Am Dienstag ist der neue polnische Präsident Karol Nawrocki erst mit militärischen Ehren von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfangen worden und dann zu einem Gespräch mit Bundeskanzler Friedrich Merz ins Bundeskanzleramt gefahren. Es ist sein Antrittsbesuch und viel gibt es gerade zu besprechen zwischen Warschau und Berlin.
Da ist die Bedrohung durch Russland nach dem Eindringen der russischen Drohnen in den polnischen Luftraum, oder die Forderung Polens nach Reparationen für das, was das nationalsozialistische Deutschland dem Land im Zweiten Weltkrieg angetan hat. Nur Fragen konnte man dazu am Dienstag weder Nawrocki noch seine Gesprächspartner: Pressekonferenzen waren nämlich nicht angesetzt. Stattdessen teilte ein stellvertretender Regierungssprecher nach dem Gespräch im Kanzleramt mit, Merz habe Polen als wichtigen europäischen Nachbarn und engen Freund Deutschlands gewürdigt.
Vieles ist komplizierter nach Nawrockis Wahl
Anderthalb Monate nach seinem Amtsantritt fliegt Nawrocki zu den wichtigsten europäischen Verbündeten in Paris und Berlin. In Washington war er schon, und hat mit Präsident Donald Trump gesprochen. Der hatte Nawrocki schon im Wahlkampf unterstützt. Als vergangene Woche aber die russischen Drohnen über Polen flogen, äußerte sich Trump zunächst nur kryptisch. Deutschland dagegen verstärkte mit vier Eurofighter-Kampflugzeugen die Überwachung der NATO-Ostflanke.
Nawrocki und Merz hätten die jüngsten Verletzungen des polnischen Luftraums durch Russland scharf verurteilt, teilte der stellvertretende Regierungssprecher mit. Merz habe unterstrichen, dass Deutschland „fest und unverbrüchlich an der Seite Polens stehe“. Die gemeinsame Sicherung des Ostseeraums und der NATO-Ostflanke habe hohe Priorität. Zumindest bei diesem Punkt besteht Einigkeit zwischen Warschau und Berlin. Bei anderen ist es komplizierter.
Deutschland, Frankreich und Polen hatten sich im „Weimarer Dreieck“ politisch eng verbunden. Es bestand die Hoffnung, dass dieses Format, das in Zeiten der nationalkonservativen PiS-Regierung darniederlag, mit dem liberal-konservativen und proeuropäischen Regierungschef Donald Tusk wieder an Schwung gewinnt. Und das noch mehr, wenn im Sommer auch noch Tusks Kandidat für das Präsidentenamt, der Warschauer Bürgermeister Rafal Trzaskowski, die Wahl gewonnen hätte. Merz selbst hatte stets deutlich gemacht, die Beziehungen nach Warschau intensivieren zu wollen.
In der Stichwahl siegte aber der PiS-Kandidat Nawrocki, der im Wahlkampf die nationalistische Karte gespielt hatte. Polen zuerst, und Polen für Polen, lauteten seine Parolen. Und mehr noch als am aggressiv agierenden Russland arbeitete er sich an Deutschland ab: Berlin, so wiederholte er eine gängige Erzählung der PiS, trachte nur danach, Polen mit Hilfe Brüssels kleinzuhalten und zu unterdrücken. „Ich werde nicht der Diener Deutschlands sein!“, versprach er in Wahldebatten.
Dass seine Rhetorik auf fruchtbaren Boden in Polen fing, hing vor allem mit zwei Themen zusammen: Deutschlands Grenzkontrollen und der Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs. Die von der neuen schwarz-roten Bundesregierung noch verschärften Grenzkontrollen sind vor allem in den Grenzregionen ein Ärgernis, wo viele Polen nach Deutschland zur Arbeit pendeln.
Weiter Streit über Reparationsforderungen
Zudem wird in Polen wahrgenommen, welche Probleme in Deutschland durch die Aufnahme von Millionen von Migranten entstanden sind, und der Tenor lautet lagerübergreifend, solche Zustände im eigenen Land nicht haben zu wollen. Nawrocki und die PiS schürten Ängste, wonach Deutschland nicht nur irregulär eingereiste Migranten an der polnischen Grenze zurückweist, sondern auch Straftäter nach Polen abschiebt, was allerdings völlig aus der Luft gegriffen ist. In der Mitteilung des stellvertretenden Regierungssprechers in Berlin stand nichts zum Thema Grenzkontrollen.
Ebenso wenig stand da etwas von Reparationen. Viele Polen verbittert bis heute, wie wenig Deutsche über die von Deutschland begangenen Verbrechen in Polen während des Zweiten Weltkriegs wissen und von den enormen Schäden. Abgesehen von ein paar Reparationen aus der DDR hat Polen auch nie eine Kompensation für seine Verluste erhalten. So erklärt sich die Popularität der von der PiS aufgemachten Reparationsforderung über 1,3 Billionen Euro, die auch Nawrocki vor seinem Berlin-Besuch noch einmal bekräftigt hat. Das werde Gegenstand der Gespräche sein.
Aus Sicht der Bundesregierung ist das Kapitel rechtlich abgeschlossen. Vor gut einem Jahr hatte der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz bei Regierungskonsultationen in Warschau noch versucht, mit einer humanitären Geste voranzukommen. Es gelang jedoch nicht, konkrete Entschädigungszusagen für die noch lebenden Opfer des Zweiten Weltkriegs zu vereinbaren.
Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht nun, dass man sich für die rasche Einrichtung eines Gedenkorts für die Opfer der deutschen Aggression und Besatzung in Polen sowie die Errichtung des Deutsch-Polnischen Hauses als Ort des Gedenkens und Begegnens im Zentrum Berlins einsetze. „Die Versöhnung mit Polen nach den Gräueln des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Besatzung zu befördern, bleibe für die Bundesregierung historische Verantwortung“, teilte der stellvertretende Regierungssprecher mit.
Source: faz.net