Orlopp befriedet zu haben.
Orlopp wird ernste Gespräche mit Unicredit führen
Die Erwartungen an die Nachfolgerin sind gewaltig. Stellvertretend für die rund 38.000 Beschäftigten hat eine Abordnung der Gewerkschaft Verdi lautstark vor der Frankfurter Firmenzentrale artikuliert. Und in Berlin haben zahlreiche Politiker erklärt, dass sie von der Übernahme wenig halten.
Von vornherein unterbinden können sie diese allerdings kaum. Schließlich ist Unciredit kein dubioser Investor, sondern eine erfolgreiche europäische Bank. Orlopp wird deshalb in den kommenden Wochen jetzt ernste Gespräche mit den italienischen Angreifern führen.
Dass diese nicht mit offenen Karten gespielt und erst mal dicke Pflöcke eingerammt haben, wird die Atmosphäre nicht gerade entspannen. Dass Orlopp das Vorgehen nicht gefällt, hat sie vor einigen Tagen klargemacht.
Der Einstieg sei „doch sehr überraschend“ gekommen und sorge nun für Unruhe, die niemand brauche. Die Commerzbank befinde sich auf Kurs – „und da geht noch mehr“, sagte sie. Wenn die Bank eigenständig bleiben soll, wird sie die Mehrzahl der Aktionäre davon überzeugen müssen.
Cornelius Welp ist Wirtschaftskorrespondent in Frankfurt. Von dort aus berichtet er über Banken, Versicherungen und Finanzinvestoren und Unternehmen.
Source: welt.de