Der Chef des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini, hat vor einer weiteren Verschlechterung der humanitären Lage im Gazastreifen gewarnt. Im bevorstehenden Winter drohten Hunger und Mangelernährung in dem Palästinensergebiet, sagte Lazzarini bei einer Pressekonferenz in Berlin. Dabei sei dies vermeidbar: „Der Hunger in Gaza ist künstlich erzeugt.“
Zuletzt seien erneut weniger Hilfskonvois in den Gazastreifen gelangt, vor allem im Norden des Gebiets, wo es derzeit erneut intensive Kämpfe gebe, sagte er. Insbesondere die Situation der Kinder in Gaza sei extrem prekär, sie lebten zwischen Abwässern und Müll. Viele Kinder und Jugendliche seien durch den Krieg traumatisiert, 600.000 Schulkinder erhielten keine Bildung.
Zur Frage, inwiefern Israel absichtlich Hunger in Gaza erzeuge, wollte sich Lazzarini nicht äußern. Zur Frage, ob das israelische Militär in Gaza Kriegsverbrechen oder sogar einen Genozid begehe, verwies der UNRWA-Chef auf den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, der sich derzeit mit entsprechenden Vorwürfen befasst.
Warnung vor Auflösung des UNRWA
Deutlich kritisierte Lazzarini Pläne des israelischen Parlaments zur Auflösung des UNRWA in den besetzten Palästinensergebieten. Lazzarini warnte vor einem solchen Schritt und seiner Bedeutung auch über den Nahen Osten hinaus. Sollte es gelingen, das Hilfswerk aus der Region zu drängen, könnten sich vergleichbare Angriffe auf UN-Institutionen anderswo wiederholen, warnte er. Die UN-Mitgliedsstaaten forderte er zur weiteren politischen und finanziellen Unterstützung des Hilfswerks auf.
Lazzarini äußerte sich auch zur Lage im Libanon, wo Israel seit Wochen verstärkt Hisbollah-Ziele angreift. Hunderttausende sind bereits aus dem Süden des Landes geflohen. Die Zahl der Toten durch die jüngsten Kämpfe zwischen Israel und der Hisbollah liege bereits jetzt höher als jene im Libanonkrieg von 2006, sagte Lazzarini. Bei einem Besuch im Libanon am vergangenen Wochenende habe er „tiefe Verängstigung“ erlebt. Viele Menschen fragten sich, was die Zukunft bringe „und ob der Libanon zu einem neuen Gaza wird oder nicht“. Das UNRWA sei im Land mit Schutzunterkünften vertreten, die offen für alle seien – für palästinensische Flüchtlinge ebenso wie für Libanesen und Syrer im Land.
Das UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East) gilt als wichtigste internationale Hilfsorganisation für Palästinenser in Gaza, dem Westjordanland sowie in Jordanien, Syrien und dem Libanon. Es betreibt dort unter anderem Gesundheitseinrichtungen und Schulen. An der Organisation gibt es erhebliche Kritik. Israel wirft dem UN-Hilfswerk in Gaza eine Unterwanderung durch die Hamas vor. Mindestens 19 UNRWA-Mitarbeiter – viele von ihnen für das Hilfswerk tätige Lehrer – sollen nach israelischen Angaben am Überfall der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen sein. Wichtige Geldgeber des UNRWA wie Deutschland setzten ihre Zahlungen wegen der Anschuldigungen vorübergehend aus. Die als proisraelisch geltende Schweizer Nichtregierungsorganisation UN Watch wirft etlichen weiteren UNRWA-Beschäftigten vor, das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 gefeiert und humanitäre Hilfe für die palästinensische Zivilbevölkerung abgezweigt zu haben.
Lazzarini sagte zu den israelischen Vorwürfen gegen die 19 Mitarbeiter, eine interne Untersuchung habe in der Hälfte der Fälle keine Belege für eine Verwicklung in das Hamas-Massaker ergeben. Ermittlungen zur anderen Hälfte seien „uneindeutig“ verlaufen, eine Beteiligung dieser Mitarbeiter am Überfall auf Israel könne nicht ausgeschlossen werden. Lazzarini verwies darauf, dass alle 19 beschuldigten Mitarbeiter entlassen worden seien. Ein Teil von ihnen sei inzwischen im Gazakrieg getötet worden, ein Teil befinde sich in israelischem Gewahrsam.
Hilfswerk mit Neutralitätsproblem
Die Vereinten Nationen hatten als Reaktion auf die Vorwürfe einen unabhängigen
Untersuchungsausschuss eingesetzt. Dieser bescheinigte dem
Palästinenserhilfswerk im April „Probleme bei der Neutralität„.
Die Ausschussvorsitzende und frühere französische Außenministerin
Catherine Colonna verwies unter anderem auf politische Äußerungen von
UNRWA-Mitarbeitern und die versuchte
Einflussnahme politisierter Gewerkschaften auf das Hilfswerk. Colonna verwies zudem auf problematische Inhalte in Lehrbüchern von UNRWA-Schulen.
Bereits vor Jahren wurden antisemitische und Terror verherrlichende Inhalte in Lehrbüchern entdeckt, die auch an UNRWA-betriebenen Schulen in Gaza zum Einsatz kamen. Belege für
eine systematische Unterwanderung des Hilfswerks durch Hamas-Anhänger
fand die Untersuchungskommission nach eigenen Angaben aber nicht.
Lazzarini sagte, das UNRWA arbeite intensiv daran, die insgesamt 15 Empfehlungen des Colonna-Ausschusses umzusetzen. Dabei habe es bereits Fortschritte gegeben, auch bei der Überprüfung von Mitarbeitern. Zu den Schulbuchvorwürfen sagte er: „Die Lehre von Antisemitismus in unseren Klassenräumen hat absolut keinen Platz.“ Das UNRWA würde dagegen Maßnahmen ergreifen, wenn es damit konfrontiert sei.
Der Chef des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini, hat vor einer weiteren Verschlechterung der humanitären Lage im Gazastreifen gewarnt. Im bevorstehenden Winter drohten Hunger und Mangelernährung in dem Palästinensergebiet, sagte Lazzarini bei einer Pressekonferenz in Berlin. Dabei sei dies vermeidbar: „Der Hunger in Gaza ist künstlich erzeugt.“
Zuletzt seien erneut weniger Hilfskonvois in den Gazastreifen gelangt, vor allem im Norden des Gebiets, wo es derzeit erneut intensive Kämpfe gebe, sagte er. Insbesondere die Situation der Kinder in Gaza sei extrem prekär, sie lebten zwischen Abwässern und Müll. Viele Kinder und Jugendliche seien durch den Krieg traumatisiert, 600.000 Schulkinder erhielten keine Bildung.