Nahost: Netanjahu kündigt nach Raketenangriffen Vergeltung an

Nach erneuten Unruhen auf dem Jerusalemer Tempelberg ist Israel von mehreren Seiten mit Raketen angegriffen worden. Mehr als 30 Raketen wurden nach Angaben der israelischen Armee aus dem Libanon abgefeuert – so viele wie seit 2006 nicht mehr. Fünf der Raketen seien auf israelischem Gebiet niedergegangen, 25 Geschosse habe das Raketenabwehrsystem Iron Dome abgefangen. 

In mehreren grenznahen Orten in Nordisrael wurde Luftalarm ausgelöst. Nach Angaben des israelischen Rettungsdiensts Magen David Adom wurden mindestens zwei Menschen leicht verletzt. Mehrere weitere Menschen hätten wegen Stresssymptomen behandelt werden müssen.

Benjamin Netanjahu beschwört israelische Geschlossenheit

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu berief ein Treffen des Sicherheitskabinetts ein. In der Sitzung kündigte er eine „aggressive Reaktion“ auf den ungewöhnlich heftigen Raketenbeschuss an. „Wir werden unsere Feinde treffen, und sie werden einen Preis für jeden Akt der Aggression zahlen.“ Zuvor hatte Verteidigungsminister Joaw Galant das Militär angewiesen, sich auf „alle möglichen Reaktionen“ vorzubereiten.

„Unsere Feinde werden wieder lernen, dass israelische Bürger in Kriegszeiten zusammen und vereint stehen und die Aktionen des Militärs und der übrigen Sicherheitskräfte unterstützen“, sagte Netanjahu mit Blick auf die innenpolitische Krise in Israel. In dem Land gibt es seit Wochen Massenproteste gegen die Pläne der rechtsreligiösen Regierung unter Netanjahu zum Umbau des Justizsystems. 

Libanon meldet israelische Gegenangriffe

Libanesischen Berichten zufolge reagierte die israelische Armee bereits am Nachmittag mit Granatenangriffen auf den Südlibanon. Aus libanesischen Sicherheitskreisen hieß es, im Süden des Landes seien Artilleriegeschosse eingeschlagen. Berichte über Verletzte oder Schäden gab es nicht.   

Die UN-Friedensmission Unifil forderte beide Seiten zur Deeskalation auf. „Die Lage ist sehr ernst“, teilte Unifil mit. Die UN-Mission überwacht seit 1978 das Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon. Die Nachbarstaaten befinden sich offiziell im Kriegszustand.     

Drohungen der libanesischen Hisbollah

Zu dem Raketenbeschuss auf Israel bekannte sich zunächst niemand. Wenige Stunden zuvor hatte jedoch die vom Iran unterstützte Hisbollah im Libanon angekündigt, palästinensische Gruppen nach den gewaltsamen Zusammenstößen auf dem Tempelberg „mit allen Maßnahmen“ gegen Israel zu unterstützen. Die Hisbollah hat in der Vergangenheit immer wieder Raketen auf Israel abgefeuert, zuletzt im April des vergangenen Jahres.

Seit Mittwoch hält sich der Chef der radikalislamischen Hamas, Ismail Hanija, im Libanon auf. Einen für Donnerstagnachmittag geplanten Besuch in der südlibanesischen Stadt Sidon sagte Hanija aufgrund der „Entwicklungen“ jedoch ab. Aus Hamas-Kreisen hieß es, Hanija wolle sich in den kommenden zwei Tagen mit dem libanesischen Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah treffen.      

Raketenangriffe auch aus dem Gazastreifen

Auch aus dem Gazastreifen, den die Hamas seit 2007 regiert, gab es seit Mittwoch wiederholt Raketenangriffe auf Israel. Die israelische Armee reagierte darauf ihrerseits mit Luftangriffen auf mutmaßliche Waffenfabriken der Hamas in dem Palästinensergebiet.

Internationale Regierungen verurteilten die jüngsten Raketenangriffe auf Israel. „Wir verurteilen den Raketenbeschuss auf Israel aus dem Gazastreifen und dem Süden Libanons aufs Schärfste“, twitterte das Auswärtige Amt in Berlin. „Er muss sofort aufhören. Es gilt besonders jetzt während der Feiertage, eine weitere Eskalation zu verhindern.“ Auch Frankreich rief nach Angaben eines Außenministeriumssprechers dazu auf, während der Feiertage „jede Aktion zu vermeiden, die die Eskalation der Gewalt anheizen könnte“.

USA betont Israels Selbstverteidigungsrecht

Das US-Außenministerium teilte mit, die Vereinigten Staaten erkennen „das legitime Recht Israels an, sich selbst gegen alle Formen der Aggression zu verteidigen“. UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte laut seinem Sprecher „die zahlreichen Raketen, die heute aus dem Libanon auf den Norden Israels abgefeuert wurden“.  

Die Spannungen zwischen Israel und den Palästinensern verschärften sich zuletzt erneut. Auf dem Tempelberg in Jerusalem gab es in den vergangenen Tagen wiederholt Zusammenstöße. Die israelische Polizei war an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg eingedrungen. Ihren Angaben zufolge hatten sich in der Moschee „Unruhestifter“ verbarrikadiert, die Polizisten mit Steinen angegriffen und Feuerwerkskörper gezündet hätten. Mehr als 350 Menschen wurden bei dem Einsatz in der Nacht zum Mittwoch festgenommen.

Aktuell kommen besonders viele Muslime zum Tempelberg, um dort während des Ramadan zu beten. Der islamische Fastenmonat fällt in diesem Jahr mit dem jüdischen Pessachfest zusammen.     

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