In Staffel fünf von „Emily in Paris“ zieht es Emily nach Rom und erstmals gerät ihr Social-Media-Optimismus ins Wanken. Influencer-Tourismus, Moralfragen und Imagepflege rücken überraschend in den Fokus
Emily, die als echte US-Romantikerin auch nach Enttäuschungen noch an die Liebe zu glauben scheint, hat sich als Love Interest den ehrgeizigen Spross einer italienischen Luxusmarke, geangelt
Foto: Giulia Parmigiani/Netflix
Das will schon was heißen: Sogar Emily hat die Nase voll von Social Media. Als ob sie eine der aktuellen Studien über Mediennutzung gelesen hätte. Emily Cooper (Lily Collins), die die Marketing-Welt seit vier Jahren (als sie als US-Import in die Pariser Dépendance einer amerikanischen Agentur geschickt wurde) mit unverbesserlichem Optimismus, streberhaftem Fleiß, einem megalomanen Designerkleiderschrank und endlosen Postings überzieht, begibt sich in der fünften Staffel Emily in Paris aus der pittoresken Pariser Serien-Surrealität in die ebenso unglaubliche Postkartenwelt Roms.
Wie üblich steckt Arbeit dahinter – die von der Kettenraucherin und jüngere Liebhaber vernaschenden Agenturchefin Sylvie (Philippine Leroy-Beaulieu) geführte Agence Grateau möchte eine Niederlassung dort. Und Emily, die als echte US-Romantikerin auch nach Enttäuschungen noch an die Liebe zu glauben scheint, hat sich als Love Interest Marcello (Eugenio Franceschini), den ehrgeizigen Spross einer italienischen Luxusmarke, gesucht.
Doch ihre Idee, in Marcellos Heimat, dem malerischen Dörfchen Solitano, ein Pressefrühstück zu veranstalten, hat fatale Konsequenzen: Mit dem Erfolg der Kampagne fallen Tourist:innen, Influencer:innen und sonstige Plagegeister in Solitano ein, vermüllen den lauschigen Marktplatz und pinkeln hinter die Ruinen. Marcellos Mutter, die Marken-Matriarchin, ist geschockt und bezeichnet die permanent postenden Besucher:innen als „Zombies“.
So viel Selbstkritik war noch nie
So viel Medien- und damit Selbstkritik war also noch nie in der seit 2020 erfolgreich, respektlos und humorvoll Klischees verwurstenden RomCom-Serie des Sex-and-the-City-Miterfinders Darren Star. Vielleicht muss Emily in der neuen Staffel auch darum schon mit der vierten Folge nach Paris zurückkehren, und zwar nicht pronto, sondern vite, vite. Dort bewegt sich ihr Social-Media-Verhalten bald wieder auf dem normalen, nämlich ununterbrochenen Niveau.
Dennoch scheinen die Serienmacher:innen zu versuchen, etwas zu ändern, wenn auch auf molekularer Ebene: Emilys alte Liebe, Chefkoch Gabriel (Lucas Bravo), möchte in die Pilze gehen und statt Fleisch „plant based cooking“ anbieten. Und die Agence Grateau muss entscheiden, wie sie mit dem Auftrag für das Marketing einer Mineralwasserfirma umgeht, die sich in der Vergangenheit als homophob geriert hatte – ein interessanter Konflikt, der auf einem alten Dilemma beruht: Muss man einer Marke verzeihen, wenn sie unter neuer Führung steht? „The only thing this water is against, is dehydration“, behauptet der neue CEO trotzig.
Emilys queerer Kollege Julien (Samuel Arnold), der wie die meisten Nebenfiguren mit einem größeren eigenen Handlungsbogen ausgestattet wurde, steht dennoch auf dem Standpunkt, dass für Vergebung zunächst eine Entschuldigung vonnöten ist. Das könnte man (mit einigem von Emilys gutem Willen) durchaus als Aussage gegen die streitfreudige, immer schwerer zu befriedende Erregungsgesellschaft sehen.
Alles in Frankreich ist so frisch, igitt!
Aber trotz der indirekten, glossy verpackten Diskurse um Menschenrechte, Diskriminierung und Klima, die bei genauer Betrachtung schon früher ab und an in der Serie aufblitzten (Emilys Freundin Mindy hatte sich einst erfolgreich gegen „Slutshaming“ gewehrt, Emily hatte eine sexistische Werbekampagne offengelegt, und ist Sylvies vorbildlich-promiskuitiver Lebensstil nicht ein einziger Aufschrei gegen Ageismus?): Auch in der fünften Staffel von Emily in Paris dienen die kurzen Dialogszenen ausschließlich dazu, von einer Party zur nächsten – und damit an ein neues Outfit zu gelangen. Das kann man oberflächlich finden – es gehört jedoch zum Konzept der Serie, deren vestimentäre Aussage ebenso laut ist wie die in knappen Happen angefütterten French- (und Italo-)Popsongs und die bissigen und schlagfertigen Wortwechsel.
Allein Emily selbst, die bei einer Begegnung mit einem natürlich attraktiven, US-amerikanischen Botschaftsmitarbeiter kurz mal ihre Sehnsucht nach dem Lifestyle „Fast Food“ ausdrückt („Alles in Frankreich ist so frisch, igitt!“), bleibt bei ihren neuen Abenteuern erstaunlich blass und ertrinkt am Staffelende fast in einer großen Kitschblase aus Klassik, Heiratsanträgen und Träumen von Venedig – mit einem nicht zufälligen Kopfnicken in Richtung Jeff Bezos. Dabei versinkt das bekanntlich bald eh im Meer.